Gemeinsam eine Kirche bauen

Zum 200-jährigen Jubiläum der Pfarrkirche lädt Künstler Edwin Grüter zum gemeinsamen Bauen ein. Seine Installation aus 20 Kartonschachteln bringt Farbe und Spielfreude in die ehrwürdigen Mauern.

Künstler Edwin Grüter vor seiner farbenfrohen Installation in der Pfarrkirche Willisau. Foto Ramon Juchli
Ramon Juchli

 

20 Kartonschachteln stapeln sich. Drei Meter breit und zwei Meter hoch. Auf der Vorderseite der Schachteln strahlen die Konturen der Pfarrkirche Willisau in Weiss auf dem siebenfarbigen Hintergrund. Dieses Puzzle in 3D steht in der Kirche Peter und Paul, rechts vor dem Altar. Geschaffen hat es der Willisauer Künstler Edwin Grüter, in seinem Atelier in der Chilegass, gut 100 Meter vom nun 200-jährigen Gotteshaus entfernt.

Der Gemeindeleiter Andreas Wissmiller und die Kirchenratspräsidentin Evelyne Huber-Affentranger haben Grüter im letzten Herbst eingeladen, einen künstlerischen Beitrag zum diesjährigen Jubiläum zu leisten. Gut vier Monate hat er an seiner Installation getüftelt, bis er sie im März der Kirchgemeinde übergab. «Steine des Anstosses» heisst die Arbeit. Das Farbschema, das Sujet, die Statik der Schachteln: Alles sollte genau passen. «Ich bin nicht so schnell zufrieden», sagt Edwin Grüter. Nun aber sei er stolz auf sein neustes Werk, das bis im Juni den Kircheninnenraum beleben soll.

 

Ein ausgeklügeltes Konzept

Sofort stechen die satten Farben ins Auge. Diese entsprechen den «liturgischen Farben», welche etwa an der Kleidung der Priester und Pfarreiseelsorgenden die kirchlichen Feste signalisieren. Blau steht für die Feiertage, die Maria gewidmet sind, Violett wird in der Fastenzeit getragen, Weiss an den höchsten Festen wie Ostern und Weihnachten, und so weiter.

Die Kontur der Kirche ist nicht in Weiss gemalt, sondern ausgespart. In Präzisionsarbeit hat Edwin Grüter mit Acrylfarbe entlang der geschwungenen und kantigen Linien des Sujets gemalt. Dieses basiert auf einem Foto, das Grüter selbst geschossen hat. Es zeigt die Kirche aus Sicht des Parkplatzes in der Hauptgasse, direkt vor der grossen Treppe. Diese Perspektive werde auf den Schachteln nicht exakt wiedergegeben. «Dadurch erhält das Bild etwas vom Charakter einer Kinderzeichnung», sagt Edwin Grüter.

Kinder sind auch ein wichtiger Teil des Zielpublikums. Mit den Kartonschachteln soll fleissig hantiert werden, immer mittwochs am Nachmittag, 14 bis 16 Uhr, und nach dem 10-Uhr-Gottesdienst am Sonntag. «Damit auch Kinder fleissig stapeln und die Schachteln neu arrangieren können, dürfen diese nicht zu schwer sein», so Grüter. Die Kartonquader wurden darum für das Kunstwerk massgefertigt. Eine Produktionsstätte in der Ostschweiz lieferte das Material. «Diese Schachteln sind perfekt: Sie sind leicht, trotzdem von stattlicher Grösse und bleiben stabil stehen.» Anfänglich sollten es 200 Schachteln werden, eine für jedes «Lebensjahr» der Kirche. Aus praktischen Gründen sind es nun 20 geworden, eine für jedes Jahrzehnt. Etwas mehr Stück wurden produziert – schliesslich brauchte Grüter noch Material zum Ausprobieren.

Zwei Bekannte von Edwin Grüter versuchen die Ordnung der Schachteln wiederherzustellen, damit das Bild der Kirche auf der Vorderseite wieder sichtbar wird. Foto Ramon Juchli

Ein vergängliches Projekt mit bleibender Wirkung

Die Rückmeldungen stimmen Edwn Grüter positiv: «Ich durfte ein begeistertes Echo vernehmen», sagt er. Das Hantieren mit den Schachteln sei ein Spass für Gross und Klein. Die Kinder liessen sich gerne auffordern, die Würfel neu anzuordnen. Erwachsene brauchten etwas mehr Ermutigung, um das Kunstwerk auseinander zu nehmen. Das Ziel ist es, die Schachteln wieder korrekt zu stapeln. Doch auf dem Weg dazu entstehen auch neue Anordnungen. Edwin Grüter sagt: «Für mich ist das Bild mindestens genau so schön, wenn die Schachteln ganz zufällig zusammengestellt sind.»

Die Installation bleibt noch bis am 12. Juni in der Pfarrkirche stehen. Im Rahmen des Jubiläumsgottesdienstes der Kirche findet dann auch eine Finissage statt. Zu diesem Anlass können einzelne Würfel für 50 Franken pro Stück erstanden werden. Das Geld sammelt die Pfarrei für einen guten Zweck: Der Erlös geht an die Schwesterpfarrei Bondolfi in Masvingo, Simbabwe.

Edwin Grüter ist sich gewohnt, dass seine Kunstwerke vergehen. Mit temporären Installationen machte er sich seit den 80er-Jahren in der Zentralschweiz und darüber hinaus einen Namen. Aber die Installation in der Pfarrkirche wird noch länger nachhallen. «Denn so dürfen wir hautnah erleben, dass wir alle gemeinsam an der Kirche bauen – wie wir uns auch in der Pfarrei und der Gemeinde alle einbringen können.»

 

Die Installation «Steine des Anstosses» von Edwin Grüter ist in der Pfarrkirche Peter und Paul, Willisau, durchgehend zu sehen. Die Installation kann nur unter Anleitung einer Betreuungsperson zusammengestellt werden, und zwar jeweils  Mittwoch und Samstag von 14 bis 16 Uhr und am Sonntag nach dem 10-Uhr-Gottesdienst. Weisse Handschuhe liegen bereit, um an der bunten Kirche mit aufmerksamen Händen mitzubauen. Am Samstag, 4. Juni, ist der Künstler von 14 bis 16 Uhr selbst anwesend. Am Sonntag, 12. Juni, ist die Arbeit an der 200-Jahre-Jubiläumsfeier der Kirche zum letzten Mal zu sehen.

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