«Wir müssen heute für morgen vorsorgen»

Im Alters- und Pflegezentrum Waldruh wurde am Mittwoch ein «Campus» eingeweiht (siehe Kasten). Im Gespräch mit dem WB verrät Geschäftsführer Gregor Kaufmann, wieso es wichtig ist, solche Anreize für den Pflegeberuf zu schaffen.

«Der Mangel an Fachkräften beschäftigt die Branche schon seit längerer Zeit. Rezepte dagegen zu finden, bleibt schwierig», sagt Gregor Kaufmann, Geschäftsführer des Alters- und Pflegezentrums Waldruh Willisau. Foto Chantal Bossard
Chantal  Bossard

Das Alters- und Pflegezentrum Waldruh eröffnete am Mittwoch einen «Campus». Was kann man sich darunter vorstellen?
Gregor Kaufmann: Der Campus Wald­ruh ist ein Projekt, welches unserem dualen Bildungssystem Rechnung tragen und dieses fördern soll.

Das heisst konkret?
Wir haben für unsere Lernenden eine herzliche Umgebung geschaffen, wo sie sich wohlfühlen. Es ist dies ein grosser Raum, wo gemeinsam gelernt, Pflegesituationen geübt, gegessen und gechillt werden kann. Der Raum ist einem Bewohnerzimmer mit einem Pflegebett nachgebaut. Dies ermöglicht eine realitätsnahe Übungssituation. Weiter sind im Raum modulare Tische, eine Küche, ein digitales Whiteboard (siehe Kasten «Eine Eröffnungsfeier der besonderen Art»). Die Lernenden und deren Verantwortliche haben massgebend an der Realisierung des Raums mitgearbeitet: Sie haben die Ausstattung ausgewählt und die Rahmenbedingungen bestimmt. Es ist ihr Projekt. Der Raum steht nun allen Personen in Ausbildung bei der «Waldruh» und der Spitex Region Willisau zur Verfügung – vom Koch, über die Kauffrau bis hin zu den Pflegerinnen.

So wird auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit gefördert.
Richtig. Dann erfährt etwa der Lernende in der Hauswirtschaft, was aktuell in der Pflegeabteilung ausgebildet wird und umgekehrt. Das stärkt Verständnis untereinander – und somit das Betriebsklima. Alle zwei Wochen findet eine sogenannte «Lernbuddy-Session» statt, wo die unterschiedlichsten Lernenden zusammenkommen und aus den verschiedenen Bereichen ein Thema oder Modell durch die Lernenden vorgestellt wird. Auch ein Mitglied der Geschäftsleitung ist nach Möglichkeit mit dabei.  

Naiv gefragt: wieso dieser Aufwand?
Ich hole etwas aus: Ich bin gelernter Polymechaniker und leite heute einen grossen Betrieb mit circa 150 Arbeitsplätzen. Studiert? Habe ich erst im Anschluss an meine Lehre. Das ist die grosse Chance unseres Bildungssystems: Egal welchen Berufsweg man wählt, mit Ehrgeiz und Disziplin kann man sich an – fast – jede Stelle hocharbeiten. Eine Lehre ist dabei eine super Grundausbildung – und genau das geht heute oft vergessen. Es gibt nicht nur den Weg über die Matura mit anschlies­sendem Studium. Sondern gerade die Kombination aus Theorie und Praxis – Stichwort duales Bildungssystem – ist das Schweizer Erfolgsmodell, um das wir von vielen Ländern beneidet werden. Unserer Gesellschaft braucht praktisch veranlagte Leute mit fundiertem theoretischem Wissen. Deshalb ist es mir ein Anliegen, die Leistung unserer Lernenden gebührend anzuerkennen. Dies geschieht natürlich auch im Interesse der «Waldruh»...

... weil jedes Alters- und Pflegezentrum auf genügend Nachwuchs im Pflege- und Hotelleriebereich angewiesen ist.
Definitiv, es geht nicht ohne. Der Mangel an Fachkräften beschäftigt die Branche schon seit längerer Zeit. Rezepte dagegen zu finden, bleibt schwierig, weil oft gegen einen unbegründet schlechten Ruf gekämpft werden muss.

Der Ruf kommt nicht von ungefähr: Überstunden, unflexible Arbeitszeiten und unbefriedigende Bezahlung sind Auslöser dafür. Was macht die «Waldruh» dagegen?
Bei uns herrscht ein äusserst positives Betriebsklima. Ich kann aufrichtig sagen: Unsere Mitarbeitenden kommen gerne zur Arbeit und haben ihr Herz am rechten Fleck. Wir setzen viele kleine Zeichen der Wertschätzung, etwa, dass alle Angestellten an ihrem Geburtstag einen Tag frei bekommen – bezahlt. Zudem sind unsere Hierarchien flach, es wird nicht von oben nach unten «regiert». Im Gegenteil: Alle sind auf Augenhöhe, die Mitarbeitenden werden stark miteinbezogen. Unser Slogan «Herzlich – Professionell – Individuell» beinhaltet keine leeren Worte. Der «Campus Waldruh» ist das beste Beispiel dafür.

Sie sind Mitglied der Arbeitsgruppe, welche sich mit der zukünftigen Angebotsstrategie der Willisauer Altersinstitutionen auseinandersetzt. Auf welche Altersfragen fand die Gruppe bereits Antworten?
Wir sind bei vielen Punkten auf gutem Weg – vor allem auch deshalb, weil wir zusammen arbeiten. Gemeinsam mit der Stadt Willisau und der Spitex Region Willisau hat das APZ Waldruh Ziele definiert, welche die künftige Gestaltung des Angebotes für Menschen im Alter festgelegen. Dabei soll über alle Institutionen hinweggedacht, sollen Doppelspurigkeiten eliminiert und fehlende Angebote ergänzt werden. Konkurrenzsituationen werden so verhindert. Die Tätigkeit unserer Arbeitsgruppe richtet sich nach der gemeinsam erarbeiteten Vision: «Die älteren Menschen haben heute und in Zukunft noch vermehrt das Bedürfnis, Leistungen zu beziehen, die ihrem individuellen, aktuellen Bedürfnis entsprechen.»

Heisst: Die Ansprüche an die Branche werden nicht weniger.
Nein, im Gegenteil: Die Anforderungen von Betagten und deren Angehörigen steigen stetig. Die Kundinnen und Kunden wollen modular und individuell das beziehen, was sie brauchen zu dem Zeitpunkt, den sie bestimmen. Die geänderten Bedürfnisse entsprechen einer Veränderung in der gesamten Gesellschaft. Die Aufenthaltsdauer im vollstationären Bereich reduziert sich und die Komplexität der Pflege- und Betreuungssituationen steigt, dafür nimmt die Nachfrage nach individueller Betreuung zu.

Das bedeutet auch: Pflegerinnen und Pfleger bleiben gefordert.
Ja. Und damit wir künftig der Nachfrage gerecht werden können, müssen wir schon heute für morgen vorsorgen. Bedeutet: Einerseits den motivierten Nachwuchs in der Branche behalten. Und anderseits Quereinsteigerinnen oder -einsteiger rekrutieren und entsprechend ausbilden.

Und wie soll das gelingen?
Indem wir immer wieder deutlich machen, wie wichtig und wertvoll unsere Berufe sind. Es gibt nicht viele Berufe mit einem so grossen Gestaltungsfreiraum wo Herzlichkeit, Professionalität und Individualität ihren festen Platz haben.

 

 

Eine Eröffnungsfeier der besonderen Art

Am Mittwoch, 28. Juni, wurde der neu eingerichtete «Campus» in der Waldruh gemeinsam mit den Lernenden und ihren Eltern sowie den Berufsbildnern feierlich eröffnet.

Gregor Kaufmann, Geschäftsführer der Waldruh, hiess alle Anwesenden zur feierlichen Eröffnung vom Campus herzlich willkommen. In einem ersten Teil fand eine Elterninformation statt. Der Geschäftsführer nutzte die Gelegenheit und bedankte sich bei den Familien der Lernenden für die grossartige Unterstützung während der anspruchsvollen Ausbildungszeit. «Sie machen es möglich, dass ihre Kinder eine der wohl schönsten Zeit ihres Lebens erleben dürfen», sagte er. Im Anschluss war der grosse Moment gekommen und die an der Eingangstüre vom Campus angebrachten Eröffnungsbänder wurden von den Lernenden aus den Bereichen technischer Dienst, der Pflege und aus der Küche durchgeschnitten. Der Campus wurde somit offiziell eröffnet und feierlich eingeweiht. Mit einem guten Tropfen wurde auf diesen besonderen Moment angestossen. Leckere Apéro-Häppchen, kreiert von der hauseigenen Küche, durften dabei selbstverständlich auch nicht fehlen.

Eine moderne Lern-Oase
Hoch über den Dächern von Willisau, mit einem wunderbaren Weitblick, ist der Campus nun fester Bestandteil in der Ausbildungskompetenz der Wald­ruh. Die Inneneinrichtung wurde explizit nach den Bedürfnissen der Lernenden ausgestattet. Auf dem Samsung-Flip-Whiteboard mit Touchfunktion, gesponsert von Adrian Wangeler (Bild+Ton AG), können die Lernenden ihre Theorieaufgaben gemeinsam besprechen und lösen sowie PowerPoint-Vorträge über ausbildungsrelevante Themen halten. Zudem können sie aus der kleinen Bibliothek vor Ort ihr fachspezifisches Wissen vertiefen und erweitern. Für die praktischen Übungssituationen wurde ein Bett mit Nachttisch und Sitzgruppe im Campus platziert. Hier können die Lernenden, neben vielen anderen Praxis-Themen, die Stütz- und Hebegriffe erlernen und üben. «Zukünftig können unsere Auszubildenden hier ungestört lernen, chillen, sich austauschen und sich auf ihre Prüfungen vorbereiten», so Kaufmann. In einem weiteren Schritt wird der Campus auch den Lernenden der Spitex Region Willisau zur Verfügung stehen. Somit können vorhandene Ressourcen regional genutzt werden. AK

Die Lernenden Hadi Alizada (aus dem technischen Dienst), Elio Kaufmann (aus der Pflege) und Anwar Barbaros (aus der Gastronomie) durchschneiden das Eröffnungsband.
Heidi Strahm, Ausbildungsverantwortliche HF, überreicht im Namen aller Lernenden ein Geschenk als Dankeschön an den Geschäftsführer Gregor Kaufmann.
Alle Anwesenden stossen beim Apéro auf die Neueröffnung des Campus an.
Ein Lernender aus dem Bereich Pflege präsentiert sein selbst gedrehtes Video aus seinem Ausbildungsalltag auf dem neuen Samsung-Flip.

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