Winzer bangen um ihre Weinernte

Die vielen Niederschläge und Hagelstürme haben in den Rebstöcken des Kantons Luzern teilweise grosse Schäden verursacht. Der WB hat sich mit Beat Felder, zuständig für den Weinbau in der Zentralschweiz, über die Weinernte, Pilzkrankheiten und den Klimawandel unterhalten.

Beat Felder auf seinem Weingut Mariazell in Sursee. Foto Stephan Weber
Stephan Weber

Regen, Regen, Regen: Im Juni und Juli gab es heuer sehr viel Niederschlag. Mit Folgen für die Winzerinnen und Winzer des Kantons Luzern?  
Beat Felder: Regen im Juni und im Juli bringt wahrlich keinen Segen. Die Vegetation ist fast drei Wochen im Rückstand und Pilzkrankheiten mache den Winzerinnen und Winzern zu schaffen wie noch nie.

Sie sprechen vom Mehltaupilz.
Ja, der Falsche Mehltau ist in diesem Jahr kaum zu stoppen. So viele neue Pilzinfektionen habe ich noch nie erlebt. Bei den normal anfälligen Sorten – das sind alle bekannten europäischen Weinsorten – ist jede Woche eine Behandlung nötig. Alternative Präparate reichen nicht. Es gibt trotz chemischer Bekämpfung grosse Ausfälle.

Wie lässt sich die Pilzkrankheit bekämpfen?
Wer auf pilzwiderstandsfähige (sogenannte PiWi-Sorten) Reben setzt, der hat Vorteile. Diese Trauben sind mit wenigen Behandlungen und zum Teil dank alternativen Präparaten recht gesund. Im Kanton Luzern beträgt der Anteil dieser neuen Sorten fast 40 Prozent. Wir sind da schweizweit führend, der Anteil bewegt sich sonst erst um circa zwei Prozent.

Wie gross sind die Schäden?
Das lässt sich noch nicht beurteilen, da sich die Krankheit weiter ausbreitet und sich keine Wetterbesserung abzeichnet. Die Situation ist nicht tragbar: Es besteht die Gefahr von Resistenz, die Umwelt wird belastet und durch den starken Regen in den steilen Hängen ist das Pflanzenspritzen mit einer Maschine kaum möglich oder gefährlich.

Gibt es regionale Unterschiede?
Die Schäden betragen je nach Rebberg zwischen 10 und 90 Prozent. Wer keine Schäden hat, kann von Glück reden. Noch ist die Saison nicht gelaufen, es kann noch viel passieren. Bereits morgen kann alles anders sein.

Sie bewirtschaften am Sempachersee auf einer Fläche von 90 Aren einen Rebberg. Wie sehr haben Ihre Rebstöcke gelitten?
Es sieht bei uns aus wie überall in der Deutschschweiz. Die Reben vermissen die Sonne und zeigen leider auch Mehltausymptome. Die Endmoräne des Sempachersees trocknet aber glücklicherweise relativ schnell ab, sodass wir bei kurzen trockenen Phasen mit der Raube die Reben spritzen können. Ebenso hatten wir bis jetzt Glück mit dem Hagel. Sursee blieb weitgehend verschont.

Andere hatten weniger Glück. Die vielen Gewitter mit teils kräftigem Hagel waren ein grosses Problem für die Winzer.
Ja, es gab bereits vier mehr oder weniger starke und mehr oder weniger flächendeckende Hagelstürme. Mit schlimmen Folgen: Die Hälfte der Luzerner Ernte scheint zerstört. Der stärkste Schaden war am 28. Juni, als das Gewitter mit Hagel über dem Sempacher- und Baldeggersee wütete.

Was raten Sie als Rebbau­kommissionär den Weinbauern?
Nach einem Hagel sind die Reben so früh wie möglich zu schützen. Wo der Hagel einen Totalschaden angerichtet hat, sind die Trauben weiter zu pflegen und zu schützen, da sie Reserven und mindestens eine Tragrute (das ist eine Art Reservetrieb) für eine Ernte im Folgejahr brauchen. Fehlt das, führt das auch im Folgejahr zu Ertragsausfällen.

Lassen Sie uns in die Zukunft blicken: Inwiefern tangiert die Klimaerwärmung den Weinbau im Kanton Luzern in den nächsten Jahren?
Bis jetzt waren die Auswirkungen des Klimawandels positiv. Die höheren Temperaturen und die längeren Trockenphasen sind gut für die Reben. Einzig der Frost machte sich in den letzten drei bis vier Jahren stärker bemerkbar. Negativ wirkt sich der Starkregen aus. Es ist vor der Ernte das grössere Problem als im Sommer. Zum Hagel: Der war in den letzten 15 Jahren kein Problem. Er traf jeweils nur einzelne Rebberge. Grundsätzlich hätte es bei anderer Grosswetterlage auch ein heisses und trockenes Jahr werden können. Genug Regen und kühle Nächte bei der Reife sind unsere Trümpfe. In vielen bekannten Weinregionen der Welt fehlt das heute weitgehend.  

Was wird sich bei der Weinlese verändern oder hat sich bereits verändert?
Die Weinlese verschob sich stark nach vorne. Bis Ende September sind jeweils viele Trauben geerntet. In diesem Jahr wird das anders sein. Die Hauptlese ist im Weinmonat Oktober – wie es früher üblich war. Verändern wird sich auch das Anbaugebiet. Der Klimawandel erlaubt es, künftig Wein in etwas höheren Lagen anzubauen.  

Welche Sorten profitieren vom Klimawandel?
Die steigenden Durchschnittstemperaturen kommen später reifenden Sorten wie dem Merlot zugute. Weiter werden pilzwiderstandsfähige Rebsorten an Bedeutung gewinnen. Der Regen und die kritische Haltung der Gesellschaft zum Pflanzenschutz fördern das. Der Konsument muss aber mitmachen. Wenn er weiterhin fast ausschliesslich Weine aus traditionellen Sorten konsumiert, geht die Entwicklung in der Schweiz weiter schleppend voran.

Macht es der viele Regen für Bio-Winzer schwieriger als für ­herkömmliche Winzer?
Der viele Niederschlag macht es für alle schwieriger. Herkömmlichen Winzern stehen wohl mehr und bessere Mittel zur Verfügung, um gegen die Pilzinfektionen vorzugehen. Jedoch reichen sonst den Bio-Winzern in der Regel alternative Präparate oder Biopräparate wie Schwefel oder Kupfer aus. Heuer nicht. Wer im Kanton Luzern nach Bio-Richtlinien produziert, macht dies daher mit Piwi-Sorten. Bio und traditionelle europäische Sorten: Das wäre in diesem Jahr ein absolutes «no go».

Was braucht es jetzt, um qualitativ einen guten Jahrgang zu erhalten?
Das Jahr ist nicht verloren, nur da und dort die gute Menge. Mit einem schönen und trockenen Herbst könnte der Jahrgang noch immer toll werden.

Stephan Weber

50 Winzer und 300 Weine

Zum Weinbau im Kanton Luzern: Dieser wird auf einer Fläche von rund 75 Hektaren betrieben. Rund 50 Winzer produzieren über 300 verschiedene Weine. Der Luzerner Weinbau teilt sich auf in die vier Regionen Wiggertal, Sempachersee/Surental, Seetal und Vierwaldstättersee. Gemäss Homepage des Berufsbildungszentrums Natur und Ernährung gehört der Weinbau zu den am stärksten wachsenden Agrarbereichen des Kantons Luzern. Während der Kanton Luzern im Vergleich zu den grössten Weinbaukantonen Wallis, Genf oder Waadt über eine kleine Rebbaufläche verfügt, spielt er im Bio-Weinbau – was der prozentuale Anteil der biologisch bewirtschafteten Rebbaufläche betrifft – eine bedeutende Rolle. Mehr als 15 Prozent der Winzer im Kanton Luzern produzieren nach Bio-Richtlinien. Quelle: www.lawa.lu.ch

Beeren trocknen ein

Beim Falschen Mehltau handet es sich um eine epidemische Pilzkrankheit. Er ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der Landwirtschaft als gefährlicher Erreger bekannt. Im Gegensatz zum Echten Mehltau tritt der Falsche Mehltau überwiegend bei einer feucht-kühlen Witterung auf. Deshalb gedeiht er besonders im Frühjahr und im Herbst. Zum Schadenbild: Den Falschen Mehltau erkennt man an einem weisslich-grauen bis bräunlich samtigen Pilz auf der Rebe. Bei einem Befall an den Weinreben kann es zum Eintrocknen der Beeren kommen. Um die Pilzkrankheit, den Falschen Mehltau, zu bekämpfen, müssen die Reben mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Die Eindämmung des Pilzes ist jedoch wegen des nassen Wetters schwierig. Bei Regen können keine Fungizide gespritzt werden.

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