Nachruf

03. November 2022

Rosa Blum

Rosa Blum
Schötz

Rosa Blum wurde am 16. August 1927 auf dem Landwirtschaftsbetrieb «Fadenhof» in Ohmstal geboren und wuchs gemeinsam mit 13 Geschwistern auf diesem grossen Bauernhof auf. Einfache, friedliche, liebevolle, sorgenfreie Jahre zwischen den beiden Weltkriegen prägten die Kindheit. Das Zusammensein wurde bestimmt vom bäuerlichen Alltag. Die Verbundenheit zur Natur, gelebte Traditionen, das Feiern kirchlicher Feste, die vielen Besuche aus der Verwandtschaft als Ausdruck einer Gemeinschaft, die Familie als Kern gegenseitiger Unterstützung sind sinnbildlich für die Werte auf dem Bauernhof. Diese Grundwerte stärkten das Fundament einer konsequent auf Bescheidenheit ausgerichteten Erziehung von Rosa.

Die Idylle wurde im Jahre 1939 sehr einschneidend verändert, als Rosas Mutter 44-jährig infolge einer Hirnblutung mehrere Wochen im Spital war. Im gleichen Jahr erhielt der Vater die Diagnose Leukämie und starb zwei Wochen später. Die Familie stand vor einer schier unlösbaren Situation.

Zu dieser Zeit war Rosa 12 Jahre alt und besuchte die Primarschule in Ohmstal. Die verwitwete Mutter war nun auf die Mithilfe der älteren Geschwister angewiesen, war doch das jüngste Kind noch nicht ein Jahr alt. Auch für Rosa bedeutete diese Situation, nach ihren Kräften in Haus und Hof mitzuhelfen.

5 Jahre nach dem Tod des Vaters starb die Mutter, Rosa war 17 Jahre alt. Die lange Krankheit und der frühe Tod der Mutter forderte die ganze Kinderschar erneut zutiefst heraus … die 14 Kinder waren nun ohne Eltern, das älteste Kind erst 23 Jahre. Nebst bäuerlicher Arbeit wurden die notwendigen Erziehungsaufgaben auf die älteren Geschwister übertragen. Rosa lernte in jungen Jahren in der eigenen Familie Verantwortung zu übernehmen und die Hilfsbereitschaft wurde als Tugend geformt. Diese Hilfsbereitschaft hat Rosa immer ausgezeichnet und zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben.

Rosa besuchte nach der Primarschule die Sekundarschule in Schötz. Nach der Schule arbeitete sie einige Zeit auf dem Bauernhof. Immer wieder half Rosa auch der Tante Marie im Pfarrhof Beromünster. In diese Lebensphase drängte sich die Frage der Berufswahl, und das war doch bereits ein Privileg, denn nicht alle ihre Schwestern konnten sich einen Lehrberuf wünschen. Rosa wollte Bäuerin werden und die Familie, mit Unterstützung von Domherr Alois Blum, Beromünster, entschied für einen Eintritt ins Frauenkloster Fahr.

Dort absolvierte Rosa mit 20 Jahren die Bäuerinnenschule. Sie wagte auch den kühnen Schritt, sich als Kandidatin für die Aufnahme ins Kloster zu melden. Das viele Beten, Betrachten und Fasten behagte Rosa dann aber nicht und sie trat aus dem Kloster aus. Später hatte sie diese Phase in ihrem Leben mit folgenden Worten erklärt: Es sei Langeweile in ihr Herz eingetreten …

Rosa kehrte auf den Fadenhof zurück und half als Bäuerin auf dem Hof. Anschliessend arbeitete sie einige Monate als Pfarrköchin bei Pfarrer Alfred Tschopp in Schötz. Während dieser Zeit reifte der Wunsch etwas Soziales zu arbeiten. Rosa entschied Kinderkrankenschwester zu lernen. Das Diplom als Säuglings-, Wöchnerinnen- und Kinderpflegerin verdiente sie sich am Kinderspital in St. Gallen mit Praktikum in Basel, Zürich und Zug. Nach dieser Ausbildung ging Rosa nun definitiv ihren eigenen Weg und gestaltete ihre Berufswelt eigenständig als Fachfrau im Spital.

Familiäre Versuche, ihr zu einem Mann fürs Leben zu verhelfen, wehrte Rosa erfolgreich ab. Sie sagte einmal: Männer nehmen mir nur die Freiheit. Rosa blieb aus Überzeugung ledig und war eine ausgezeichnete Selfmanagerin.

Nach einigen Berufsjahren liess sich Rosa im Jahre 1962 in Zürich zur Hebamme ausbilden und schloss diesen Lehrgang erfolgreich ab.

Rosa war in der Zwischenzeit 36 Jahre alt. Ihre Wünsche und Pläne weiteten sich aus. Es entwickelte sich der Wunsch, eine Aufgabe in der Entwicklungshilfe zu übernehmen. Als erste Vorbereitung flog Rosa nach London und erlernte in einer Kurzphase die Weltsprache Englisch. Niemand konnte Rosa in ihren Plänen stoppen. Mit 37 Jahren in den Jahren 1964 – 1967 (3 volle Jahre) arbeitete Rosa als Hebamme in Afrika (Sambia). Sie lernte Armut und Bescheidenheit und insbesondere das Improvisieren kennen. Nach diesen 3 Jahren kehrte Rosa beglückt von den gemachten Erfahrungen in die Schweiz zurück. Rosa war beseelt von all diesen Erlebnissen, erzählte gerne von eindrücklichen Begegnungen und tragischen Ereignissen. Nach diesem Aufenthalt engagierte sie sich weiter für die Entwicklungshilfe und organisierte Spendenaktionen zugunsten Spitäler für Kinder.

Nach der Rückkehr in die Schweiz arbeitete Rosa bis zur Pensionierung in verschiedenen Spitälern als Hebamme und Operationsassistentin (Bern, Dübingen, Wolhusen, Schaffhausen, St. Anna Luzern). Rosa setzte sich für die Weiterentwicklung der Hebammenausbildung in der Schweiz ein und war einige Jahre Prüfungsexpertin. Rosa war bei ihren Aufgaben oft eine Vordenkerin, nicht selten auch eine Querdenkerin! Rosa Blum blieb auch privat immer authentisch und war direkt in ihren Meinungen. Eine Frau, deren bleibende Leistung es war, für andere da zu sein und das Optimum zu tun.

Rosa fand immer auch Zeit für ausgedehnte Reisen. Sie bereiste alleine oder mit Kolleginnen mehrere Länder auf allen Kontinenten. Mit ihren Ferienberichten trug sie die weite Welt in unsere Stuben.

Rosa war immer zur Stelle, wenn «Not» vorhanden war. Sie entlastete über Jahre ihre verheirateten Schwestern und Schwägerinnen in Haushalt, Hof und Kinderbetreuung. Rosa hatte ein breites Wissen über Naturkräuter. Auf Spaziergängen – auch mit uns Kindern – sammelte sie leidenschaftlich und die Kräuter verarbeitete sie in ihrer einfachen und gesunden Küche.

Legendär und in bester Erinnerung bleibt die sehr grosszügige Einladung zu ihrem 50. Geburtstag, als Rosa die gesamte Verwandtschaft in die Waldhütte auf den Bodenberg einlud. Ihr war der Zusammenhalt innerhalb der Verwandtschaft ein grosses Anliegen.

Rosa hatte ihre eigene Meinung und einen tief im Herzen verwurzelten Gerechtigkeitssinn. Ihre Erfahrungen in Afrika hatten ihr Herz zusätzlich geschärft und sensibilisiert. Es war spannend sich in Diskussionen einzulassen, sie war vielfältig interessiert, lebte und vertrat ihre Überzeugungen konsequent − ihre Meinung galt! Das machte Rosa jederzeit zu einer spannenden und liebenswürdigen Tante und ihr Naturell versprühte Heiterkeit.

Nach der Pensionierung lebte Rosa ihren enormen Unternehmungsgeist und ihre Hilfsbereitschaft ungebremst weiter. Rosa hatte über Jahre ein Generalabonnement der SBB – das mache sie frei – sagte sie. Mehrheitlich war Rosa alleine unterwegs, doch später gesellten sich auch Schwestern und Freundinnen zu ihren Unternehmungen (Wandern, Badeferien, Städte­reisen, Wallfahrten, Opernbesuchen, Kunstausstellungen, Zugsfahrten). Wall­fahrtsorte wie Sachseln und Einsiedeln besuchte sie mehrmals jährlich, als Ausdruck ihrer persönlichen Religiösität oder Spiritualität.

In den Jahren ab 2018 wurde das Leben von Rosa unruhiger. Das alleine Wohnen in der Sonnrüti in Willisau wurde altersbedingt schwieriger. In dieser Phase benötigte Rosa viel Unterstützung von Bekannten und Verwandten. Es war zu Beginn nicht einfach für Rosa in der umgekehrten Rolle selbst Hilfe anzunehmen, doch sie nahm die Begleitung dann dankbar an. Es mussten ihr auch Entscheide abgenommen werden bis ein selbständiges Wohnen nicht mehr möglich war. Im Juni 2020 erfolgte der Umzug in das Mauritiusheim in Schötz.

Rosa bekam im Heim die notwendige und liebevolle Betreuung. Mit den täglichen Spaziergängen und mit kleinen Arbeiten im Rahmen der Aktivierung fühlte sich Rosa schnell wohl. Sie wurde im Heim geschätzt. Rosa wurde von Verwandten und Bekannten weiterhin fürsorglich mit Besuchen begleitet. Rosa konnte in den letzten Monaten die unmittelbaren Interaktionen nicht mehr vollständig einordnen, doch es war deutlich spürbar, dass sie sich über jeden Besuch freute. Rosa war bis zum letzten Tag mit Spaziergängen im und um das Heim unterwegs.

Ein Sturz im Treppenhaus am Bettags-Sonntag vom 18. September 2022 beendete ein langes, selbstbestimmtes und eindrückliches Leben von 95 Jahren auf eindrückliche Weise.

Rosa wir danken dir.