«Dieses Album ist ein Statement»

Am Freitag, 26. März, veröffentlicht die gebürtige Willisauerin Nadja Limacher, alias Anna Mae, ihr Debut-Album «Out Of The Woods». Wieso dieses für die Künstlerin bedeutet, dass sie endlich «über dem Berg ist» − das verrät sie dem WB im Interview.

Nadja Limacher alias Anna Mae veröffentlicht heute mit «Out Of The Woods» ihre erste CD. Fotos Justine Rutz
Chantal  Bossard

Mit «Out Of The Woods» erscheint am Freitag dein erstes Album. Was ist das für ein Gefühl?
Ich bin aufgeregt. Und ich freue mich riesig! Der Weg bis hierhin war lang und nicht immer einfach. Umso schöner ist es, nun der «Welt» mein erstes Album präsentieren zu dürfen. In diesem steckt viel Herzblut − und jahrelange Arbeit.

Jahrelang?
Seit über zehn Jahren schreibe ich Songs. Auf dem neuen Album ist eine Auswahl davon zu hören. Mit dem Songwriting ist die Arbeit natürlich noch lange nicht getan/beendet. Stehen die Lyrics und sind die Melodie geschrieben fängt die Büetz erst an: Die Lieder müssen arrangiert werden. Geübt. Aufgenommen. Gemischt, gemastert − und schlussendlich verkauft. All das kann nur reibungslos über die Bühne gehen, wenn auch das Zwischenmenschliche stimmt. Sowohl das Tonstudio (Soundfarm Obernau), der Produzent (Steffen Peters) wie auch die MusikerInnen müssen sorgfältig ausgewählt werden. Für den Erfolg eines Projekts und auch für mich persönlich ist das extrem wichtig. Stimmt die Chemie nicht, kann ich nicht arbeiten.

Und hat sie gestimmt, die Chemie?
Absolut! Natürlich gab es Diskussionen, aber alles in allem hat es super gepasst. Sogar der renommierte Pedal Steel-Gitarrist Brian Wilkie aus den USA hat mit Aufnahmen zu meinem Album beigesteuert. Alle Musikerinnen und Musiker – etwa Andi Schnellmann, Elian Zeitel oder Gabriel Yaacoub – die angefragt wurden, haben sofort zugesagt − Corona sei Dank, hatten sie alle Kapazitäten. Da keine Konzerte stattfinden konnten, hatte auch ich mehr Luft, mich hundertprozentig diesem Projekt zu widmen. Die Entschleunigung ist die Sonnenseite der Krise.

Und die Schattenseite?
Ich versuche nicht, mich am Schlechten aufzuhängen, sondern stets das Gute zu sehen. Aber ja, die Krise sorgt bei mir psychisch ständig für ein Auf und Ab. Besonders zu schaffen macht mir die grosse Ungewissheit und die Tatsache, dass man von dem Live-Gefühl immer weiter wegdriftet. Wird es jemals wieder richtig grosse Konzerte geben, oder werden wir uns vielleicht neu erfinden? Die Antwort kann einem niemand geben. Sie sehen: Die Sonnenseite − keine Konzerte − ist auch sogleich die Schattenseite. Gott sei Dank habe ich Anspruch auf Erwerbsersatz. So komme ich knapp über die Runde. Doch ohne Konzerte fehlt mir nichtsdestotrotz ein Einkommen. Für die CD-Produktion habe ich nicht nur viel Engagement und Energie investiert, sondern auch einiges an finanziellen Mitteln, so dass ich momentan auf einem Berg Schulden hocke. Ich will aber nicht klagen und bin dankbar dafür, dass mir die Familie mit Vorschüssen ausgeholfen hat und ich auf Fördergelder des Förderfonds Kultur Region Luzern West sowie Sponsoren-Geldern von Indian Motorcycle Switzerland zählen durfte.

Auch ein Crowdfunding für die Ermöglichung des Debut-Albums haben Sie aufgegleist.
Ein eigenes Album zu realisieren ist alles andere als günstig. Plattenfirmen, welche dir wie früher das Geld für eine solche Produktion bereitgestellt haben, gibt es nicht mehr. Also: selbst ist die Frau. Alleine die Kosten für das Studio belaufen sich auf 20 000 Franken. Dazu kommen die Gagen der Musikerinnen und Musiker, die CD-Presse, die Grafik des Covers, Promotion des Albums, ein Musikvideo zur Single und so weiter und so fort. Insgesamt entstehen Kosten von rund 35 000 Franken. Jeder Franken, den ich erhalte, ist wertvoll. Deshalb habe ich eine Crowdfunding-Aktion gestartet, mit dem Ziel 3000 Franken. Noch vor Funding-Schluss habe ich dieses Ziel erreicht. Oder gar mehr als erreicht: Sogar 653 Franken darüber hinaus darf ich verzeichnen. Einen herzlichen Dank an alle Fans!

Sie klingen überrascht.
Ja, ich freue mich noch immer sehr darüber! Ich wusste anfangs ehrlich nicht, ob die Leute bereit sind, mich mit Geld zu unterstützen. Doch sie sind es. Und das geht für mich über den finanziellen Aspekt hinaus − mich rührt schlicht der Fakt, dass so viele Unterstützerinnen und Unterstützer Teil der Anna Mae-Story sein wollen. Ich schätze das unheimlich. Es motiviert mich, weiterzumachen. Obwohl, wenn ich ehrlich bin: Den «Point of no return» habe ich längst erreicht.

Point of no return: Wie meinen Sie das?
Es gibt kein Zurück mehr. Vor gut fünf Jahren habe ich meinen Bürojob gekündigt, um mich voll und ganz auf die Musik zu konzentrieren. Ich wusste nicht genau wohin oder wie weit es mich führen würde, aber tief in mir drin war diese Stimme, die sagte, dass ichs tun muss. Damals war ich 26 und es ist mir bei meinem Job nicht gut gegangen, ich fühlte mich eingeengt, angespannt. Dieses Album gibt mir nochmals mit voller Wucht die Gewissheit: Das ist mein Weg. Die Musik ist mein Weg. Dafür gebe ich Vollgas. Ich glaube, das hört man dem Album auch an.

Mit «Out Of The Woods» geben Sie also ein Statement ab.
Könnte man so sagen, ja. Allein der Name spricht dafür: «Out Of The Woods» («aus den Wäldern») ist ein Sprichwort, welches man bei uns wohl am besten mit «über dem Berg» beschreiben könnte. Mein Leben lang habe ich nach mir selbst gesucht. War damit beschäftigt, mich nicht unterkriegen zu lassen und eine gewisse Balance zu finden. Heute weiss ich, wer ich bin und was ich will. Jedoch geht es bei dem Album nicht nur um mich. Ich will auch andere dazu ermutigen, sich selbst zu leben, das zu machen, wovon man träumt. Den Mut zu haben seinen eigenen Weg zu gehen.

Apropos eigener Weg: Hört man alte Songs von Ihnen, merkt man, dass Sie Ihrem Stil treu bleiben.
Ja, meinen Musikstil habe ich schon früh gefunden − Country, Folk, Chanson und Rock. Das Album ist inspiriert von Legenden wie Bruce Springsteen, Johnny Cash oder Tina Turner. Die zehn Songs, welche auf der CD zu finden sind, sind allesamt auf Englisch gesungen. Inspiration für den Text hole ich mir meist von eigenen Erlebnissen. Die Ideen kommen mir oft in der Natur – im Wald oder am Wasser. Aber es gibt kein Geheimrezept: Manchmal sprudle ich nur so vor Songideen, und dann bleibt es wieder für eine Weile still.

Was sagen Bekannte und Verwandte zu Ihrem Album?
Sie haben es noch nicht gehört − oder tun es vielleicht gerade, wer weiss. Ich überlasse es allen selbst, ob sie reinhören wollen oder nicht. Vor der Veröffentlichung wollte ich die Lieder noch niemandem zeigen. Doch einigen etablierten Schweizer Musikern habe ich das Album zum «Gegenhören» gegeben. Ihr Fazit ist bestärkend.

Sie untertreiben. Ich erlaube mir hier die Egolzwiler Musiker-Grösse Richard Köchli zu zitieren:

«Ich war bereits von ihrer Debüt EP ‹Let It Roll› begeistert; diese selbstbewusste, eindringliche Stimme, und wenn sich ihr Vibrato zeitweise in die gefährlichen Höhen einer Edith Piaf wagt, fällt bei mir der Groschen ohnehin. Jetzt legt Anna Mae mit dem ersten ausgewachsenen Album die Karten auf den Tisch, zeigt ihre ganze Persönlichkeit, ihre vielseitige Kunst des Songwritings und wird sich mit dieser hervorragend produzierten Platte ohne Zweifel Gehör verschaffen.»  

(lacht) Vielen Dank an dieser Stelle an Richard für dieses Kompliment. Es bestärkt, ist ein äusserst positiver Wegweiser. Der Wind in der Musikbranche weht rau. Als Künstlerin am Beginn der Karriereleiter muss ich auf vieles verzichten: für ein Essen im Restaurant oder eine Reise reicht das Geld nicht. Aber dafür habe ich Zeit. Ich kann das tun, was ich wirklich liebe und mich erfüllt. Worte wie die von Richi geben mir die Bestätigung, dass ich etwas richtig mache.

Wie geht es nun weiter mit Anna Mae?
Am 10. April findet im Treibhaus Luzern die Plattentaufe des Albums «Out Of The Woods» statt – leider bloss als Online-Veranstaltung (Tickets: www.petzi.ch). Anschliessend sind über den Sommer bis in den Herbst hinein mehrere Konzerte geplant. Und danach? Vielleicht die französischen Chansons auch auf eine CD packen? Ich weiss es nicht! Soweit schaue ich momentan nicht voraus. Sicher ist, ich gehe weiterhin meinen Weg und lasse dabei «the power of the dream» auf mich wirken – wie es Céline Dion so schön singt.


Chantal Bossard

Online-Plattentaufe: Infos unter www.anna-mae.net/live.
CD: Fr. 23.90, bestellen via cede.ch oder Download bzw. Streaming.

 

HIER klicken, um die Single "Wolves In The Woods" zu hören.

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