Notunterkünfte: Die wichtigsten Fakten in Kürze

Die wichtigsten Fakten zu den geplanten Not­unterkünften in Dagmersellen und Willisau: Der WB fragte beim kantonalen Asyl- und Flüchtlingskoordinator Ruedi Fahrni, dem Zivilschutz und den Standortgemeinden nach.

Ein Schlafsaal in der Dagmerseller Zivilschutzanlage beim Werkhof. Foto Stefan Bossart
Monika Wüest

 

Die Unterkünfte

Welche Zivilschutzanlagen werden in unserer Region zur Verfügung gestellt?
In Dagmersellen werden ab 6. Januar 50 Asylsuchende in der Zivilschutzanlage Werkhof untergebracht. Diese befindet sich an der Industriestrasse. Besitzerin der Anlage, die ein Jahr lang als Notunterkunft dient, ist die Standortgemeinde. Die Stadt Willisau stellt seine Zivilschutzanlage beim Feuerwehrlokal in der Bisangmatt ab März 2015 ebenfalls für ein Jahr als Asylnotunterkunft zur Verfügung. Die zwei Gemeinden haben entsprechende Vereinbarungen mit dem Kanton abgeschlossen. Mit einer gleichzeitigen Zusicherung des Kantons an die Standortgemeinden. Für Willis­au und Dagmersellen werden nach Schliessung der Notunterkünfte drei Jahren lang keine weiteren Zuweisungsentscheide mit Aufnahmepflicht erfolgen. Das Platzieren von Flüchtlingen in privaten Unterkünften ist hingegen weiterhin möglich, wenn entsprechender Wohnraum angeboten wird.


Zivilschutzanlagen waren als Schutzorte für den Kriegsfall und Katastrophen geplant. Welche baulichen Massnahmen sind nötig, damit sie als Notunterkünfte nutzbar sind?
Die sanitären Einrichtungen werden mit vier Duschkabinen und einer Warmwasserversorgung ergänzt. Zudem sind Elektroinstallationsarbeiten wie beispielsweise für die Waschmaschine und den Tumbler notwendig. Des Weiteren sind feuerpolizeiliche Auflagen zu erfüllen, welche für einen sicheren Betrieb der Anlage notwendig sind. Dazu zählen beispielsweise die Ergänzung der Notleuchten oder das Anbringen von zusätzlichen Feuerlöschern. Für den Tagesaufenthalt der Bewohner wird zusätzlich ein Raum mit Tageslicht bereitgestellt. In Dagmersellen wird hierfür ein Container erstellt, in Willisau nutzen die Asylsuchenden das heutige Theorielokal über dem Feuerwehrmagzin.

 

Die Bewohner

Wer wird in den Anlagen platziert?
Weil es sich bei beiden vorübergehenden Zentren um unterirdische Anlagen handelt, werden hier keine Familien mit Kindern platziert. In Dagmersellen als auch Willisau finden 50 bzw. 60 Männer ein vorübergehendes Zuhause. Sie stammen insbesondere aus Eritrea, Syrien und Sri Lanka. Diese Asylsuchenden haben bereits eine erste Zentrumsphase in einem der beiden kantonalen Asylzentren Sonnenhof (Emmenbrücke) oder Hirschpark (Luzern) hinter sich. In den Notunterkünften gibt es laufenden Wechsel bei der Bewohnerschaft. Grund: Die Asylsuchenden halten sich hier nur während der Verfahrensdauer auf, die in der Regel weniger als ein Jahr dauert.


Der Alltag

Wie wird das Zusammenleben in der Notunterkunft geregelt?
Mit einer Hausordnung. Verstösse können mit einer Kürzung der wirtschaftlichen Sozialhilfe sanktioniert werden.


Wie funktioniert die Versorgung der Asylsuchenden?
Sie sind selber verantwortlich für die Einkäufe und die Zubereitung ihrer Mahlzeiten. Mit diesem System hat man laut Caritas sehr gute Erfahrungen gemacht. Es fördere unter anderem auch die Selbstständigkeit der Leute. Für den Grundbedarf (Lebensmittel, persönlicher Bedarf) erhalten Asylsuchende eine Tagespauschale von 11.50 Franken pro Person.

Was machen die Asylsuchenden ­untertags?
Die Männer werden in gemeinnützigen Arbeitseinsätzen beschäftigt. Davon sollen, wenn immer möglich, die Standortgemeinden Dagmersellen und Willisau sowie die umliegenden Gemeinden der Zentren profitieren. Je nach Auftrag leiten oder begleiten die Arbeitsgruppen die Auftraggeber oder die Caritas Luzern. Zu den typischen Arbeitseinsätzen zählen beispielsweise Anti-Littering, Pflegen von Bach­ufern und Böschungen, sanieren von Waldwegen oder Entfernen von invasiven Neophyten. Der Asylsuchende erhält eine Entschädigung von zehn Franken pro Arbeitstag.

Wie sieht die Freizeitgestaltung der Asylsuchenden aus?
Sowohl in Dagmersellen als auch Willis­au gibt es Räumlichkeiten zum Spielen, Diskutieren oder Lesen.

Kann die Bevölkerung vor Ort ­Abwechslung in den Zentrumsalltag bringen?
Das Engagement der Bevölkerung im Rahmen eines freiwilligen Einsatzes wird geschätzt. Es ist sowohl für die Bevölkerung als auch für die Asylsuchenden eine Chance zum interkulturellen Austausch. Interessierte wenden sich an die Freiwilligenarbeit der Caritas Luzern.

 

Die Betreuung

Wer ist für die Betreuung der Asylsuchenden verantwortlich?
Das Gesundheits- und Sozialdepartement beauftragt die Caritas Luzern mit der Leitung der temporären Asyl­unterkünfte sowie der Betreuung der untergebrachten Personen. Während der Öffnungszeiten der Zentren von 7 bis 22 Uhr ist mindestens eine Betreuungsperson der Caritas vor Ort. In der Nacht stellt der Zivilschutz die Aufsicht sicher.


Der Zivlschutzeinsatz

Welche konkreten Aufgaben übernehmen die ZSO Napf und die ZSO Wiggertal in Willisau bzw. in Dagmersellen?
Die beiden Zivilschutzorganisationen sind einerseits für die Sicherheit der Unterkunft, andererseits für die Sicherstellung des technischen Betriebes verantwortlich. Vor Ort sind rund um die Uhr immer zwei Zivilschützer, davon mindestens einer wach. Deren Aufgabe ist die Ein- und Ausgangskontrolle. Da im 3-Schicht-Betrieb kontrolliert wird, sind also tagtäglich total sechs Dienstleistende nötig. Auf periodischen Rundgängen kontrollieren die Zivilschützer den technischen Betrieb. Auf Pikett steht ein Anlagewart, der bei Bedarf innert 30 Minuten vor Ort sein muss. Nach den ersten drei Betriebsmonaten werden die Zivilschutzeinsätze situativ angepasst.

Wie funktioniert die Ein- und ­Ausgangskontrolle?
Die Zivilschützer führen Buch über die Belegung der Anlage. Sie haben also die Aufgabe, die Identität der Personen zu kontrollieren, deren Zugang zu registrieren und, falls nötig, Nicht-Zugangsberechtigte abzuweisen. Nur Zugeteilte dürfen in der Anlage übernachten. Sollten Nicht-Zugangsberechtigte dennoch die Anlage betreten, sind die Zivilschützer nicht die Polizisten vor Ort. Sie dürfen keine Zwangsmassnahmen anwenden, sondern melden die Vorkommnisse der Betreiberin der Asylunterkunft, also der Caritas. Diese wiederum kann die Polizei zu Hilfe rufen.

Wer kann für den Dienst in den Anlagen aufgeboten werden?
Alle Schutzdienstpflichtigen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Da es sich gemäss Bundesgesetz bei diesen Einsätzen um sogenannte «Nothilfe» handelt, können sie sofort und für unbestimmte Zeit aufgeboten werden. Es ist damit zu rechnen, dass Zivilschutzeingeteilte im nächsten Jahr vermehrt zum Einsatz kommen. Mit Rücksicht auf die Arbeitgeber wollen die zuständigen Behörden darauf achten, dass der Einsatz «verhältnismässig» erfolgt. Will heissen: Geplant sind vorerst Einsätze von mindestens sieben Tagen. In Vorkursen werden Dienstleistende auf ihren Einsatz im Asylzentrum vorbereitet. So macht man sie beispielweise mit Sofortmassnahmen bei Brandfall, Stromausfall oder Lüftungsdefekt vertraut. Der Dienstleistende erhält Sold und Verpflegung. Zudem werden die Fahrten mit dem öV für den Dienstantritt und nach Dienstende bezahlt. Beim Lohn kommt die Erwerbsersatzordnung zum Tragen.


Die Sicherheit

Wird nach Inbetriebnahme der Zentren die Polizeipräsenz vor Ort erhöht?
Im ersten Betriebsmonat macht ein privater Sicherheitsdienst Kontrollgänge in der weiteren Umgebung. Die Polizeipräsenz wird – wie zuvor bei den vergleichbaren Zentren Eichhof, Luzern, oder Nottwil – den Verhältnissen angepasst. Sollte es Vorkommnisse geben, die eine erhöhte Präsenz notwendig machen, wird die Polizei entsprechend mehr und sichtbar vor Ort sein.


Wie weit dürfen sich Asylsuchende frei bewegen?
Asylsuchende dürfen sich in der Schweiz frei bewegen. Grundsätzlich sind sie aber an den zugewiesenen Kanton und die Gemeinde gebunden. Eine Übernachtung ausserhalb der Unterkunft ist bewilligungspflichtig.

Gibt es für Asylsuchende Rayon-Verbote in Dagmersellen und Willisau?
Rayonverbote lassen sich gemäss Gesetz nur für Personen aussprechen, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie kriminelle Handlungen begehen. Die Zentrumsleitung kann aber über die Hausordnung – nach Bedarf der Gemeinden – sensible Zonen festlegen. Die Asylsuchenden sind angehalten, sich nicht in diesen Zonen aufzuhalten. Zuwiderhandlungen können mit Kürzung der wirtschaftlichen Sozialhilfe sanktioniert werden. In Dagmersellen sind sensible Zonen für die Schulareale vorgesehen. In Willisau erfolgt die Definition allfälliger sensibler Zonen zu einem späteren Zeitpunkt.

Bei Problemen rund ums Zentrum: Wo kann die Anwohnerschaft ihre Sorgen melden?
Es wird eine Notfallnummer eingerichtet. Zudem setzen die Standortgemeinden unter der Leitung des Kantons je eine Begleitgruppe ein. Diese wird gebildet aus Vertretern des Kantons, der Gemeinde, der Luzerner Polizei, des Zivilschutzes, der Caritas Luzern sowie Vertretern der Nachbarschaft. Die Begleitgruppe trifft sich regelmässig zur Situationsanalyse. Sie kann bei allfälligen Problemen Massnahmen für den weiteren Betrieb definieren. Denkbar sind beispielsweise zusätzliche Einsätze von privatem Sicherheitsdienst.

 

Die Kosten

Wer übernimmt die Kosten für die baulichen Anpassungen der Zivilschutzanlagen?
Die Investitionskosten trägt der Kanton. Da die Installationen die Zivilschutzanlagen aufwerten, können die Gemeinden direkt profitieren. Letztere können auch den Rückbau der Anlage auf Kosten des Kantons verlangen.

Wer bezahlt Strom, Wasser oder Heizung?
Die Betriebskosten übernimmt der Kanton.

Wer kommt für die Sozialhilfe auf?
Der Bund richtet den Kantonen pro Asylsuchenden eine monatliche Pauschale von 1453 Franken aus, die für Sozialhilfe, Krankenkassenprämien, Unterbringung und Betreuung reichen muss. Diese ist aber nicht kostendeckend. Die Restkosten muss der Kanton übernehmen. Der Stadt Willisau und der Gemeinde Dagmersellen erwachsen also im Zusammenhang mit der Unterbringung der Asylbewerber keine Ausgaben.

 

Die Entschädigung

Werden die Standortgemeinden für die zur Verfügung gestellten Betten entschädigt?
Ja, sie erhalten 7.20 Franken pro Übernachtung eines Asylsuchenden vom Kanton.

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