Zum Wohle der Zauneidechsen

Die Zauneidechsen sollen gefördert werden. Im Rahmen eines Projekts der Albert Koechlin Stiftung werden die Lebensräume des Reptils gezielt aufgewertet – auch bei uns im Hinterland. Wie? Der WB war für einen Augenschein beim Willisauer Landwirt Urs Zemp. 

Agronom Georges Müller (links) auf dem Rundgang mit Landwirt Urs Zemp. Fotos Chantal Bossard
Chantal  Bossard

Stockmatt, Willisau. «Zibu» will nicht aufhören zu bellen. Der Hofhund rennt aufgeregt hin und her. «So, ruhig jetzt», befielt ihm Urs Zemp. Der Landwirt streicht seinem Hund über den Kopf. Gerade hat sich der Vierbeiner etwas beruhigt, kommt Georges Müller um die Ecke gebogen. Auch er wird mit freudigem Kläffen dazu aufgefordert, den Hofhund zu streicheln. Als Zibu schliesslich verstummt, wenden die beiden Männer ihre Aufmerksamkeit von der einen zur anderen tierischen Angelegenheit. Ohne Fell und Gebell: die Zauneidechse. Klein. Versteckt. Bedroht.

Fördergebiet Hinterland
Die meisten einheimischen Reptilien sind mehr oder weniger stark gefährdet: Nicht weniger als elf von vierzehn Arten stehen auf der roten Liste. Unter ihnen ist auch die Zauneidechse. Eigentlich ist diese meist im Verborgenen lebende Eidechse mit den auffälligen Augenflecken bei uns seit der Eiszeit heimisch. Doch obwohl das Tier seit 1967 geschützt ist, nimmt sein Bestand laufend ab. Seit einigen Jahren gibt die Luzerner Albert Koechlin Stiftung AKS mit einem gros­sen Projekt Gegensteuer und fördert die Zauneidechse in der Innerschweiz. Dies, indem heute noch bestehende Lebensräume erhalten, erweitert und besser miteinander vernetzt werden. Dabei gehören zahlreiche Plätze in der WB-Re­gion zu ausgewähltem Fördergebiet, wie ein Blick auf die Projekt-Webseite www.zauneidechse.ch zeigt: Aufgeführt werden Dagmersellen, Altishofen, Nebikon, Luthern, Ufhusen, die Wauwiler­ebene, Willisau, Hergiswil, Gettnau und Zell. Letztere vier Gemeinden werden vom Willisauer Agronomen Georges Müller und dem Grosswanger Biologen Pius Häfliger betreut. Zusammen bilden sie die Arbeitsgemeinschaft «Natur und Landschaft». Seit Mai 2018 sind in der Region unter ihrer Anleitung und Aufsicht so einige Kleinstrukturen für Zaun­eidechsen geschaffen worden. Relativ augenfällig präsentieren sich Massnahmen etwa entlang der Luther, wo einige Anstösser Hand angelegt haben oder beim Sportzentrum Willisau, wo so einige Strukturen entstanden sind. Oder eben: hier, bei Urs Zemp. «Ich finde die Zaun­eidechsen sympathische Tierchen», begründet Zemp sein Mitwirken bei dem Projekt. Georges Müller und Urs Zemp sind Nachbarn. Trotzdem läuft die Teilnahme am Projekt formell über ein Gesuch bei der Albert Koechlin Stiftung ab. Dass die Gegend Stockmatt bei den Eidechsen beliebt ist, wissen bereits die Junioren Zemps: Die beiden Buben hielten die Reptilien schon öfters mit der Kamera fest. «Georges zeigte mir auf, welche Massnahmen ich umsetzen muss, um den Zauneidechsen das Überleben zu erleichtern», sagt Zemp. Zusammen erarbeiteten sie einen Massnahmenplan. «Heute wird geschaut, was sich alles umsetzen liess», sagt Müller. Er schaut auf die Karte in seinen Händen. Mit farbigen Nummern hat er markiert, welche Ecken des Grundstücks es zu kontrollieren gibt. Als erstes steuert er den steilen Hang links neben dem Hof an.

Die getroffenen Massnahmen
«Dieser Südhang ist ein Paradies für die wärmeliebenden Eidechsen», sagt Müller. Zudem würde die offene, erdige Struktur des Geländes viele Insekten anlocken – Beute für die Eidechsen. «Doch anderseits bedeutet ein offenes Gelände auch fehlender Schutz vor Raubvögeln.» Deshalb hat Urs Zemp am Rand des Hangs etliche Asthaufen errichtet. «Diese dienen optimal als Versteck, Unterschlupf und Überwinterung.» Dafür eignen sich auch Stein­haufen, wie Urs Zemp ihn oberhalb des Südhangs in einer offenen Mulde errichtet hat. Daneben hat er noch eine Astbeige gemacht. Georges Müller erklärt, dass man heute im Wissen darüber, dass Steinhaufen häufig auch von den nicht einheimischen Mauer­eidechsen besetzt würden, vermehrt auf Holz setze. «Doch werden sie nicht von der Mauereidechse verdrängt, so ist ein solcher Steinhaufen auch für die Zauneidechsen gut.» Der Agronom stellt nur ein einziges Manko fest: Noch fehlt hier ein Sandhaufen. Denn Sandhaufen oder gut besonnte, sandige Bodenstrukturen sind optimal geeignet für Eiergelege. Für das Tier von grosser Bedeutung, denn es brütet seine Eier nicht selbst aus, sondern lässt die Wärme der Sonne diese Arbeit tun. «Wird erledigt», sagt Zemp. Und weiter gehts.

Vorbei an toten Bäumen – «wertvoll für viele Käfer», an grossen Eichen – «Nahrung und Lebensraum für unzählige Insektenarten und vielen weiteren Asthaufen – «geschätzt von vielen Tieren, ob Igel oder Echse». Schliesslich ist der Rundgang zu Ende. Georges Müller ist zufrieden – alle Abmachungen wurden erfüllt. Für sein Engagement wird Urs Zemp belohnt: Gut 2000 Franken erhält er für die Massnahmen, die er getroffen hat. «Das ist ein grosszügiger Lohn der Albert Köchlin Stiftung, welcher ich zu schätzen weiss», sagt Zemp. Der Betrag erhält er einmalig. «Wir sind jedoch zuversichtlich, dass die Massnahmen auch nach Überweisung des Geldes noch Bestand haben», sagt Müller. Für Urs Zemp ist das keine Frage. «Ich habe sogar Spass an der Sache bekommen.» Grund: «Mit wenigen Massnahmen lässt sich viel erreichen.» Die Zauneidechsen sind Grenzgänger. Ihren Lebensraum finden sie im Übergangsgebiet zwischen Wald und Offenland, in Heckensäumen, an Wiesenböschungen und Ackerrändern. Ebenso entlang von Strassen, Eisenbahnlinien und Flussufern. Wichtig für die Zauneidechse sind ungenutzte Flächen wie Brachland und Streifen von Altgras. Bereits mit dem Anlegen von neuen Wurzelstock-Sandhaufen, Asthaufen, niedrigen Hecken oder Altgrasstreifen kann man also die Lebensbedingungen für Zauneidechsen verbessern. Wenn es so einfach ist – wieso werden solche Massnahmen dann nicht vermehrt gemacht? «Den meisten Leuten fehlt oft das Bewusstsein», erklärt Georges Müller. Heute müsse alles rausgeputzt und ordentlich sein. Ein unaufgeräumter Asthaufen? Ein toter Baum? «Für viele schwierig.» Dabei wäre all das so wertvoll. «Mehr und mehr wird die Natur durch unsere Ordnungslust – manchmal sogar Wut – zurückgedrängt. Und mit ihr auch viele Tiere wie etwa die Zauneidechse.»

Weniger aufräumen
Stockmatt, Willisau. Georges Müller ist ein paar hundert Meter vor dem Hof abgebogen, rauf zu seinem Zuhause. Urs Zemp seinerseits wird mit lautem Bellen begrüsst. «Zibu» hat auf ihn gewartet. Bald bekommt er wieder die ganze Aufmerksamkeit. Urs Zemp hat nur noch eine Frage zu beantworten: Welches Fazit zieht er aus dem Zauneidechsen-Projekt der Albert Köchlin Stiftung? «Weniger aufräumen sollen wir», sagt er und lacht. Äste vor Ort liegen lassen oder einen alten Baumstrunk nicht entfernen. «Man erspart sich Arbeit – und tut dabei noch Gutes.»

Chantal Bossard

Ende April 2021 ist für Landwirte der letzter Eingabetermin für Drittprojekte bei der Albert Koechlin Stiftung.

 

Die Dinosaurier im Miniformat

Zauneidechsen sind eigentlich unverwechselbar: Keine andere Eidechsenart in der Deutschschweiz strahlt während der Paarungszeit in einem vergleichbaren Grün. Schon Jungtiere tragen die hübschen, für diese Art typischen Augenflecken. Mit ihrem kräftigen Körperbau und dem etwas überproportional grossen Kopf erinnern die Tiere an Dinosaurier im Miniformat. Damit Sie in Zukunft eine Zauneidechse identifizieren können, hier einige Merkmale:

  • Die Zauneidechse ist gross und kräftig, wirkt aber eher plump. Sie hat kurze Beine. Ihre Gesamtlänge misst bis zu 22 Zentimeter.
  • Der Schwanz macht knapp die Hälfte der gesamten Körperlänge aus.
  • Der Kopf ist proportional zum Körper sehr gross und deutlich vom Rumpf abgesetzt. Die Schnauze ist stumpf.
  • Männchen haben im Frühjahr und Frühsommer leuchtend grüne Flanken und Beine. Kopfoberseite, Rücken und Schwanz bleiben aber immer braun. Im Spätsommer und Herbst verblasst die Grünfärbung. Höchstens der Kehlbereich ist jetzt noch grünlich-gelb gefärbt. Weibchen bleiben immer ohne Grünfärbung. Allenfalls ist die Kehle grünlich-gelb, ansonsten weisen sie eine braune Grundfärbung mit dunklen und hellen Flecken auf. Jungtiere sind ähnlich gefärbt wie die Weibchen.
  • Charakteristisch für alle Tiere – Männchen, Weibchen und Jungtiere – sind fast immer die auffälligen Augenflecken: dies sind grosse, dunkle Flecken, vor allem im Flankenbereich. Im Kern oder am Rand sind sie weiss aufgehellt, bei Männchen in Prachtfärbung hellgrün.

zauneidechse.ch

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