«Die Gesundheit aller hat oberste Priorität»

Das Coronavirus sorgt für Verschiebungen und Absagen und macht auch vor dem grössten Multisportanlass der Welt nicht halt: Die Olympischen Spiele in Tokio werden nicht wie geplant im Sommer 2020 stattfinden. Siebenkämpferin Géraldine Ruckstuhl aus Altbüron nimmt Stellung.

Géraldine Ruckstuhl (links, hier bei der Aktiv-SM 2019 in Basel) begrüsst die Verschiebung der Olympischen Spiele. Foto HPR
Patrik Birrer

Nun ist die Katze aus dem Sack: Japans Regierungschef Shinzo Abe und Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees IOC, haben sich am Dienstag auf eine Verschiebung der Olympischen Sommerspiele sowie der Paralympics geeinigt – ein historisches Novum. Olympische Spiele wurden aufgrund des Ersten und Zweiten Weltkrieges zwar schon gestrichen, verschoben wurden sie in der 124-jährigen Geschichte aber noch nie. 

Ziel sei es, die Gesundheit der Athleten und aller an den Olympischen Spielen Beteiligten zu schützen, liess das IOC verlauten. Bereits vor dem Entscheid hatten sich die nationalen olympischen Komitees von Kanada und Australien dazu entschieden, in diesem Jahr keine Sportler nach Tokio zu senden. Wann die Sommerspiele genau stattfinden sollen, ist noch nicht bekannt, jedoch spätestens im Sommer 2021.

Die vorläufige Verschiebung der Olympischen Spiele löste in der Sportwelt unterschiedliche Reaktionen aus. Doch Fakt ist: Die Bedingungen, unter denen die Spitzenathleten zurzeit trainieren müssen, sind vielerorts prekär und lassen einen Fokus auf den Sport in vielen Fällen nicht zu. Und bekanntlich treffen an Olympischen Spielen Sportler, Funktionäre und Fans aus aller Welt auf engstem Raum zusammen: In Zeiten der Corona-Krise undenkbar. 

 

Es ist der einzig richtige Entscheid. Die aktuellen Voraussetzungen verunmöglichen eine faire und würdige Vorbereitung auf diesen Grossanlass.
Géraldine Ruckstuhl
Siebenkämpferin

 

Fairplay als wichtiger Aspekt
Siebenkämpferin Géraldine Ruckstuhl vertritt bezüglich Verschiebung der Olympischen Sommerspiele eine klare Meinung: «Es ist der einzig richtige Entscheid. Die aktuellen Voraussetzungen verunmöglichen eine faire und würdige Vorbereitung auf diesen Grossanlass. Fairplay ist für mich der wichtigste Aspekt, der im Sport gelebt wird. Deshalb unterstütze ich diesen Entscheid sehr.» Das zusätzliche Jahr will die 22-Jährige nutzen, um sich weiter zu verbessern. «Natürlich ist es schade, dass der Anlass, auf den ich vier Jahre lang hingearbeitet habe und der mein grosses Saisonziel bilden sollte, verschoben wurde. Doch dies gilt es zu akzeptieren und das Positive daraus zu nehmen. Ob in diesem Jahr überhaupt noch Wettkämpfe stattfinden werden, weiss zurzeit niemand. Dennoch werde ich weiter trainieren, denn das ist meine Leidenschaft. Doch viel wichtiger als Wettkämpfe ist nun die Gesundheit aller. Diese hat oberste Priorität.»

Die Massnahmen des Bundesrates zur Einschränkung des Coronavirus haben auch den Trainingsalltag der Altbürerin massiv eingeschränkt. «Anfangs konnte ich noch gut trainieren, doch als alle Trainingsplätze und Hallen geschlossen wurden, musste ich meine Pläne auf den Kopf stellen. Von Tag zu Tag zu schauen, was in welcher Form möglich ist, war ich mir bisher nicht gewohnt. Aber es war eine gute Erfahrung, die ich als Chance wahrnehme.» Auch wenn es zurzeit nicht möglich ist, weit vorauszuschauen, will sich Géraldine Ruckstuhl bestmöglich auf sportliche Ernstkämpfe vorbereiten. «Statt auf der Bahn habe ich in den letzten Tagen auf der Strasse oder auf dem Feld trainiert. Dank dem tollen Support von meinem Verein und der Gemeinde durfte ich einige Materialien mit nach Hause nehmen. Zudem habe ich mir mit dem Geld, welches ich 2017 als Gewinnerin des Sporthilfe-Nachwuchspreises erhalten habe, einen eigenen Kraftraum eingerichtet; rückblickend eine super Entscheidung.»

 

Die Unsicherheit war in den letzten Tagen mein ständiger Begleiter.
Géraldine Ruckstuhl
Siebenkämpferin

 

Quarantäne in Magglingen
Das ständige Improvisieren und Organisieren hat aber auch viel Energie und Kraft gekostet. «Ich wusste nie genau, was und wo ich wirklich trainieren kann. Die Unsicherheit war in den letzten Tagen mein ständiger Begleiter», so die amtierende U23-Europameisterin im Siebenkampf. Deshalb hat sie sich nach langem Abwägen dafür entschieden, nach Magglingen zu gehen und dort unter Quarantänebedingungen zu trainieren. Ein Angebot, das nur wenigen Spitzenathleten offensteht. Die Auflagen dafür sind streng. Dem Trainingsaufenthalt voraus geht eine fünftägige Selbstquarantäne und ein medizinischer Eintrittstest. «Wir werden Magglingen nicht verlassen dürfen und auch keine Besuche empfangen. Zudem gelten auch dort die Abstands- und Hygieneregeln des Bundes.» Die 22-Jährige wird die Zeit neben den Trainings vor allem in ihrem Zimmer verbringen. «Ich werde meine Gitarre mitnehmen und Onlinekurse absolvieren, um die Freizeit sinnvoll zu nutzen. Ich sehe das Ganze als Chance und möchte das Beste daraus machen. Meine Trainer werden nicht vor Ort sein. Es sind jedoch andere Trainer dort, welche mich unterstützen und auch mal ein Video machen und meinen Betreuern zusenden können. Ich werde sicher mehr Selbstverantwortung haben als zu Hause.»

In Magglingen hat die Kauffrau die Möglichkeit, unter besten Bedingungen zu trainieren. Dennoch fiel ihr der Entscheid nicht leicht. «Ich bin ein Familienmensch und brauche mein engstes Umfeld. Dank technischen Hilfsmitteln werde ich mich aber mit ihnen austauschen können.» Die Ungewissheit sei für alle Athleten die gleiche. «Auch wenn man momentan nicht weiss, für welche Wettkämpfe man trainiert, werde ich weiterarbeiten. Die Krise zeigt, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Der Sport ist meine Leidenschaft und ich bin extrem dankbar, dass ich ihn nach wie vor ausüben und an die frische Luft gehen darf. Ich möchte nun gut trainieren und meine Form aufrechterhalten. Die Gesundheit steht aber ganz klar an oberster Stelle, nur gemeinsam können wird dieses Virus bekämpfen.»

Stefanie Barmet

Willisauer Meeting abgesagt

Leichtathletik Schweren Herzens hat das OK des Willisauer Meetings entschieden, den diesjährigen Anlass, der am 9. Mai hätte stattfinden sollen, aufgrund des Coronavirus abzusagen. «Es hat sich in den letzten Wochen abgezeichnet, dass eine Durchführung schwierig werden dürfte. Wir hätten noch viele Vorbereitungen treffen und Helfer aufbieten sollen. Nach mehreren Wochen, in denen man zu Hause bleiben und Abstand halten sollte, ein fast unmögliches Unterfangen», sagt OK-Präsidentin Marlen Baumgartner. Hinzu komme, dass nach dem 19. April wohl kaum mit der sofortigen Rückkehr zum Alltag, sondern höchstens mit einer stufenweisen Lockerung der Massnahmen zu rechnen sei. «Ein Meeting mit 1000 Athleten und 100 Helfenden auf engstem Raum durchzuführen, ist unter diesen Umständen undenkbar. Wir könnten nicht garantieren, dass sich niemand anstecken würde und den Schutz von Athleten und Helfern nicht gewährleisten. Das war der Hauptgrund für unseren Entscheid», so Marlen Baumgartner weiter. Finanziell wird der STV Willisau aufgrund der Absage natürlich Einbussen hinnehmen müssen. «Glücklicherweise konnten wir in den vergangenen Jahren erfolgreiche Meetings durchführen. Wir stehen finanziell gut da und dürfen weiterhin auf tolle Sponsoren zählen.» Eine Verschiebung war aufgrund des dichten Leichtathletik-Terminkalenders keine wirkliche Option. «Die Situation ist für die Sportler, die auf eine Rundbahn angewiesen sind sehr schwierig. Ich denke da vor allem an jene Athleten, die nicht das Privileg haben, nach Magglingen gehen zu können. Ob die Mehrheit der Athleten aufgrund der eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten überhaupt bereit sein wird, im Mai in die Saison zu starten, ist ohnehin fraglich.» Stefanie Barmet

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