Wenn der Geist zur Besinnung kommt

Nach dem Festen kommt das Fasten: Während den 40 Tagen vor Ostern wird die Fastenzeit zelebriert. Wieso in der WB-Region dabei die Bündner Gerstensuppe eine Rolle spielt oder weshalb ein Theologe auf Denken statt Fasten setzt – das lesen Sie hier in unserer Umfrage.

Das Misereor-Hungertuch 2023 «Was ist uns heilig?» vom nigerianischen Künstler Emeka Udemba. Foto Misereor
 

Sie isst eine Woche lang nur flüssige Nahrung, ohne feste Stücke: Seit zehn Jahren fastet die Menznauer Katechetin Denise Heiniger in der Fastenzeit, aber immer wieder auch unter dem Jahr. «Fasten tut gut», ist Heiniger überzeugt. Dabei soll der Körper «Ferien machen». Der Geist «zur Besinnung kommen». Durch das Fasten lerne man schätzen, was man im Alltag oft für (zu) selbstverständlich hält – etwa ein gutes Stück Brot zum Frühstück oder ein Kartoffelgericht zum Zmittag. Diese Erfahrung zu machen sei nicht einfach. Erleichterung verschafft die Fastengruppe des Pastoralraums Willisau, welche Denise Heiniger gemeinsam mit Guido Gassmann leitet. Zwischen 15 und 20 Personen treffen sich an vier Abenden im Pfarrreisaal Menznau, um sich gegenseitig zu unterstützen, füreinander da zu sein. «Die ersten beiden Tage sind die schlimmsten», weiss Heiniger zu berichten. Danach gewöhne man sich daran, der Appetit werde schwächer. Sie empfiehlt, vor der Fastenwoche bereits weniger zu essen und sich nach dem Fasten langsam wieder an die üblichen Essgewohnheiten heranzutasten. Denn die Gesundheit gehe vor. Das Fasten einzuhalten: Dazu werde niemand gezwungen. «Es braucht einen starken Willen», sagt Heiniger. Umso schöner falle dann der Moment aus, wenn man zum Abschluss von acht Tagen des Verzichts das Fasten gemeinsam brechen kann. Am Dienstag, 21. März, kocht Heiniger ein leichtes Menü für die Gruppe – ein Highlight. Das sich alle nach einer Woche dünner Gemüsesuppe redlich verdient haben.

Beim Fasten kann der Körper Ferien machen.
Denise Heiniger
Katechetin, Menznau

Wenn 80 Liter Wasser kochen
Suppe, aber alles andere als dünn: Fünf Mitglieder des Männerkochclubs Grosswangen kochen am kommenden «Fastensuppensonntag» in Grosswangen eine gehaltvolle Bündner Gerstensuppe, welche von den Firmanden aufgetischt wird. Bis zu 150 Personen soll diese sättigen. «Ja, das gibt zu tun – allein für die Gerstensuppe rüsten wir bis zu acht Kilogramm Gemüse», sagt der Mitwirkende Cornel Erni. Nebst der Bündner Spezialität kochen auch noch Champignoncreme- und Bouillon-Suppe auf dem Herd. «Insgesamt brodeln in der Grosswanger Schulküche also um die 80 Liter Wasser», sagt der Hobbykoch und lacht. Alleine deshalb müssten sie um 8 Uhr morgens vor Ort sein. Doch Cornel Erni macht das nichts aus – im Gegenteil. Der Grosswanger freut sich offensichtlich auf den Anlass. Über Umwege wurde der Männerkochclub vor einigen Jahren von der Kirchgemeinde als Suppenköche angefragt. «Eigentlich tritt unser Club ja nicht öffentlich in Erscheinung.» Als Hobbyköche würden sie sich einmal im Monat treffen, um gemeinsam ein Mehrgänger zu kochen – «ganz unkompliziert». Trotzdem sagten sie Ja zu dem einmal jährlichen Engagement. «Somit können auch wir einen kleinen Beitrag für die Öffentlichkeit leisten», so Erni. Die Leute seien dankbar und die Köche dürften so einige Komplimente mit nach Hause nehmen. Und: «Es ist schliesslich für einen guten Zweck!» Wie letztes Jahr unterstützt der Pastoralraum im Rottal nämlich auch heuer ein Hilfsprojekt auf den Philippinen während der Fastenzeit. Davon profitieren Fischerfamilien im Norden der philippinischen Insel Samar. Auch der Erlös des traditionellen Fastensuppensonntags kommt ihnen zugute.

So können wir einen kleinen Beitrag für die Öffentlichkeit leisten.
Cornel Erni
Hobby-Koch, Grosswangen

«Für welche Welt wollen wir verantwortlich sein?»
In der Fastenzeit nicht nur an sich denken: Das will auch Jules Rampini. Ob nun gefastet wird oder nicht: «Das ist für mich nebensächlich», sagt der studierte Theologe, Pastoralassistent und Biobauer. Viel wichtiger als der strikte Verzicht ist es dem Luthertaler, innezuhalten und über den Zustand der Welt zu sinnieren. «Aus theologischer Sicht hat die Fastenzeit nämlich auch etwas Politisches, gar Prophetisches», so Rampini. «Deshalb will ich die Leute einladen, darüber nachzudenken, wie wir mit allem verknüpft sind.» Gerade durch die Globalisierung würden wir «viele Böden dieser Erde mit uns herumtragen» – sei es durch ein Stück Schokolade aus Nicaragua mit Palmölanteil oder einem T-Shirt aus Bangladesh, gefertigt von Kinderhänden. Die ökumenische Fastenkampagne 2023 rückt passend die Klimagerechtigkeit ins Zentrum und stellt die Frage: «Für welche Welt wollen wir verantwortlich sein?» Jules Rampini hat darauf eine klare Antwort: «Ich will auf einer Welt leben, auf der alle gesund und glücklich leben dürfen.» Nicht nur die Menschen, sondern auch die Natur: «Zu Pflanzen und Tieren gilt es Sorge zu tragen», sagt Rampini. Aus ihm spricht bei solchen State­ments sowohl der Biobauer, als auch der Theologe, wusste doch bereits Moses: «Sechs Jahre sollst du dein Land besäen und seine Früchte einsammeln. Aber im siebenten Jahr sollst du es ruhen und brach liegen lassen, dass die Armen unter deinem Volk davon essen; und was übrig bleibt, mag das Wild auf dem Felde fressen. Ebenso sollst du es halten mit deinem Weinberg und deinen Ölbäumen.» Jules Rampini betont, dass die Fastenzeit einen Zeitrahmen biete, sich mit eben solchen Gedanken entschleunigt auseinanderzusetzen. «Noch schöner ist es, wenn man diese Reflexion über die Fastenzeit hinaus mitnehmen kann.» Und so den Alltag besinnlicher gestalten – zum Wohle aller.

Ich will auf einer Welt leben, auf der alle gesund und glücklich leben dürfen.
Jules Rampini
Theologe, Biobauer, Luthern

«Fasten ist mehr als Verzicht»
«Ich habe die Fasnacht genossen. Farbenpracht, Fröhlichkeit und Freundschaften pflegen – das zeichnet die fünfte Jahreszeit aus», sagt Urs Purtschert (51), seit 2019 Religionslehrer bei der Katholischen Kirche Willisau, wohnhaft in Schötz. «Doch ebenso gross war meine Vorfreude auf die Fastenzeit.» Wieso? «Die sechswöchige Periode schafft den Raum für das bewusste Innehalten.» Dann nehme er sich Zeit für Dinge, die er sonst vor sich herschiebe. Dazu gehört laut Urs Purtschert das Fasten oder wie er lieber ausdrückt: «die bewusste Ernährung». Er verzichte zwischen Aschermittwoch und Karfreitag auf Alkohol – das Feierabendbier am Stammtisch entfällt damit. «Nach der trinkfreudigen Fasnacht ist dies immer eine spezielle Herausforderung.» Gewohnte Pfade zu verlassen, sei nicht einfach. «Doch den Alkohol-Verzicht zu meistern, sorgt für Zufriedenheit, fast ein wenig Stolz.» Auch sein Fleischkonsum hat er auf ein bis zwei Mal pro Woche reduziert. «Mir gefällt es, Alternativen auf dem Teller kennenzulernen, neue Genusserfahrungen zu machen.» Denn das Fasten sei weit mehr als «blosses Verzichten», hält der Religionslehrer mit Nachdruck fest. «Ich nehme mir in dieser ungewöhnlichen Zeitspanne auch Time-outs, um etwa ein Buch zu lesen oder einen Brief handschriftlich zu verfassen.» Weiter beteilige er sich auch «an Aktivitäten zum Buch der Bücher», sagt Urs Purtschert. «Mit meinem Kollegen Beat Frei lade ich im Pfarreizentrum zum Bibeldialog ein. Wir tauschen uns in lockerer Runde zu ausgewählten Bibelstellen aus.» Oftmals, so Purtschert, werde ins Feld geführt, Fasten sei wegen dieser oder jener beruflichen Herausforderungen schlecht möglich, mache launisch oder gefährde die Leistungsfähigkeit. «Nach mehrjähriger Erfahrung weiss ich: Es lässt sich fasten ohne grosse Einbussen. Voraussetzung sind aber die Bereitschaft, der Wille, dazu.» Urs Purtschert: «Fasten ist ein Training für Geist und Seele.» Ein Ritual, das zum Jahresrhythmus gehöre. «Je näher das Osterfest kommt, desto grösser ist meine Vorfreude auf den Lammrücken und den edlen Tropfen.»

Fasten ist ein Training für Geist und Seele.
Urs Purtschert
Religionslehrer, Schötz

 

 

Umfrage von Ramon Juchli, Norbert Bossart und Chantal Bossard

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