«Ein Zeichen der Anerkennung»

Die rund 450 Angestellten der Heime in Hergiswil, Willisau und Menznau dürfen sich vielleicht bald über einen finanziellen Zustupf freuen: Die Verantwortlichen des Pastoralraums Region Willisau rufen zu einer Spendenaktion auf. Wieso? Der WB hat bei Andreas Wissmiller, Leiter des Pastoralraums, nachgefragt.

Der Pastoralraum Region Willisau sammelt für das Heimpersonal der Region. Foto zvg
WB Reporter

Andreas Wissmiller, vergangenen Frühling klatschten die Menschen für den Einsatz des Pflegepersonals in Alters- und Pflegeheimen und Spitälern. Was hielten Sie davon?
Das war eine grossartige Geste im Land. Auch hier im ganzen Pastoralraum – in Willisau, Menznau, Hergiswil, auf dem Menz­berg, in Geiss und Gettnau – traten die Leute auf ihre Balkone und spendeten mit einem herzlichen Applaus Anerkennung für die Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger. Welch schönes Zeichen! Und trotzdem dachte ich mir: Wars das jetzt schon?

Wieso reicht Applaus nicht als Zeichen der Wertschätzung?
Das Pflegepersonal leistet einen unermüdlichen Einsatz für unsere betagten oder bedürftigen Menschen. Wir alle sind wohl zu irgendeinem Zeitpunkt unseres Lebens auf sie angewiesen. Ihre Arbeit kann man also gar nicht genug wertschätzen. Insbesondere in der Coronakrise erbrachten Angestellte im Pflegewesen Höchstleistungen. Und dies unter erschwerten Bedingungen – mit weniger Personal wegen krankheitsbedingten Ausfällen, Isolationsmassnahmen, Hygienevorschriften … auch mit persönlichem Risiko. Dazu kommt die enorme emotionale Belastung. Kurz: In der Pflege wurde Ausserordentliches geleistet. Dafür verdient das Personal Anerkennung – und zwar handfeste!

Sprich: Geld.
Genau. Und dafür haben wir – nach Rücksprache mit den Heimleitungen – im Pastoralraum der Region Willisau eine Spendenaktion gestartet. Davon profitieren sollen die rund 450 Angestellten der Heime in Willisau, Hergiswil und Menznau. Und zwar alle davon: vom Reinigungspersonal über die Serviceangestellten bis hin zu den Mitarbeitenden im technischen Dienst – und natürlich die Pflegenden, fast durchwegs Frauen. Schliesslich tragen sie alle zu einem funktionierenden Pflegebetrieb bei – und sind damit systemrelevant.

Das erklärte Sammelziel der Spendenaktion beträgt 45 000 Franken. Ein hoher Betrag.
Das sind circa 100 Franken pro Angestellter und Angestellte. Die Spendenaktion startet an Ostern und dauert knapp einen Monat bis 1. Mai. Ich bin optimistisch, dass der Betrag in dieser Zeitspanne zusammenkommt. Doch wir werden sehen. Klar ist: Die Wertschätzung der Bevölkerung gegenüber dem Pflegepersonal ist gross. Viele sind sich der Relevanz von Heimen und dessen Mitarbeitenden bewusst. Sie können jetzt die Gelegenheit nutzen, ihre Dankbarkeit auszudrücken. Wir bieten sie.

Bei allem Respekt vor der tollen Aktion: Ist es Aufgabe der Kirche, das Heimpersonal zu entlohnen?
Wie gesagt: Es ist kein Lohn, sondern eine Spendenaktion als Zeichen der Anerkennung. Ohne politische Hintergedanken. Doch es schadet sicher nicht, wenn die Gesellschaft allfällige Probleme der Branche aufmerksam verfolgt. Ich denke an die Ausstiegsquote, die Arbeitsbelastung, auch den Spielraum in der Arbeit, Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner zu haben. Mit dieser einmaligen Spendenaktion wollen wir den Angestellten «Danke» sagen und zugleich auch ihren beruflichen Rahmenbedingungen unsere gesellschaftliche Aufmerksamkeit schenken. Das war auch der Grund, weshalb wir die Aktion medienwirksam über den ganzen Pastoralraum der Region propagieren und nicht still und leise in jeder Pfarrei einzeln.

Und es rückt auch die Kirche in ein gutes Licht.
Das werden wir sehen, vielleicht gibt es auch von irgendwo her Kritik. Jedenfalls hatte ich schon früh das Gefühl, es müsste noch ein stärkeres Zeichen als Applaus geben. Und jemand müsste es anpacken. Warum also nicht von der Kirche initiiert? Die Kirche hat sich schon seit jeher im sozialen Feld engagiert. Das ist in Krisenzeiten relevanter denn je. 

Chantal Bossard

"Wir haben den Humor nicht verloren."

Tiefer Lohn, intensive Schichten

Der Pastoralraum  Region Willisau sammelt also Spenden für das Personal in Altersheimen. Doch was halten Betroffene davon? Der WB hat nachgefragt.

«Stress gehört zu unserem Alltag», sagt Luzia Bieri. Die 26-Jährige ist Pflegefachfrau HF und Teamleiterin im Alterszentrum Zopfmatt und Breiten in Willisau. Bewohner isolieren, Eins-zu-eins-Betreuung bei Infizierten, Schutzanzug an- und ausziehen, grössere Angehörigenarbeit und so weiter: «Durch Covid-19 sind etliche Tätigkeiten zu unseren Aufgaben dazugekommen», hält sie fest. Das bleibt nicht unbemerkt, wie die Spendenaktion des Pastoralraums Region Hinterland (siehe Haupttext «Ein Zeichen der Anerkennung») zeigt. «Wir werden gesehen und unsere Arbeit wird geschätzt – das freut mich», sagt Luzia Bieri. Auch die Geschäftsleitung des Alterszentrums lasse die Angestellten ihre Dank­barkeit spüren – etwa mit einem Vitamin­korb. «Oder auch einfach durch die Tatsache, dass sie immer präsent sind.» Für Fragen und Anliegen hätten sie stets ein offenes Ohr. «Wir haben die volle Unterstützung.» Das sei wichtig. Denn: «Der Lohn in der Pflegebranche ist nicht hoch.» Vor allem nicht in Anbetracht der intensiven Schichten. «Ich würde es begrüssen, würde man die Tagesteams vergrössern», so Bieri. Damit würde sich die gleiche Arbeit auf mehr Köpfe verteilen. Diese Probleme in der Pflegebranche sind nicht neu. Bereits in der Vergangenheit wurde etwa mit der Pflegeinitiative darauf aufmerksam gemacht. «Die Coronakrise hat den Anliegen von Pflegepersonal wieder mehr Gehör verschafft. Das motiviert.» Motivation: Solche versucht die Teamleiterin auch bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu stärken. Mit Erfolg: «Wir haben einen tollen Zusammenhalt in unserem Team.» Jedes Mitglied werde ernst genommen, alle halten einander den Rücken frei. «Fällt jemand krankheitsbedingt aus, ist schnell eine Person gefunden, die einspringt.» Das grosse Engagement des Teams würde auch den Bewohnerinnen und Bewohnern auffallen. «Von ihrer Seite bekommen wir oft herzliche Komplimente.» Und wie motiviert das Pflegeteam die Heimbewohner in der Zeit ohne Besucher und Unterhaltungsdarbietungen? «Spaziergänge, Spiele oder Gespräche helfen ihnen in der Krisenzeit», antwortet Luzia Bieri. «Mehrmals in der Woche können sie auch Aktivierungsangebote besuchen.» Dort verrichten sie tägliche Arbeiten wie Wäsche falten, Kärtchen basteln oder kochen. «Das klappt gut.» Trotzdem hofft Luzia Bieri, dass der Alltag wieder einkehrt: «Zeigt die Impfung Wirkung, so herrscht hoffentlich bald wieder Normalität.»

Pandemie sorgt für Mehraufwand
«Die Spendenaktion ist ein wertvolles Dankeschön an das Pflegepersonal», sagt Helen Schurtenberger-Häfliger. Sie ist Kantonsrätin (FDP) und Sozialvorsteherin der Gemeinde Menznau – und somit auch in der Kommission des Heims Weiermatte in Menznau. «Die Belastung des Personals ist aufgrund der Pandemie enorm hoch.» Viele Arbeiten würden wegen den Covid-19-Massnahmen neu dazukommen: vom Desinfizieren bis zur Kontrolle der Besucher und Besucherinnen. Alles wird im Tagesplan des Personals zusätzlich ergänzt. «Darüber hinaus ist das Personal wegen den fehlenden Besuchen und war während den Quarantäne- und Isolationszeiten bei der Betreuung mehr denn je gefragt. Sie sind verantwortlich für das Wohlbefinden der Bewohner.» Immerhin habe es momentan keine Krankheitsfälle in der «Weiermatte». Doch ein weiteres Problem sorgt für lange Arbeitstage: der Fachkräftemangel. Aufgrund niedriger Löhne? Helen Schurtenberger: «Das hört man oft. Doch ich glaube, der Mangel ist hauptsächlich eine Folge der unregelmässigen Arbeitszeiten.» Trotzdem: Die besagten Löhne werden immer wieder in den Medien thematisiert. Besteht Handlungsbedarf? «Das Heim Weiermatte zahlt im kantonalen Vergleich gute Löhne an das Personal», sagt Schurtenberger. Sie betont: «Der Lohn ist Sache der Heime, nicht der Gemeinden.» Dass viele Heime den Lohn in diesen Krisenzeiten nicht erhöhen, könne sie nachvollziehen: «Die Institutionen dürfen trotz der speziellen Lage den wirtschaftlichen Aspekt nicht vernachlässigen», sagt die Kantonsrätin. «Selbstverständlich wird jedoch jede Überstunde rechtmässig vergütet.» Und wie sieht die nähere Zukunft des Heims aus? Helen Schurtenberger hofft, dass es mit dem Impfen gegen Covid-19 in der breiten Gesellschaft vorangeht. «Damit wieder eine gewisse Normalität einkehrt», sagt sie. Denn: «Erst wenn genügend Leute geimpft sind, können wir weitere Lockerungen für die Bewohnerinnen und Bewohner des Heims in Betracht ziehen.»

Impfung und Frühling sorgen für Beruhigung
«Der Pastoralraum sorgt mit der Spendensammlung für eine schöne Geste», sagt Guido Hüsler (55), Geschäftsführer der Heime Zopfmatt und Breiten in Willisau. «Das Pflegepersonal ist unter ständigem Druck.» Hohe Erwartungen würden das Team psychisch und physisch fordern. Doch: «Diese Spendenaktion zeigt deutlich: Die Arbeit wird geschätzt.» Zu Recht, wie er betont. Denn die Pandemie sorge für massiven Mehraufwand. Nicht nur aufgrund der strikten Massnahmen: «Die Coronakrise lässt viele Unterhaltungsmöglichkeiten wegfallen.» Besuche von Bekannten, Konzerte von lokalen Musikgruppen, Lotto-Anlässe mit dem ganzen Heim: «All das fehlt.» So hätten die Pflegerinnen und Pfleger automatisch eine neue, übergeordnete Aufgabe erhalten: «die Bewohner bei Laune halten.» Und dies, obwohl die To-do-Liste zu Krisenzeiten sonst schon lang ist. Hüsler betont jedoch: «Die langen Arbeitstage und strengen Tätigkeiten waren schon vor Corona Alltag.» Sein Fazit: «Wenn man die Arbeitszeiten betrachtet, ist der Lohn nicht verhältnismässig. Der Beruf sollte mehr handfeste, materielle Akzeptanz erhalten.» Die Löhne sind also zu tief. Wäre das Problem nicht gelöst, wenn die Heime die Löhne erhöhen? «So einfach ist das nicht», antwortet der Geschäftsleiter. «Wir müssen uns an die Vorgaben des Kantons halten. Schlussendlich zahlt der Steuerzahler die Löhne.» Das Heim versuche mit kleinen Geschenken dem Personal ihren Dank auszusprechen. Gegenseitig: «Meine Mitarbeiter haben gar mich mit einem Dankeschön  überrascht.» Und wie geht es weiter? Guido Hüsler bleibt zuversichtlich. Seit Januar impft das Heim Zopfmatt und Breiten. Besucher sind unter strikten Hygienemassnahmen zugelassen – mit dem warmen Wetter können gar mehr Angehörige zu Besuch kommen. «Die Impfung und der Frühling sorgen für ruhige Gemüter.»

«Ein besserer Platz könnte ich mir nicht wünschen.»
«Früher sagte ich immer: Keine 100 Pferde bringen mich ins Altersheim», sagt Engelbert Luginbühl (88), Gärtner und Florist im Ruhestand. «Doch jetzt bin ich im Heim Weiermatte in Menznau und ein besserer Platz könnte ich mir nicht wünschen.» Die Spendenaktion des Pastoralraums Region Willisau sieht der 88-Jährige als wichtiges Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Angestellten. Doch ist denn das Personal unterbezahlt? «Das kann ich nicht beurteilen», antwortet Luginbühl. «Ich weiss nur, dass das Pflegepersonal von morgens früh bis am abends spät immer für uns da ist. Es leistet einen bemerkens­werten Job. An dieser Stelle möchte ich mich beim gesamten Heimpersonal für den enormen Einsatz herzlich bedanken.» In der Krisenzeit umso mehr. Denn die vielen Massnahmen machen die Tätigkeiten nicht leichter. Auch nicht für die Bewohnerinnen und Bewohner: «Vor allem während der ersten Welle war es hart, die Kontakte nur über das Telefon pflegen zu können.» Doch man müsse sich mit den Vorgaben abfinden. Die Massnahmen seien nötig, um andere nicht anzustecken. «Ich selbst musste zehn Tage in Isolation, da ich mit dem Virus infiziert war», berichtet Engelbert Luginbühl. «Zum Glück verlief alles ohne Symptome. Nicht einmal mein Blutdruck hat sich geändert.» Die isolierten Tage verbrachte der 88-Jährige mit Kreuzworträtsel, lesen oder Fernsehsendungen, in denen über Politik debattiert wird. Debattieren, diskutieren: Das tut der Senior gerne. Und das fehlt ihm in Krisenzeiten ganz besonders. «Die drei Stockwerke des Heims dürfen sich nicht vermischen. Deshalb kommen die Gespräche mit den Bewohnern der anderen beiden Etagen zu kurz. Ich hoffe, das ändert sich bald.» Besserung ist tatsächlich in Sicht: Da viele Bewohnerinnen und Bewohner schon geimpft sind, könnten intern die Massnahmen bald gelockert werden. Auch Engelbert Luginbühl ist geimpft. «Den Pieks konnte ich gut wegstecken», berichtet er. «Mein Arm fühlte sich zwar zuerst wie ein ausgedrückter nasser Waschlappen an. Doch nach einem Tag war das unangenehme Gefühl wieder weg.» 

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Anonimous

Mo 12.04.2021 - 13:16

... da sollte auch mal erwähnt werden, dass die Gemeinde Willisau Parkautomaten vor das Heim Breiten und Zopfmatt gestellt hat und jeder Mitarbeiter nun monatliche Parkgebühren zahlen muss, wobei die meisten Parkplätze beim Heim Breiten sowieso leer stehen... eine Frechheit

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