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Carte Blanche

Mein Traumberuf

Norbert Bossart

Eine Kiste Kartoffeln samt würzigem Emmentaler vom emsigen Bauern, ein Gedicht von der weltoffenen Rentnerin, ein kühles Bier vom treuen Stammtisch-Kollegen und und und: Herzenslieb und wertschätzend waren die Geschenke, Getränke und Gratulationsworte, die ich zu meinem 35-Jahr-Arbeitsjubiläum beim Böttu erhielt. Artig dankt -art. allen Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern für die grossartigen Begegnungen. Ihr habt meine Geschichten und letztlich meine Lebensgeschichte mitgeschrieben.

Nie und nimmer hätte ich mir als Kind vorstellen können, einst 35 Jahre lang bei ein und demselben Arbeitgeber mein Tagwerk zu verrichten. Erst recht nicht als Journalist. Denn mein Traumberuf war nicht das Geschichtenschreiben, sondern die Geschichtsschreibung. In Kindsjahren wollte ich Archäologe werden – geweckt haben diesen Herzenswunsch Besuche auf Ausgrabungsstätten im Wauwilermoos sowie Pfeilspitzen, Äxte und Tonscherben, die im Heimatmuseum ausgestellt waren.

Ein prägendes Geschichtchen ist der Grund, weshalb ich kein Geschichtsstudium in Angriff nahm. Als ich die Primarschule besuchte, wurde unweit der St.-Mauritius-Kapelle der alte Pfarrhof von Schötz abgerissen. Dabei stiessen die Bauarbeiter auf Gräber. Menschliche Skelette und gar Reste von Pferden wurden freigelegt. Der Zahn der Zeit hat an deren Zähnen kaum genagt – und solche wollte sich Jungarchäologe Bossart sichern. Während die Eltern an der Kirchenchorprobe weilten, stieg ich mutterseelenallein mit einer Taschenlampe in die Grube, brach hier und dort den einen oder andern Beisser mit Vaters Stechbeutel heraus und versteckte meinen Schatz in eine Schachtel. Ein grober Frevel in kindlicher Naivität.

Tags darauf liess uns der Lehrer wissen, es handle sich bei der Fundstelle um einen Friedhof – Menschen und Tiere seien wohl elendig an der Pest verendet. Auf einen Schlag wurde mir weh und übel, hatte ich panische Angst. Gross war meine Befürchtung, beim nächtlichen Besuch auf der Grabungsstätte mein eigenes Grab geschaufelt zu haben, weil die Pest doch sooo ansteckend war. Nach dem Unterricht habe ich eiligst meine Funde in einem Kanalisationsschacht entsorgt und meine Hände mit Seife und Bürste geschruppt. Gestorben bin ich Gott sei Dank nicht, aber meinen Traumberuf habe ich an diesem Tag zu Grabe getragen.


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