Der Beginn einer neuen Gärten-Ära

Sie gehören seit 100 Jahren zu Willisau: die Familiengärten in den Bünten. Nun hat die Korporation an dieser Stelle eine Überbauung mit Mietwohnungen geplant. Die Gärten ziehen in die Käppelimatt um. Der WB war bei der «Züglete» vor Ort.

Auch die Garten-Häuschen werden von der Bünte in die Käppelimatt gezügelt – ganz vorsichtig, denn einige der Häuschen sind bereits etwas baufällig.  Fotos Chantal Bossard
WB Reporter

Das Holz ist morsch. Die Fäulnis hat sich bis in die Mitte der einst strammen Holzlatte des Gartenhäuschens gefressen, Stücke brechen weg. «Der Zahn der Zeit hat genagt», sagt Fritz Löble, als er die Planke mit einer Hacke unter einem Geröllhaufen hervorzieht. Mit erstaunlich viel Kraft hievt der 77-Jährige das massive Stück hoch, um es kurz darauf in einem der orange-gelben Container zu entsorgen. «Die Veränderung, ja die Veränderung.» Sagt Fritz Löble und dreht sich mit ausgestreckten Armen einmal um sich selbst, zeigt auf braches Land. «Trauben, Tomaten, Nüsslisalat, und vieles mehr habe ich angebaut.» 15 Jahre lang habe er hier gewirkt, in den berühmten «Bünten»-Familiengärten, hinter dem Willisauer Bezirksgericht. «Besser als jedes Fitnessstudio», sei diese Gartenarbeit gewesen. «Und bei getaner Arbeit gab es dann noch ein Bier und einen Schwatz mit dem einen oder anderen.» Etwas Wehmut schwingt in seiner Stimme mit. Verständlich, denn: Für Fritz Löble geht diese Ära nun zu Ende.

Fritz Löble entsorgt das morsche Holz von seinen Beeten in den Bünten. Es ist das Ende einer Ära für ihn: Von nun an betreibt der 77-Jährige keinen Garten mehr.

Eine Alternative gesucht

Die Gärten in den Bünten müssen weichen. Auf diesem Areal plant die Korporation Stadt Willisau nämlich ein Mehrfamilienhaus. «Somit haben die Beete dort leider keine Zukunft mehr», hält Pirmin Trachsel, Projektleiter «Neue Gärten» der Korporation Willisau, auf WB-Nachfrage fest. Ein hundertjähriger Brauch geht damit zu Ende: Die ersten Beete wurden in den Bünten bereits 1922 bepflanzt. 1978 wurde dann der Verein Gartenfreunde gegründet, der in Spitzenzeiten über 40 Gartenparzellen bewirtschaftete und 420 Mitglieder verzeichnete. Heute sind es noch deren 34. Grund für den Schwund ist unter anderem auch die schrumpfende Grünfläche: Durch den Bau des Bezirksgerichts, des Ärztezentrums und der Wohnblöcke wurde der Platz zum Gärtnern in den letzten Jahren stets kleiner.

Gartenfreunde räumen wortwörtlich "das Feld".

Kein Platz mehr in den Bünten bedeutet aber nicht das Ende der Familiengärten: «Die Korporation will eine Weiterführung der langen Tradition ermöglichen», so Pirmin Trachsel. «Ich bin von der Passion und der offensichtlichen Verbundenheit der Gartenfreunde mit Natur und Metier stark beeindruckt.» Deshalb habe die Korporation für den übrig gebliebenen «harten Kern» des Vereins eine Alternative gesucht. Und gefunden: In der Willisauer Käppelimatt stellt die Korporation 1500 Quadratmeter Land zur Verfügung. Das reicht für zwölf Gartenparzellen mit insgesamt 96 Gemüsebeeten und fünf Parkplätzen, zwei Wasserbrunnen und einem Lattenzaun. Für die Nutzung gibt es zeitlich keine Beschränkung. Den Aufwand für die Erstellung der neuen Anlage und der Umzug von Willisau-Ost nach Willisau-West übernimmt komplett die Korporation Stadt Willisau.

Gartenhäuschen zügeln

In den Bünten fährt ein Traktor der Korporation Willisau vor. Die hölzernen Gartenhüsli der Vereinsmitglieder werden in die Käppelimatt chauffiert. «Eine knifflige Angelegenheit, da viele Häuschen schon irgendwo etwas baufällig sind», berichtet Klaus Marti, Vorstandsmitglied der Gartenfreunde. Tatsächlich müssen die beiden Forstmitarbeiter viel Sorgfalt dafür aufwenden, das Häuschen mit den Spanngurten am Kran zu befestigen, zu heben und schliesslich behutsam wieder auf dem Anhänger abzusetzen. Zum Abladen geht es an den neuen Standort, nach Willisau-West, in die Käppelimatt.

Beim Abladen in der Käppelimatt. Foto Klaus Marti

Sie wirkte 50 Jahre in den Bünten

Dort haben Edith Spiess, Präsidentin des Vereins Gartenfreunde, und ihr Mann Aldor Spiess, bereits ganze Arbeit geleistet: Die Sommer- und Herbst-Himbeer-Stauden sind gesetzt, ebenso die Rosensträuche und vieles mehr, das noch unter der Erde auf seine Zeit wartet. Aldor Spiess montiert die Fenster ihres Gartenhäuschens, welches bereits am Vortag gezügelt wurde. Edith Spiess pflanzt Salatsetzlinge in das kleine «Treibhaus» am Ende ihrer Beete. «Es soll ja jetzt wieder kälter werden, deshalb kommen die Salate hier rein.» Von Hand gräbt die 72-Jährige die Löcher, in die sie vor dem Anpflanzen schon mal etwas Wasser füllt. «Das ist ein guter Trick, wenn man verhindern will, dass die Wurzeln verklumpen», erklärt Spiess mit einem Augenzwinkern. Und sie muss es wissen: Seit Kindsbeinen steht sie im Garten, zuerst in jenem der Mutter, danach hatte sie ihr eigenes Reich – in den Willisauer Bünten. 50 Jahre lang habe ich da gewirkt, erzählt sie. Zeitweise liefen 44 Beete unter ihrem Namen, wobei sie einige davon noch «untervermietet» hatte. Ein eigener Garten: Der gehört für Edith Spiess «einfach dazu». Sie sagt: «Grabe ich in der Erde, vergesse ich die Zeit.»

Edith Spiess, Präsidentin des Vereins Gartenfreunde, pflanzt am neuen Standort in der Käppelimatt bereits wieder fleissig an.

Ob das jetzt in den Bünten oder in der Käppelimatt ist, das spiele ihr grundsätzlich keine Rolle. «Klar bin ich nach so vielen Jahren etwas melancholisch, die Bünten zu verlassen.» Auch von Anwohnern vor Ort habe sie erfahren, dass sie den Blick auf die blühende Fläche und die Gespräche mit den Gartenfreunden stets genossen hätten. «Dieser Austausch wird nun fehlen», so Spiess. Dafür sei man hier mitten in der Natur, hält sie mit Blick über den Gartenzaun hinweg fest. «Es ist definitiv idyllischer.» Die Vereinspräsidentin hat sich stark für eine neue Anlage eingesetzt. «Nun bin ich zufrieden, dass die Korporation ihr Versprechen gehalten hat», sagt sie. «Die Zusammenarbeit – gerade auch jetzt mit dem Umzug – hat wirklich super geklappt.»

Aldor Spiess montiert die Fenster des Gartenhäuschens.

Den Platz anderen überlassen

«Es ist grosszügig von der Korporation, dass den Gartenfreunden erneut Land zur Verfügung gestellt wird», lobt auch Fritz Löble, der seine Beete in den Bünten mittlerweile vollständig geräumt hat. Trotzdem werde er am neuen Standort nichts mehr anbauen. «Ich überlasse den Platz lieber jemand anderem, für mich lohnt sich dieser Zügel-Aufwand nicht mehr», sagt er. Und fügt lachend hinzu: «Wie am Holz, so nagt schliesslich auch an uns das Alter.» Der Zahn der Zeit.

 

von Chantal Bossard

Brache Fläche, wo einst die Familiengärten blühten. 

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.