Altishofer wird "SoBli"-Chef ad interim

Christine Maier gibt die Chefredaktion des "SonntagsBlick" ab. Ab Mai übernimmt ihr bisheriger Stellvertreter Philippe Pfister interministisch das Ruder der grössten Schweizer Sonntagszeitung. Philippe Pfister (52) ist in Altishofen aufgewachsen und war einst redaktioneller Mitarbeiter des "Willisauer Bote".

Phillippe Pfister, Foto zvg
Norbert Bossart

Philippe Pfister (52) studierte in Zürich und Basel Geschichte und Publizistikwissenschaft. Das journalistische Handwerk lernte er unter anderem beim "Willisauer Bote" und beim "Blick". Zwischen 2001 und 2006 war er Nachrichtenchef der "Sonntagszeitung", später Chefredaktor der Pendlerzeitung "News". Seit April 2009 ist er stellvertretender Chefredaktor beim «SonntagsBlick».

"Lügenmärchen oder nackte Tatsachen?"
Und diesem Titel führte der WB einst mit Philippe Pfister im Rahmen seiner Sommerserie "Der WB geht fremd" (Juli 2010) ein Interview. Ein Auszug aus dem damaligen Gespräch:
 
Herr Pfister, Sie sind beim Revolverblatt «SonntagsBlick» am Drücker. Machts Spass, schnell und scharf zu schiessen?

Revolverblatt sagen Sie. Der «SonntagsBlick» ist die grösste Bezahlzeitung der Schweiz. Sie gehört am Sonntag wie das Gipfeli zum Zmorge. Hier zu arbeiten macht grosse Freude. Ich begegne regelmässig interessanten Menschen. (…) Es macht Spass für eine Zeitung zu arbeiten, die keine thematischen Tabus kennt. Wir recherchieren knallhart.

Manchmal tauschen Sie die Feder gegen das Schwert: «Jetzt gömmer met em Zweihänder dehender!» Diesen Spruch klopfen Sie, wenn eine Titelstory zu wenig «chlöpft». Mit dem Zweihänder schlagen Sie drein, ohne Rücksicht auf Verluste?

Es stimmt, dass mir dieser Spruch schon mal über die Lippen gekommen ist. Der Zweihänder ist ein Symbol. Brauchen wir ihn, sagen wir etwas klipp und klar. Und sehr laut. Das gehört zu den Aufgaben eines Journalisten. Den Zweihänder zu führen, will aber gelernt sein. Man muss auf sicherem Grund stehen und seiner Sache sehr sicher sein. Sonst säbelt man sich selbst den Kopf ab.

Urteile des Presserates belegen: Etliche Stories aus dem Hause Ringier waren nicht hieb- und stichfest. Journalisten unterschlugen wichtige Infos, Betroffene wurden nicht angehört, die Privatsphäre verletzt. Stimmt Ihre Zweihänder-These, müssten bei Ringier regelmässig Köpfe rollen.

Es kommt überall immer wieder zu journalistischen Fehlleistungen. Das ist kein spezifisches Problem des Hauses Ringier. Unsere Fehlleistungsquote liegt nicht höher als bei anderen Medien. Ich vermute aber, wir werden schneller vor den Presserat zitiert als andere Medien – weil wir die Dinge manchmal lauter sagen als andere.

Den «Blick»-Machern wird nachgesagt, dass sie nicht nur über Leichen schreiben, sondern auch über Leichen gehen. Wie skrupellos muss ein Boulevardjournalist sein?

«Nachgesagt» ist gut. Wie heisst es doch so schön: Vom Hörensagen lernt man Lügen. Bei uns geht niemand über Leichen. Skrupellosigkeit passt zu keinem Journalisten, auch zu keinem Boulevardjournalisten. Was dazu gehört, ist eine gehörige Portion Unerschrockenheit.

Journalist Pfister, wie halten Sie es mit der Wahrheit?

Die Wahrheit ist neben der Freiheit vielleicht die wichtigste Idee des Menschen. Ich frage mich, ob wir in journalistischen Zusammenhängen nicht lieber von einer bestimmten Form der Wahrheit sprechen sollten: von Wirklichkeit. Messen wir unsere Geschichten an der Wirklichkeit, stehen wir auf sicherem Grund. Die Fakten müssen überprüf- und belegbar sein. Eine gute Story widerspiegelt die Realität.

«Helfer schwamm im Blut», «Todesspritze für Berner Bärli» oder «Agentin 00-Sex». Hand aufs Herz: Widerspiegeln diese Schlagzeilen die Wirklichkeit?

Selbstverständlich wollen wir Emotionen wecken. Wir schreiben auf den Punkt, Zuspitzen gehört zu unserem Handwerk. Das ist erlaubt – solange die Fakten stimmen.

Das Urgestein des Schweizer Boulevardjournalismus, Peter Übersax, pflegte zu sagen: «Eine gute Boulevardzeitung muss Emotionen wecken, polemisch sein und bringen, was die Leute interessiert.» Hat er recht?

In weiten Teilen. Guter Boulevard spricht aber nicht nur das Herz, sondern auch den Kopf an. Der Mensch ist ein Sowohl-als-auch-Wesen.

Und wozu brauchts die Polemik?

Um den politischen Diskurs am Leben zu erhalten. Er bringt unser Land weiter.

Apropos Polemik: gewalttätige Migranten, Sozial-Schmarotzer und Boni-Abzocker… Schreiben Sie den Lesern nach dem Mund, damit die Verkaufszahlen stimmen?

Chabis! Nur wer sich blind stellt, behauptet, wir hätten keine Probleme mit Migranten. Auch Schmarotzer und Abzocker sind Themen, die bewegen und einen realen Hintergrund haben. Und es gibt immer wieder Geschichten, die schreien danach, geschrieben zu werden. (…) Die Kunst des Boulevards besteht darin, Geschichten, die bei den Leuten schlummern, zum Thema zu machen.

Stehen Boulevardzeitungen politisch eher rechts?

Bei den klassischen Boulevardtiteln in Deutschland oder England mag das stimmen. Doch Rechts zu sein ist nicht zwingend ein Erfolgsgeheimnis.

Zurück zu den nackten Tatsachen. «Blick» setzt augenscheinlich wieder stärker darauf. «Heute bin ich der Star» – Serviceangestellte, Coiffeusen und die Nachbarin von nebenan zeigen auf Seite 1 viel Haut. Werden sie als Lockvögel missbraucht?

Mitnichten. Wir, Frauen und Männer, haben Freude an schönen Körpern. Das ist ein Aspekt unseres Lebens – und den bildet der «Blick» ab. Der «Star des Tages», die junge Frau aus der Region, die man kennt, schafft Leserbindung. Diese Frauen haben aber jederzeit die absolute Kontrolle über ihr Tun.

Busen, Blut und Büsi: Wenn nicht damit, wie sonst lassen sich Boulevardblätter verkaufen?

Das ist ein billiges Etikett. Busen? Schöne, attraktive Leute sind, wie gesagt, ein Aspekt unseres Lebens. Blut und Crime sind heute Bestandteil fast jeder Zeitung. Den Leser interessiert das Extreme, das Aussergewöhnliche. Und mit dem Büsi berühren wir die Leser emotional. Doch mit den drei Bs alleine ist es längst nicht getan. Die moderne Boulevardzeitung lebt von der Relevanz und vom Mix der Stories. Dazu gehören selbstverständlich auch Wirtschafts- und Politikthemen.

«20 Minuten» wächst und wächst, Ihre Verkaufszahlen sinken stetig. Keine Angst, dass für den Boulevardjournalismus bald das letzte Stündchen geschlagen hat?

Nein, «Blick» ist eine Marke, die auch künftig gefragt ist, sie steht für Emotionalität und Exklusivität. Unsere Journalisten wollen mehr wissen als andere. Sie bleiben länger dran, reden mit mehr Leuten. Unsere Geschichten sind emotionaler, unsere Bildsprache packender, die Texte verständlicher. Wir bringen es auf den Punkt. Und genau für diesen Mehrwert ist der Leser bereit, zu zahlen.

 

 

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