Das Hochwasser, das zweimal kam

Genau vor zehn Jahren, am Sonntag und Montag, 21. und 22. August 2005, trat die Enziwigger in Willisau gleich zwei Mal als reissender Fluss über die Ufer. Es war eines der grössten Unwetter in der Region.

Monika Wüest

Im Kanton Luzern und in weiten Teilen der Schweiz führten die starken Niederschläge vom 21. und 22. August 2005 zu teils eskalierenden Verhältnissen. Besonders hart setzte der Regen dem Entlebuch zu. Die Talschaft war abgeschnitten und nur über die Luft erreichbar. Zwei Feuerwehrmänner bezahlten ihren Einsatz in der Gemeinde Entlebuch mit ihrem Leben. Sie wurden von einem Erdrutsch verschüttet.

Die Lage in der WB-Region war nicht so dramatisch. Allerdings hatten die gewaltigen Niederschläge auch hier für viele Gemeinden verheerende Folgen. Vielerorts musste die Feuerwehr ausrücken, Keller auspumpen, Gebäude mit Sandsäcken sichern, den Verkehr umleiten oder Reinigungsarbeiten ausführen. Grosse Probleme bereiteten auch Erdrutsche. 60 bis 100 kleinere und grössere Rutsche gingen allein auf dem Gebiet der Gemeinden Hergiswil und Willisau nieder.
Vom Hochwasser wurde auch der WB betroffen. Das Gebäude war lange Zeit nicht zugänglich, das Telefonnetz unterbrochen. Trotzdem erschien der WB wie gewohnt. Ausschnitte aus der Berichterstattung vom 23. August 2005:


Willisau: Evakuationen

Der Amtshauptort erlebte gestern und vorgestern die wahrscheinlich schwerste Unwetterkatastrophe seit 1988. Innert acht Stunden trat die Enziwigger gleich zwei Mal über die Ufer und überschwemmte die Adlermatte, die Ettiswilerstrasse bis zum Jumbomarkt sowie das Städtli und weitere anliegende Strassen. Zirka 40 Keller wurden überflutet. Auch Keller und Erdgeschoss der Heilpädagogischen Schule waren betroffen. An einen Schulbetrieb ist in den nächsten Tagen nicht zu denken.

Das ganze Schadenausmass lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beziffern, dürfte sich aber in Millionenhöhe bewegen. Bei Redaktionsschluss waren keine Verletzten zu beklagen. Allerdings mussten erstmals in der Willisauer Unwettergeschichte Menschen aus ihren Häusern evakuiert werden. Grund: Erdrutschgefahr. Zwei der evakuierten Liegenschaften befinden sich im Gebiet Rohrmatt, je eine in Kleinsottikon und im Ostergau. Insgesamt mussten rund 20 Personen evakuiert werden. Diese fanden vorübergehend bei ihren Nachbarn Unterschlupf.


Menznau: Erdrutschgefahr

Feuerwehrkommandant Bernhard Mahnig stand am Sonntag mit gegen 40, gestern Montag mit rund 20 Mann seiner Wehr praktisch pausenlos im Einsatz. Die grösste Gefahr in Menznau ging gestern von drohenden Erdrutschen im Gebiet Twerenegg, Menzberg aus, wo gewisse Hänge, so Mahnig, bereits stark angerissen waren. Dazu beabsichtigte
man am späten Montagnachmittag, Personen aus dem Gebiet Bergbüel vorsichtshalber zu evakuieren, da die Strasse durch den noch immer unablässig fallenden Regen abzurutschen drohte. Am Sonntag musste die Wehr zudem mehrere Keller auspumpen.


Hergiswil: Erdrutsche und gesperrte Strassen

Seit Sonntagabend stand die Feuerwehr Hergiswil unter dem Kommando von Markus Kunz im Grosseinsatz. «Hergiswil k m im Vergleich zu andern Orten mit zwei blauen Augen davon», hält Feuerwehrkommandant Kunz fest. Vielerorts mussten Keller ausgepumpt werden. Die Schule verzichtete gestern aufgrund der prekären Lage auf den Start ins neue Schuljahr. Im Napfdorf sind insbesondere am frühen Montagmorgen unzählige Erdrutsche niedergangen. So drang beim Schulhaus Hübeli ein Rutsch bis zur Hauswand des Schulgebäudes vor. Auch bei der Liegenschaft von Emil Birrer, Sagenmatt, rutschte ein Hang talwärts. «Seit ich die Liegenschaft vor rund 50 Jahren übernahm,
war hier noch nie ein Erdschlipf niedergangen», berichtet der betroffene Landwirt.

Einen weiteren grossen Rutsch gab es bei der Liegenschaft Vollen. Ausserdem waren in Hergiswil zahlreiche Zuflüsse der Wigger über die Ufer getreten. Die Wiggerbrücke bei der Dorfbäckerei Thalmann musste wegen Einsturzgefahr gesperrt werden. Sie war von den Fluten arg unterspült worden.

Viele kleinere und grössere Verkehrswege im Napfgebiet wurden wegen Erdschlipfen oder aus Sicherheitsgründen gesperrt. Auch die Kantonsstrasse Hergiswil–Willisau und die Strasse Hergiswil–Luthern waren bis am frühen Montagnachmittag gesperrt.

Gestern Nachmittag, um 16 Uhr, standen noch rund 20 Feuerwehrleute im Einsatz. Sie konzentrierten sich vor allem auf die Hangsicherung im Pfarrland. Hier waren drei der sechs neuen Häuser gefährdet.

 

Luthern: Strasse weggeschwemmt

Es sieht dramatisch aus. Wir können nur hoffen, dass der Regen nachlässt, so Lutherns Feuerwehr-Kommandant Franz Peter gestern am Telefon. Die grösste Gefahr gehe derzeit von Hangrutschen aus, erklärte Peter kurz vor 16 Uhr. Im Gebiet Hofstatt, Dorf und Flüelenstrasse sei der Hang bereits stark in Bewegung geraten. Die Pulversackstrasse wurde mitsamt einer Brücke weggeschwemmt und das angrenzende Land von den Wassermassen weggerissen. Gegen 40 Personen der Feuerwehr Luthern standen permanent im Einsatz. In der Sägerei Christen musste zudem ein Keller ausgepumpt werden.


Zell: Gesperrte Brücken

Die Feuerwehr Zell stand laut Gemeindeammann Martin Wermelinger bereits am Freitagabend mit 20 Mann im Einsatz. Der Fröschlochbach war im Hinterdorf über die Ufer getreten. Keller mussten ausgepumpt werden. Es galt die Kantonsstrasse zu reinigen und Kulturland zu säubern. Am Montagmorgen, ab 6 Uhr, ist laut Wermelinger die Luthern sehr stark gestiegen. So mussten die Bachhalde-Brücke und die Fussgängerbrücke zur Schule gesperrt werden. Ebenfalls gesperrt wurde zwischen Zell und Hüswil der Schulweg im Gebiet Lehn. Die Schule Zell hielt nur am Morgen Unterricht. Am Nachmittag war die Luthern im Gebiet Bachhalde noch immer 25 Meter breit, doppelt so mächtig wie normal. Vielerorts frassen sich die Fluten der Luthern ins Bachbord ein.


Grosswangen: 40 Keller mit Wasser

In Grosswangen hatten gemäss Feuerwehrkommandant Josef Waltispühl etwa 40 Häuser Wasser im Keller. Am schlimmsten betroffen waren die Quartiere Ziegelmatte und Innerdorf. Bis zu einem Meter stand das Wasser dort in einigen Kellern. Meist habe die Wasserhöhe jedoch höchstens einen halben Meter betragen. Die meisten Schäden habe man zum Glück durch rechtzeitige Vorsichtsmassnahmen verhindern können, so Waltispühl. Am Sonntagabend um 20.15 Uhr wurde die Feuerwehr zum ersten Mal alarmiert. Von diesem Zeitpunkt standen bis am Montagnachmittag immer zwischen 20 bis 35 Feuerwehrleute im Einsatz.


Ettiswil: Rotbach trat über Ufer

Einigen Schaden hat das Unwetter gemäss Gemeindeammann Bruno Bättig in Ettiswil angerichtet. Am Sonntagabend um Mitternacht trat die Rot über das Ufer und überschwemmte vor allem in den Quartieren Bünten und Rotmätteli zahlreiche Keller und Wohnungen. Ungefähr 25 Häuser seien betroffen, so Bättig. In einigen davon stand der Keller zeitweilig vollständig unter Wasser. Im Einsatz waren gemäss Bättig insgesamt etwa 70 Feuerwehrleute und zahlreiche private Helfer.


Schötz: Keller unter Wasser

Die Feuerwehr stand bereits am Donnerstagabend im Einsatz und musste Keller auspumpen. Gegen 7.30 Uhr am Montagmorgen wurde die Feuerwehr Schötz erneut alarmiert, wie Gemeindeammann Guido Iten auf Anfrage erklärte. Verschiedene Keller standen unter Wasser und mussten ausgepumpt werden. Die Luthern und die Wigger seien an den kritischsten Stellen präventiv mit Sandsäcken gesichert worden, nachdem der Wasserstand beider Bäche im Verlauf des Morgens einen bedrohlich hohen Pegelstand aufgewiesen habe. «Da und dort trat das Wasser bereits über die Ufer. Gegen Mittag senkte sich der Pegelstand wieder leicht», so Guido Iten. Die Gefahr, dass sowohl Wigger als auch Luthern an vereinzelten Stellen erneut über die Ufer treten, sei aber nach wie vor latent vorhanden, sagte Iten gestern gegen 14 Uhr. Im Verlauf vom Montagmorgen wurden aus Sicherheitsgründen einige kleinere Strassenabschnitte entlang der beiden Bäche vorübergehend gesperrt.


Fischbach: Turnhalle unter Wasser

Gestern Montag musste die Feuerwehr Fischbach bis Redaktionsschluss nicht ausrücken. Sie hatte jedoch am Freitagabend mehrere Einsätze zu leisten. Durch sehr starke Niederschläge im Dorf wurden die Mehrzweckhalle und weitere Räume des Schulhauses überschwemmt. Gemäss Gemeindeammann Hans Koller stand das Wasser hier rund fünf Zentimeter hoch. Die Feuerwehr war bis 23.30 Uhr mit 30 Mann im Einsatz, einige Feuerwehrleute halfen zudem am Samstagmorgen bei den Räumungsarbeiten mit. Die Höhe des Schadens kann gemäss Hans Koller noch nicht genau beziffert werden, liege jedoch sicher bei mehreren Zehntausend Franken. Nebst dem Schaden im Schulhaus bekämpfte die Feuerwehr einen Wasserschaden im Schützenhaus und einem Wassereinbruch in einer Geschäftsliegenschaft.

 

Alberswil: Fünf Häuser betroffen

In Alberswil waren fünf Häuser betroffen, drei davon in der Region Burgrain/Kreisel. Gemäss Gemeindeammann Josef Häfliger hatten diese zwischen 30 und 50 Zentimeter Wasser im Keller. Der erste Alarm war bei der Feuerwehr am Sonntagabend um 20.30 Uhr losgegangen. Von da an bis zum späten Montagachmittag seien immer etwa 10 bis 15 Leute der Feuerwehr im Einsatz gewesen, so Häfliger.


Egolzwil: Brücke im Bachbett

In Egolzwil wurden gestern Montagmorgen um 8.15 Uhr sieben Feuerwehrleute aufgeboten, welche mit der Motorspritze ausrückten. «Gegen 9.15 Uhr boten wir dann das ganze Wehr von Egolzwil und Wauwil mit rund 35 Personen auf», so Gemeindeammann Josef Jöri. Bei der «Wigger» im Gebiet vom Feldhof wurde der Bach mit Pfählen gesichert. Auch beim Pumpwerk musste eine Abschrankung gegen die drohenden Wassermassen errichtet werden. Zudem musste das Grundwasser mit der Motorspritze abgepumpt werden. Um 10.30 Uhr wurde die Wiggerbrücke in der Nähe der Ronmühle unterspült und fiel ins Bachbett, wie Josef Jöri mitteilte. Die gesamte Feuerwehr von Egolzwil und Wauwil stand gestern Nachmittag noch immer pausenlos im Einsatz.
 

 

Willisauer Bote vom 23. August 2005

 

Willisauer Bote vom 26. August 2005

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