Nachruf

13. Oktober 2022

Sophie Gruber-Lustenberger

Sophie Gruber-Lustenberger
Willisau

Sophie Lustenberger wurde am
31. Dezember 1926 geboren. Sie wuchs in Hergiswil b. W. auf, gemeinsam mit den Eltern und ihren drei Schwestern. Wie sie selber in ihrem Lebenslauf schreibt «in einer einfachen, aber tief religiösen Familie». Trotz der Krisenjahre erlebte sie eine schöne Kindheit. Nach der Schulzeit ging Sophie im Alter von 17 Jahren ins Welschland, nach La Magne in der Nähe von Romont, was damals eine halbe Weltreise bedeutete. Es gab kein Telefon, Besuche zu Hause konnte sie sich nicht leisten, und so hielt sie über Briefe Kontakt zur Familie. Nach diesem Welschland-Jahr absolvierte sie im Josephsheim in Zürich ein Haushaltslehrjahr, und später arbeitete sie als Haushaltshilfe bei einer Arztfamilie in Luzern. Sie hätte gerne eine Ausbildung als Krankenschwester begonnen. Aber nachdem sie Karl Gruber kennengelernt hatte, verzichtete sie auf die Ausbildung; sie sparte für ihre zukünftige Familie.

Im Januar 1951 heirateten Sophie und Karl. Sie zogen nach Willisau. Vier Kinder wurden ihnen geschenkt, Erika, René, Herbert und André als Nachzügler. Zuerst an der Bahnhofstrasse, dann in der Chirbelmatte in Willisau verbrachten wir die Kinderzeit. Karl war häufig beruflich als Carchauffeur abwesend, so war Mutter mit uns oft alleine und stark gefordert im Familienalltag.

Im Januar 1974 zog die Familie ins Stadtschulhaus in Willisau. Als Schulhausabwart fanden die Eltern eine neue Aufgabe – und Sophie eine neue Rolle, in der sie aufging und die sie erfüllte. Durch ihre offene und spontane Art prägte sie den Alltag im Schulhaus stark mit. Mit der Pensionierung elf Jahre später kehrten Karl und Sophie Gruber Ende 1984 zurück in die Chirbelmatte, wo sie die gleichen Nachbarn vorfanden wie vor ihrem Wegzug. In diesem Block fühlten sie sich wohl. Legendär geblieben sind die Jass-Nachmittage im Garten. Sophie engagierte sich aktiv und mit Herzblut in der Brocki in Willisau. Im Brocki-Team fühlte sie sich getragen. Jahrelang war sie auch aktiv im Samariterverein Willis­au, half mit bei den Blutspende-Aktionen und strich Butterbrote. Sie erlebte eine schöne Pensionierung – zusammen mit Karl unternahm sie zahlreiche Reisen und Wanderungen. Sie schätzte das gemeinsame Erleben.

Ein neuer Lebensabschnitt trat für Sophie mit dem Tod ihres geliebten Gatten Karl ein. Sie pflegte ihn bis zu seinem Tod im Mai 2004. Nach über 50 Ehejahren war diese Trennung für sie schmerzhaft. Aber es eröffneten sich auch neue Perspektiven, die Sophie annahm und ausnützte. Fortan bewältigte sie ihr Leben autonom und gewann so ganz neue Freiheiten. Die Wohnung in der Chirbelmatte blieb das Zentrum für unsere Familie, und die «alten» Nachbarn ein wichtiger Bestandteil in Sophies Leben.

Im Verlauf der Jahre schwanden Mutters Kräfte nach und nach und im November 2018 zog sie in eine Alterswohnung in die Zopfmatt in Willisau. Dieser Schritt fiel ihr anfänglich nicht leicht, mit der Zeit erkannte sie aber den Wert der neuen Umgebung. Die Unterstützung durch das Personal der Zopfmatt und der Spitex erlaubten es ihr in dieser Umgebung bis zu ihrem Tod Ende August 2022 zu verbleiben.

In ihrem Leben war unsere Mutter für uns in vielem ein Vorbild. Und was bleibt nun als Erinnerung? Die Krisenjahre und das sehr religiöse Umfeld in ihrer frühen Kindheit haben Sophie stark geprägt. Sie hat grosse Armut erlebt (wie so viele Menschen damals). Und dadurch gelernt sparsam und einfach zu leben, achtsam umzugehen mit Dingen. Weggeworfen hat sie selten etwas, alles konnte vielleicht irgendwann noch gebraucht werden. Sie war aber nie knausrig, sie konnte auch grosszügig sein.

Wichtig für Sophie war ihr tiefer Glaube an Gott. Sie hatte ein Gottvertrauen, das ihr über alle Unwegsamkeiten des Lebens hinweghalf. Sie war überzeugt, dass da noch einer war, der sie begleitete und unterstützte. Dieses Gottvertrauen behielt sie bis zu ihrem Tod.

Rückblickend wird ersichtlich, wie tiefgreifend die gesellschaftlichen Veränderungen und die persönliche Entwicklung waren, die Sophie über all die Jahrzehnte erlebt hat. In jungen Jahren war sie eingespannt in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter, was damals den Erwartungen an Frauen entsprach. Mit dem Wechsel ins Stadt-Schulhaus fand sie eine gleichberechtigte Aufgabe, auch wenn sie «nur» die Frau des Abwarts war. Neben dem strengen Blick von Karl fand sie ihre Rolle als fürsorgliche und hilfsbereite Frau, sie tröstete viele Kinder und pflegte viele Blessuren. Der Kontakt zu den Lehrpersonen war ihr wichtig. Sie war eine gesellige Frau, die gut erzählen, aber vielleicht etwas weniger gut zuhören konnte.

Sophie war aber auch eine selbständige Frau. Gerade nach Karls Tod entwickelte sie eine Eigenständigkeit, die eindrücklich war. Sie meisterte ihr Leben gut, blieb aktiv, unternahm selbständig Reisen, sei es nach Paris auf den Eiffelturm oder zu Besuchen ihrer Kinder, Gross- oder Urgrosskinder. Auch wenn das Gehen mit der Zeit beschwerlicher wurde, mit ihrem Rollator den Gang ins Städtchen zum Einkaufen liess sie sich nicht nehmen. Sie blieb interessiert an ihrem Umfeld, freute sich an den Kontakten und den kurzen Gesprächen mit Bekannten im Städtli.

Sophie spielte gerne, sie war eine gute Jasserin bis zu ihrem Lebensende. Sie gewann gerne, sie konnte aber auch gut verlieren. Wichtig waren ihr die gemeinsamen Stunden in gemütlicher Runde.

Mutter war ein Familienmensch. Die vier Schwestern Lustenberger pflegten ihr Leben lang gute Kontakte, und wenn Hilfe nötig war, leistete sie diese. Sophie hatte immer ein offenes Haus. Sie schätzte die Kinder, und später die Grosskinder und noch später die Urgrosskinder. Bei Familienfesten war sie immer gern dabei. Ihre Wohnung blieb für uns das Zentrum, in dem die Familien-Informationen zusammenliefen.

In wacher Erinnerung bleiben werden auch ihre Dankbarkeit und ihre Zufriedenheit, die sie uns vorgelebt hat. Sie schätzte die Besuche, gerade in der letzten Lebensphase. Sie war dankbar für die Unterstützungen, auch wenn es ihr manchmal schwer fiel, ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Sie war dankbar für gemeinsame Aktivitäten, sei es das Picknick beim Wasserfall am Muttertag oder der Theaterbesuch im Willisauer Rathaus oder im KKL in Luzern. Sie war dankbar für das, was sie bekam, es war immer gut und nie zu wenig.

Manchmal hat Sophie gesagt: «Ich danke dem Herrgott, es musste so kommen wie alles gekommen ist, und das ist gut so.» Und so sind wir wieder bei ihrem unerschütterlichen Gottvertrauen, das sie Zeit ihres Lebens begleitet hat.