«Habe Lust auf ein schwieriges Informatikprojekt»

Vier Legis­laturen lang prägte Marcel Schwerzmann den Kanton Luzern als Regierungsrat. Der WB hat mit dem begeisterten Segler am Segelhafen im Tribschenhorn zurück und nach vorne geblickt.

Marcel Schwerzmann will nach seiner Regierungsratstätigkeit erst einmal in Ruhe Ferien machen. Foto Stephan Weber
Stephan Weber

Sie waren der erste Parteilose im Regierungsrat. Hand aufs Herz: Wie häufig haben Sie überlegt, einer Partei beizutreten?
Nie. Ich wurde von der Bevölkerung als Parteiloser gewählt und später als Parteiloser wiedergewählt. Als parteiloser Regierungsrat ist man ja kein «Hors-Sol-Gewäschs» – fernab der Erde. Man hat ein Umfeld und ein Netzwerk, in welchem man sich austauschen kann. Eigentlich ist es ganz simpel: Um ein Geschäft durchzubringen, brauche ich Mehrheiten in der Regierung, im Parlament und auch im Volk. Dazu sind Gespräche nötig – mit Verbänden, politischen Akteuren, mit der Verwaltung.  

Wann wäre eine fehlende Parteizugehörigkeit zu einem Nachteil geworden?
Die Parteilosigkeit steht einem im Weg, wenn es zu einem persönlichen Skandal kommt. Da eilt einem niemand zu Hilfe. Stattdessen sagen alle: Der gehört nicht zu uns. Dazu ist es glücklicherweise nicht gekommen.

Sie waren insgesamt drei Mal Regierungspräsident. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeiten?
Als Regierungsrat habe ich viele spannende und unterschiedliche Personen getroffen, die ich sonst im Leben nicht getroffen hätte. Als Regierungspräsident noch mehr. Ein Höhepunkt waren für mich die Besuche an Veteranentagungen, bei den Schützen, Musikantinnen oder Turnern. Allesamt Personen, die sich jahrzehntelang für die Gesellschaft engagiert haben. Als Regierungspräsident lernt man, wie die Bevölkerung denkt und wie Institutionen funktionieren.

Was werden Sie dereinst am meisten vermissen als Regierungsrat?
Die interessanten Projekte und politischen Vorlagen und das Netzwerk, das man sich über all die Jahre erarbeitet hat. Aber ich bin ab Juli nicht ab von dieser Welt. Ein klein wenig werde ich hoffentlich noch vom Netzwerk zehren können.

Auf was können Sie getrost verzichten?
Auf den fremd gesteuerten Kalender, den man nicht selber gestalten kann.

Zurück zur Regierungsratstätigkeit: Sie haben einen ausgesprägten Gestaltungswillen sagten Sie einst im «Böttu»– was haben Sie zuletzt beim Bildungs- und Kulturdepartement bewegt?
Darf ich drei Sachen nennen?

Nur zu.
Erstens die Fusion der zwei kantonalen Museen. Das wollte ich durchziehen. Die politischen Diskussionen dazu habe ich nicht gescheut. Weiter war mir die Weiterentwicklung der Uni Luzern mit den zwei zusätzlichen Fakultäten – «Verhaltenswissenschaften und Psychologie» sowie «Gesundheitswissenschaften und Medizin» – ein grosses Anliegen. Nun haben wir eine humanwissenschaftliche Spezialitäten-Universität, vergleichbar mit anderen Unis in Europa.

...was ist das Dritte?
Das sind die zwei Planungsberichte, die wir erstellt haben. Einerseits über die tertiäre Bildung, die vom Parlament gefordert wurde. Und andererseits den Bericht über die Volksschule/Gymnasium/Berufsbildung, die ich initiierte. Die Bildung betrifft uns alle, darum soll sie auch breit diskutiert werden. Und: Wer die Parlamentsdebatten verfolgt, erkennt: Aktuell gibt es zum Thema Bildung viele Vorstösse, die im Kantonsrat behandelt werden. Die vertiefte Diskussion ist in der Politik angekommen.  

Wir haben mit Kantonsrätinnen und Kantonsräten geredet. Gelobt wurden Sie etwa für das Herzblut, das Sie gegenüber dem Kulturbereich verströmten und Ihr Interesse daran. Sie besuchten das Musikfestival «B-sides», dessen Besucherinnen und Besucher nicht eben Ihre klassische Wählerschaft darstellt?
Ich muss mich doch als Kulturdirektor für die breite Kulturszene interessieren. Also nicht nur für die sogenannte Hochkultur Theater oder Oper. Sondern auch für die Kleinkunstszene oder kleinere Musikfestivals. Im Übrigen ging ich in meinen jungen Jahren jedes Jahr ans St. Gallen-Open-Air.

«Die nächste Segeltour führt eher nach Weggis als ans Nordkap.»
Marcel Schwerzmann

Ein anderer Parlamentarier sagte, Sie hätten sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und trotz Widerstand Ihre Pläne durchgezogen – konsequent.
Das kann ich unterstreichen. Zwei Beispiele: Bei der Steuergesetzrevision wusste ich, dass es Gegenwind geben wird. Bei der Einführung der Steuersoftware musste ich das Geschäft zweimal im Parlament vortragen. Aber wenn ich von etwas überzeugt bin, gehe ich die Extrameile – trotz Widerstand. Sowieso bin ich nur schwer aus der Ruhe zu bringen. Mit ein, zwei Ausnahmen ist mir das bisher immer gelungen.

Andere sagten, Sie seien etwas «technokratisch». Oder «sehr zahlenfixiert».
Auch das stimmt. Ich bin jemand, der gerne systematisch arbeitet, gerne die Projekte abarbeitet und ein Thema auch mal zum Boden bringt. Ellenlange Diskussionen mag ich nicht. Effizienz ist mir wichtig. Ja, und zahlenaffin bin ich. Auch wenn sich nicht alles aus den Zahlen herauslesen lässt: Vieles eben schon.
Als Sie Finanzdirektor waren, musste der Kanton gefühlt überall sparen. Geliebt wird man dafür nicht. Hatten Sie nie das Bedürfnis, die Segel zu streichen?
Nein, nie. Wirklich nicht. Das entspricht nicht meiner Art und meinem Wesen.

Was war die schwierigste Zeit?
Als es dem Kanton Luzern finanziell wirklich schlecht ging. Ich liess ja nicht sparen, weil mir das gefällt. Sondern weil ich der festen Überzeugung war, dass es notwendig ist. Gespart haben wir, um die Handlungsfreiheit im Kanton Luzern wiederzuerlangen. Das ist uns gelungen. Im Jahr 2000 hatten wir 2,5 Milliarden Nettoschulden. Heute sind es ungefähr 0,5 Milliarden Nettovermögen.

Bis sich die Luzerner Staatskasse wegen der Steuergesetzrevision erholte, dauerte es aber viel länger als prognostiziert.  
Zugegeben: Wir haben die Dauer etwas unterschätzt. So hat uns etwa die internationale Bankenkrise gebremst. Aber ob jetzt ein paar Jahre früher oder später: Auf lange Sicht spielt das keine grosse Rolle. Heute geht es den allerallermeisten Gemeinden im Kanton Luzern richtig, richtig gut. Und wenn es den Gemeinden gut geht, geht es in der Regel auch der Bevölkerung gut.

Es gab jedoch Sparmassnahmen, die wieder rückgängig gemacht wurden. Hätte es diese also gar nicht gebraucht?
Doch. Es gibt Sparmassnahmen, die sinnvoll sind und über die man froh ist, dass sie umgesetzt wurden. Und dann gibt es Sparmassnahmen, die aus der Not entstanden. Wenn jemand knapp bei Kasse ist, geht er möglicherweise ein Jahr lang nicht in die Ferien. Es heisst aber nicht, dass er nie mehr in die Ferien geht. Bei jeder Sparmassnahme habe ich mich gefragt, ob wir sie rückgängig machen können, wenn es dem Kanton wieder besser ginge.

Welche Sparübung hätten Sie lieber nicht gemacht?
Die zusätzliche Ferienwoche bei den Schulen. Und dies, obwohl weder Schüler noch Lehrpersonen darunter litten. ­Diese Massnahme war bedeutend weniger schlimm als der Schulausfall während der Pandemie. Gemacht haben wir diese Massnahme, um die hohen Überstunden bei den Lehrpersonen abzubauen.

«Ich möchte möglichst viel Gutes für den Kanton Luzern erreichen», sagten Sie beim Amtsantritt. Was haben Sie erreicht?
Im Finanzdepartement habe ich zwei wesentliche Gesetze revidiert: das Finanzhaushaltsgesetz und das Steuergesetz. Beides war dringend nötig. Stolz bin ich auch auf das neue zentrale Verwaltungsgebäude am Seetalplatz. Überspitzt gesagt: Früher mieteten wir eine zusätzliche Dreizimmerwohnung, wenn eine Dienststelle ein Büro benötigte. Es war ein «Chrüsimüsi», die kantonale Verwaltung war überall verstreut. Das hat glücklicherweise ein Ende.

Was ist Ihnen nicht gelungen oder hätten Sie gerne noch aufgegleist?
Den Standort des fusionierten Museums hätte ich gerne noch festgelegt. Und zwar im ehemaligen Zeughaus. Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun.

Das sehen viele anders.
Ja, weil sie fälschlicherweise davon ausgehen, dass das Museum rausgehen muss, damit die Gerichte rein können. Das ist aber nicht so. Das lässt sich in früheren Immobilienberichten belegen. Der Standort Zeughaus war schon 2011 ein Thema. Ein möglicher neuer Standort für die Gerichte wurde erst Jahre später diskutiert.

Themawechsel: Wohin führt Sie die nächste Segeltour?
Eher nach Weggis als ans Nordkap. Im Sommer will ich in Ruhe zuerst runterfahren, mit allem abschliessen und nicht mit Vollgas in ein neues Projekt starten.

Trotzdem: Pensioniert sind Sie noch nicht. Was folgt beruflich?
Ich werde mich in Verwaltungsräten und Stiftungen engagieren. Dazu habe ich Lust auf ein richtig gutes und schwieriges Informatikprojekt. Zudem werde ich mich auch in der Gesellschaft einbringen, ein Vereinspräsidium übernehmen. Sachen, die ich aus Zeitgründen nicht machen konnte und froh war, dass es jemand anderes machte. Aber 100 Prozent zu arbeiten und mit dieser Präsenz wie jetzt: Das werde ich garantiert nicht mehr.

"Den Standort des neuen Museums hätte ich gerne noch festgelegt."
Marcel Schwerzmann

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