Botschaft ins Bündnerland gebracht

Acht Ballone flogen von Willisau in die weite Welt. Angehängt war eine Botschaft: Wer immer den Ballon finde, möge sich für ein Kennenlernen melden. Darauf trafen zwei Anrufe aus dem Bündnerland auf der Redaktion ein.

Entdeckten einen vom WB abgeschickten Ballon: Victoria Spinas (links) und Miriam Majaniemi. Fotos zvg
Ramon Juchli

«Flieg, Ballon, flieg!» Unter ermutigenden Rufen flogen vor Kurzem acht Heliumballone aus Willisau in die weite Welt. Angehängt war eine Botschaft: Wer immer den Ballon finde, möge sich bei dieser Zeitung für ein kurzes Kennenlernen melden. Die Spannung darüber, wer wohl anrufen werde, war gross. Doch die Stimmung etwas getrübt. Denn: Die Windbedingungen schienen eher garstig, die Chance, eine Empfängerin oder einen Empfänger zu finden, wirkten klein. Doch etwa 16 Stunden nach Abflug klingelte auf der Redaktion zum ersten Mal das Telefon.

Sie lebt seit 24 Jahren auf der Alp

In der Leitung war Victoria Spinas (links im Bild). Sie liess sich auf einen Schwatz mit der ihr unbekannten Lokalzeitung ein. Wieso? «Ich dachte mir: Das könnte lustig werden!» Ob sie es dem Absender nicht übel nehme, dass durch ihn Plastikabfall auf ihrem Grundstück landete? «Nein, nein. Ich freute mich über den Ballon.» Dieser hatte eine unerwartet weite Reise zurückgelegt. Gelandet ist er nämlich mitten in der Alpweide von Victoria Spinas’ Geissen. Auf gut 2000 Metern bewirtschaftet sie das ganze Jahr über einen Hof auf der Alp Flix. Im Internet finden sich malerische Bilder: Bergseen, saftige Weiden, alte Steinhäuser. Unweit der Alp liegt der Marmorera-Stausee, innerhalb des Gemeindegebiets von Surses auch der Julierpass. Aufgewachsen ist Victoria Spinas im Dorf, das etwa 400 Meter tiefer liegt. Seit nunmehr 24 Jahren lebt sie das ganze Jahr über auf der Alp. Ausflüge in den Rest der Schweiz liegen kaum drin – auch nicht in die hiesige WB-Region. Spinas schaut auf ihrem Hof zu Ziegen, Mutterkühen, Pfauen, Enten, Pferden, Gänsen, Kaninchen, Katzen und Hühnern. In den warmen Monaten helfen ihr eine bis zwei Personen dabei. Zudem stellt sie mit den Kräutern aus dem Garten auch eigene Salben und Sirup her. Sommerferien? Fehlanzeige. Doch unterwegs ist sie trotzdem gerne – auch beruflich. Als Tourenführerin geht sie auf mehrtägige Wanderungen mit Touristinnen und Touristen. Nach zwei vom Coronavirus geprägten Saisons brauche es aber noch etwas, bis die Touren wieder anlaufen. Schlimm sei dies nicht – denn zu tun bleibe genug. Für das Kennenlernen nach dem Ballonfund hat Victoria Spinas nicht lange Zeit. «Vor 8 Uhr morgens geht’s am ehesten», meinte sie im ersten Telefonat. Danach ist nämlich heuen angesagt. Damit sei sie noch den ganzen Sommer lang beschäftigt. Oder zumindest, bis sie das nächste Mal von einer Nachricht aus dem Luzerner Hinterland unterbrochen wird.

Sie liebt die Schweizer Bergwelt

Gut 40 Kilometer nordwestlich der Alp Flix lief die gebürtige Thurgauerin Miriam Majaniemi gerade von Ilanz GR zum kleinen Dorf Luven. Gerade befand sie sich auf einer mehrtägigen Wanderung, als auch sie einen der WB-Ballone fand. Von ihrer Gruppe hatte sie den Ballon als Erste entdeckt (rechts im Bild). «Das war für mich das Tageshighlight», sagt sie am Telefon. Gemeinsam mit ihrem Mann und neun Bekannten ist sie vier Tage lang auf Wanderschaft. Das Highlight der Wanderung: die Greina-Hochebene. Diese grenzt am gleichnamigen Pass an das Tessin. Auf der anderen Seite der Kantonsgrenze liegt der Zielort, das kleine Dorf Campo Blenio. Als Majaniemi dem Ballon über den Weg lief, war gerade eine wenig anspruchsvolle Etappe im Gange. Da kam das unerwartete Fundstück der Naturliebhaberin und Outdoor-Sportlerin gerade recht.

Mindestens vier Stunden wandern am Tag, übernachten in Berghotels oder SAC-Hütten. Losgelaufen wird um 8.30 Uhr. Für Majaniemi sei dies Erholung pur. «In Bewegung zu sein, die Ruhe zu spüren: Das schätze ich an den Sommerferien in unseren Alpen.» Der alltägliche Trott komme einem in dieser Umgebung plötzlich unwichtig vor. «So weit oben, umgeben von den hohen Bergen und massiven Felsen, wird einem klar, wie klein wir Menschen doch sind.»

Einige Zeit nach ihrem Anruf schreibt Majaniemi in einer E-Mail: «Wir haben auf unserer Wandertour leider keinen weiteren Ballon gefunden, obwohl wir ganz intensiv Ausschau gehalten haben.» Das Glück lässt sich wohl nicht erzwingen. Aber wie die Ballonfunde zeigen, findet man es diesen Sommer am ehesten in den Bündner Bergen.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.