«Sonnegarte» öffnete seine Türen

 Der Tag der offenen Tür des Wohnheims Sonnegarte vom Samstag stiess mit 1700 Besucherinnen und Besuchern auf riesiges Interesse. Zwei Tage zuvor hatte Regierungsrätin Michaela Tschuor gemeinsam mit einem Bewohner die Ehre, den Neubau offiziell seiner Bestimmung zu übergeben. 

Jubel bei der Banddurchschneidung (v.l.): Christian Meyer, Architekt; Edith Lang, DISG; Jürg Meyer, VRP; Hanspeter Häfliger, Leiter BWI; Bewohner; Peter Schwegler, CEO; Michaela Tschuor, RR; Thomas Lemp, Leiter WHS; Angelika Voigt und Urs Glauser, Heimleitung und Patrick Ambauen, Architekt. 
Foto Astrid Bossert Meier

von Astrid Bossert Meier

Endlich, endlich, endlich ist das Haus eröffnet. Ich darf in mein neues Zimmer einziehen», ruft «Sonnegarte»-Bewohner Ruedi Blättler am späten Donnerstagnachmittag den rund einhundert geladenen Gästen zu. Soeben hat er gemeinsam mit Regierungsrätin Michaela Tschuor das rote Band durchschnitten. Die sechsjährige Planungs- und zweieinhalbjährige Bauzeit findet mit diesem symbolischen Akt ein Ende. 

Band gemeinsam durchschnitten und Freundschaft geknüpft: Bewohner Ruedi Blättler und Regierungsrätin Michaela Tschuor. 
Foto Astrid Bossert Meier

Emotionaler Rückblick

Die Freude am offiziellen Eröffnungsanlass steht nicht nur Bewohner Ruedi Blättler ins Gesicht geschrieben, sondern auch den Festrednerinnen und -rednern. «Nach 150 Jahren Klinik ziehen nun die letzten Bewohnenden aus den Klostermauern in bedürfnisgerechte Unterkünfte um», freut sich Jürg Meyer, Verwaltungsratspräsident der Luzerner Psychiatrie LUPS. Regierungsrätin Michaela Tschuor bezeichnet den Neubau als Leuchtturmprojekt und betont, dass die 16 zusätzlichen Plätze – insbesondere an der Schnittstelle Betreuung und Psychiatrie – dringend nötig seien. Dabei reicht die neue Vorsteherin des Gesundheits- und Sozialdepartements die Lorbeeren weiter. Viele Menschen hätten sich in der Vergangenheit vorausschauend für den Neubau eingesetzt, auch ihr Vorgänger Guido Graf, dem der «Sonnegarte» stets eine Herzensangelegenheit war. Für grosses Gefühlskino sorgt ein Kurzfilm über die Stationen des Neubaus vom Wettbewerb bis zur Schlüsselübergabe, den Thomas Lemp anstelle einer Rede einspielt. Als Baukommissionsmitglied und in der Funktion als Leiter Wohnheim seitens der LUPS war er in den letzten Jahren intensiv in das Projekt involviert, was sich in den emotionalen Bildern widerspiegelt.

Neu 64 statt 48 Plätze

Nach den Reden sind die Gäste eingeladen, das dreigeschossige Wohnheim zu besichtigen. Die vier Wohngruppen im Erdgeschoss bieten sich für Menschen mit hoher Betreuungsintensität an. Sie sind kleiner als jene in den oberen Stockwerken (vier statt sechs Bewohnende pro Gruppe) und besonders reizarm ausgestattet, insbesondere mit Blick auf Bewohnende mit Autismus-Spektrum-Störung. Jeweils einer dieser Plätze ist als zeitlich beschränkter Kriseninterventionsplatz vorgesehen – für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, die sich in einer akuten psychischen Krise befinden. Die vier Wohngruppen im ersten Obergeschoss bieten eine spezifische Infrastruktur für Menschen mit erhöhtem Pflegebedarf. In den Wohngruppen im zweiten Obergeschoss werden Menschen mit grösserer Selbstständigkeit leben. Insgesamt stehen mit dem neuen «Sonnegarte» nun 64 Wohnplätze (bisher 48) in zwölf Wohngruppen und fünf Tagesplätze zur Verfügung. Ergänzt wird der Wohntrakt durch einen eingeschossigen Atelierbau mit einem Arbeits- und einem Beschäftigungsbereich. 

Einblick ins Holzatelier, indem unter anderem «Holzbördeli» zum Anfeuern hergestellt werden. 
Foto Astrid Bossert Meier
Am Tag der offenen Tür besichtige die Bevölkerung das neue Wohnheim. Unser Bild zeigt einer der Aufenthaltsräume.
Foto zvg

Viel Anerkennung

Nach der offiziellen Einweihung vom Donnerstag ist am Samstag auch die Bevölkerung eingeladen, die neuen Räumlichkeiten zu besichtigen. Das Angebot stösst auf enormes Interesse. Rund 1700 Personen machen sich auf den Rundgang und erleben die architektonische Umsetzung des Projekts. Viele interessieren sich aber auch für die Info-Tafeln, welche über das Betreuungskonzept Auskunft geben. Zudem stehen Mitarbeitende für Fragen zur Verfügung. Wo man sich auch umhört, das Lob ist überschwänglich.

Konzert am eindrücklichen Instrument «Organum Karsumpulum».
Foto Astrid Bossert Meier

Besonders gut kommen nebst der modernen Architektursprache die helle Atmosphäre und die grosszügigen Fensterfronten an, die in alle Richtungen den Blick ins Grüne freigeben. Aber auch die mutige und dennoch harmonische Farb- und Materialwahl überzeugt. «Einfach fantastisch umgesetzt», meint eine Besucherin und die umstehenden Gäste nicken zustimmend.

Schmucker Garten: Reto Bärtschi (Mitte) hat mit der Kunstgruppe «Wächterfiguren» erschaffen.  
Foto zvg

Nun folgt übermorgen Donnerstag die grosse Züglete. Dann wird sich zeigen, ob der Neubau seinen wahren Zweck erfüllt: wenn sich die 64 Bewohnenden mit einer Beeinträchtigung im neuen «Sonnegarte» Zuhause fühlen.

Es sind imposante Zahlen, die hinter dem neuen Wohnheim Sonnegarte stehen. Hier eine kleine Auswahl:

32,9 Millionen Franken Baukosten

186 Bausitzungen

64 beteiligte Firmen

7314 m2 Bruttogeschossfläche

5300 Kubikmeter verbauter Beton

725 Tonnen verbauter Stahl

170 000 Meter Elektrokabel

23 800 Laufmeter Holzverschalung

1700 Leuchten

447 Türen boa.

Für die Realisierung des neuen Wohnheims Sonnegarte waren mehrere Anläufe nötig.  Erste Projekte in den Jahren 2009 und 2013 schafften den Durchbruch nicht. 2017 wurde ein Projektwettbewerb ausgeschrieben, aus dem das Siegerprojekt «maigold» der ARGE Meyer Geident Architekten AG und Schärli AG hervorging. 2020 wurde das Projekt definitiv freigegeben. Im Frühling 2021 erfolgte der Spatenstich, im Mai 2022 konnte das Aufrichtfest gefeiert werden. Im September 2023 fand die Bauabnahme statt. Und am Donnerstag, 26. Oktober 2023 werden die Bewohnerinnen und Bewohner in ihr neues Zuhause einziehen. boa.

Nachgefragt

Angelika  Voigt, Leiterin Wohnheim Sonnegarte St.Urban

Diese Woche ziehen die Bewohnenden ins neue Wohnheim Sonnegarte ein. Worauf freuen Sie sich besonders? 

Auf die Möglichkeiten, die durch den Neubau entstehen. Die Autonomie nimmt zu, auch Bewohnende mit Rollstuhl oder Rollator können sich im Gebäude und Garten selbstständig bewegen. Und wir können die Menschen mit Beeinträchtigung im Sinne der Inklusion noch besser in die Alltagsgestaltung einbeziehen – beispielsweise entstehen durch die Cafeteria und die grosszügige Gartenanlage neue Arbeitsplätze für Bewohnende.

Werte wie Teilhabe oder Autonomie werden heute hochgehalten. Und Sie bauen ein grosses Wohnheim. Ist das nicht die falsche Richtung? 

Überhaupt nicht. Manche Menschen mit Beeinträchtigung können dank Assistenz selbstständig leben. Unsere Bewohnenden hingegen benötigen dauernde und enge Bezugspersonen. Oftmals kommt zur kognitiven Beeinträchtigung ein herausforderndes Verhalten oder eine psychische Krankheit hinzu. Wir decken den sozialpädagogischen Teil ab und über den heilpädagogischen Konsiliardienst profitieren wir von der Fachlichkeit der nahen Psychiatrie. 

In etwas Entfernung zum neuen Wohnheim steht ein separater Atelierbau für Arbeit und Beschäftigung. Macht das Sinn? 

Es ist sogar dringend notwendig. Bisher war der Atelierbereich im Konvent untergebracht, direkt verbunden mit einer Wohngruppe. Doch wir gehen auch nicht in den Finken zur Arbeit. Durch den kurzen Arbeitsweg, den viele Bewohnende nun selbstständig absolvieren können, nehmen sie die Jahreszeiten und das Wetter wahr. Und wenn sie morgens in der Wohnung mal Ärger hatten, kommen sie zur Arbeit und können dort neu starten mit einem anderen Betreuungsteam. 

Sie arbeiten seit 35 Jahren im Wohnheim Sonnegarte. Was hat sich seit Ihrem ersten Arbeitstag am meisten verändert? 

Das eigene Wohnheim war schon vor 35 Jahren eine Vision. Schritt um Schritt haben wir darauf hingearbeitet, Selbstbestimmung und Inklusion gefördert. So kamen beispielsweise anfänglich alle Mahlzeiten aus der Klinik-Küche. Heute sind Einkaufen und Kochen wichtige Teile der Alltagsgestaltung. Ich bin dankbar, auf so viele Jahre zurückblicken zu können. So ist es mir möglich, die grossen Entwicklungsschritte der Bewohnenden zu erkennen. Und der Neubau ermöglicht nun noch mehr Entwicklung. Gleichgeblieben ist übrigens, dass ich mich zu jeder Zeit auf meine Kolleginnen und Kollegen verlassen konnte – und dass jeder einzelne Tag Sinn machte. boa.

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