Nachruf

20. Oktober 2022

Sophie Meier-Stöckli

Sophie Meier-Stöckli
Willisau

Erinnerungen an dich, Grossi

Die ersten farbigen Blätter fallen von den Bäumen, es ist am Morgen neblig und die Vögel machen sich langsam auf in den wärmeren Süden. Der Herbst kommt in grossen Schritten näher. Im Garten steht die grosse Ernte an und es gibt viel Arbeit, alle Vorräte für den Winter wieder aufzufüllen. Blumen schneiden, Beeren sammeln, Früchte einfrieren, Apfelmus kochen und Gemüse einlagern – auch du, Grossi, hattest immer viel zu tun in deinem Garten, wenn der Sommer langsam zu Ende ging.

Du hast unzählige Stunden in deinem Garten verbracht, du hast gejätet, getränkt, gepflegt und natürlich auch sehr gerne geerntet. Voller Stolz hast du uns jeweils mit in den Garten genommen und uns gezeigt, was gerade alles wächst und gedeiht. Ich habe immer deine grossen, langen Bohnen bestaunt, die bei dir wuchsen und die vielen schönen, grossen Sonnenblumen, die bei dir blühten.

Aber du hast nicht nur an deine eigenen Vorräte für den Winter gedacht, sondern hast deine Kinder und Enkelkinder mit vielen leckeren Sachen versorgt. Seien das Bohnen, Kartoffeln, Beeren oder Konfitüre gewesen – du hast immer etwas aus deinem Vorratskeller gezaubert, das wir dann zu Hause geniessen konnten.

Du hast dein Wissen auch immer sehr gerne geteilt. Sei es das Schneiden der Himbeerenstauden, die besten Kartoffelsorten oder die richtige Pflege der Blumen – ganz besonders von deinen Geranien – du hast immer einen Trick gewusst, wie man im Garten noch mehr ernten konnte. Auch leckere Rezepte oder Tipps beim Haltbarmachen von den vielen schmackhaften Sachen hast du gerne weitergegeben.

Leider ist es immer schwieriger geworden, diesen grossen Garten zu bewirtschaften und du hast gemerkt, dass die geliebte Gartenarbeit für dich zu streng geworden ist. Mit schwerem Herzen musstest du deinen Garten aufgeben. Viele Jahre hast du den Herbst erlebt, durftest viel ernten und den Garten für den Winterschlaf vorbereiten.

Nach so vielen strengen Tagen musstest du auch wieder Kraft tanken. Das hast du am liebsten in Luthern Bad gemacht, wo du mit Grossvater geheiratet hast. Dort hast du oft eine Kerze angezündet, gebetet und du hast Wasser von der Kraftquelle getrunken. Wenn du einmal eine längere Reise unternommen hast, bist du sehr gerne nach Lourdes gepilgert und hast allen ein gesegnetes Andenken mit nach Hause gebracht. Im Glauben hast du Kraft geschöpft.

Während dem Winter hast du dich dann in dein warmes Wohnzimmer zurückgezogen und konntest deinen anderen Leidenschaften nachgehen. Stundenweise hast du gestrickt, gehäkelt, genäht, für uns Kleider geflickt, gebacken und neue Rezepte ausprobiert. Sehr gerne hast du dann auch Besuch gehabt von deinen Kindern, Grosskindern und Urgrosskindern. Du hast uns mit leckeren, selbst gemachten Sachen verwöhnt, wie zum Beispiel Schänkeli, Fasnachts-Chüechli, Kekse, Kuchen oder Creme und auch ein feiner Kaffee aus deiner geblümten Kaffeekanne durfte nie fehlen.

Neben deiner Familie hast du auch andere Gäste bewirtet: die vielen Katzen. Es waren nicht deine eigenen Katzen, aber du hast dich um sie gesorgt, als wären es deine eigenen. Auch die Katzen wurden mit leckerem Futter und frischem Wasser versorgt.

Als es langsam Weihnachten wurde, hattest du immer viel zu tun mit deinen gestrickten Engeln. Hunderte von Engeln hast du in sorgfältiger Handarbeit erstellt, die auch heute noch in vielen Wohnzimmern am Christbaum hängen. Du hast die Engel aber auch gerne als Schutzengel an deine Liebsten verschenkt.

Liebes Grossi, auch du bist jetzt in den Winterschlaf gegangen. Es war streng und du hast bis am Schluss hart gearbeitet – so wie das auch im Garten ist, wenn der Winter naht. Ich hoffe fest, dass du jetzt deinen wohlverdienten Winterschlaf in vollen Zügen genies­sen kannst.

Wir wissen nicht genau, wie es bei dir jetzt aussieht oder wo du jetzt gerade bist, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du in einem grossen Blumen-, Gemüse- und Obstgarten bist, die Sonnenstrahlen geniesst und dich endlich wieder in einem wunderbaren Garten verwirklichen kannst. Neben der harten Arbeit bleibt dann hoffentlich auch die Zeit, dein Werk zu bestaunen und in einem bequemen Gartenstuhl voller Stolz den schönen Anblick zu geniessen.

Liebes Grossi, du hast uns viele wertvolle Tipps mit auf den Weg gegeben und hast immer eine Kerze für uns angezündet, wenn wieder eine schwierige Zeit, eine Prüfung oder eine wichtige Entscheidung bevorstand. Auch wir zünden jetzt für dich eine Kerze an, um dich auf deinem letzten Weg auf Erden zu begleiten. Wir haben so viele schöne Jahre mit dir verbracht und du wirst immer einen Platz in unseren Herzen haben.

Dein Grosskind Jessica