John-Zorn-Marathon und Neuentdeckungen

Festivalleiter Arno Troxler und sein Team geben das Programm der 42. Auflage bekannt. Es strotzt vor Abwechslung. Ein Höhepunkt wird der Festivalsamstag mit einem John-Zorn-Marathon sein.

Peter Schärli (2. von rechts) bestreitet "Heimspiel". Foto zvg
Norbert Bossart

Ein Tag, zwei Konzerte, sechs Bands, sechs Mal Zorn! Der Festivalsamstag dreht sich dieses Jahr um einen ganz grossen Namen der internationalen Jazzszene: John Zorn. Er ist seit den Achtzigern ein Hauptprotagonist der experimentierfreudigen New York Downtown-Szene. Das Werk des allgegenwärtigen Maniacs wächst stetig und in verschiedenste Richtungen. Seine Kompositionen, die oft zu Dutzenden in kurzer Zeit entstehen, fasst er in sogenannten «Books» zusammen. Sie werden fortlaufend von Musikern und Bands interpretiert. Das Jazz Festival Willisau widmet John Zorn den ganzen Samstag und ermöglicht einen scharfen und vielfältigen Einblick in das Zorn-Universum: Sechs Formationen stehen auf der Bühne, die mit einigen der herausragendsten Musikern aus New York besetzt sind. Nicht fehlen darf dabei natürlich das Masada Quartet, das Zorn mit Dave Douglas, Greg Cohen und Joey Baron komplettiert. Dieses Quartett ist der Inbegriff dessen, was einen wichtigen Teil von John Zorns Oeuvre ausmacht. Das Book Beriah wird gleich von zwei Formationen interpretiert. Banquet of the Spirits ist die Band von Perkussionist Cyro Baptista, dessen Musik brodelt in einem Melting Pot von Einflüssen, für die der Begriff World-Jazz nur eine schwache Ahnung vermittelt. Einen völlig andern Zugang zum Beriah-Book eröffnet der Avantgarde-Metal von Cleric: Die Band aus Philadelphia hat ihre Wurzeln im Grindcore und Math-Core und mischt auch Doom und Elemente zeitgenössischer Komposition in ihren Sound.

Den Samstagabend eröffnet dann «das extremste Orgel-Trio aller Zeiten». Die musikalische Spannbreite von Simulacrum, mit Orgel-Master John Medeski vom Trio Medeski Martin & Wood, umfasst Elemente von Metal, Minimal-Jazz, Prog-Rock und Noise. Das Werk «The Bagatelles» von John Zorn wird von zwei Bands bespielt, die sehr unterschiedlich geprägt sind. Zum einen die beiden Gitarristen Gyan Riley und Julian Lage. Ihre Interpretationen dürften etwas ruhiger ausfallen als das hochkarätig besetzte Quartett Asmodeus, das den Schlusspunkt des «zornigen» Samstags in Willisau setzt. Dort wird dann auch wieder John Zorn selbst, zusammen mit Gitarrist Marc Ribot, Drummer Tyshawn Sorey und Bassartist Trevor Dunn die Willisauer Festhallenbühne beehren. 

Heimspiel von Peter Schärli

Wie jedes Jahr setzt das Programm von Festivalleiter Arno Troxler neben internationalen Namen auch auf das Schweizer Jazzschaffen. Eröffnet wird das diesjährige Festival von Trompeter Peter Schärli. Der Schötzer wird in Willisau so etwas wie ein Heimspiel geniessen dürfen. Das Bottom Orchestra wurde 2015 vom Bassisten und Komponisten Kaspar von Grünigen ins Leben gerufen. Ausgehend von Rhythmus und Sprache unseres postindustriellen Arbeitsalltags bewegt sich das zehnköpfige Ensemble so vielseitig wie heiter durch das Wunderland von Jazz, Improvisation und zeitgenössischer Musik. Das super coole Trio Heinz Herbert hat sich einen eigenständigen Sound mit klaren Konturen und trotzdem offener Weite erarbeitet, wo sich akustische und elektronische Klänge durchdringen. 

Aber auch im Late Spot, dem Willis­auer Festival Club, setzt das Team von Arno Troxler wieder mehr auf konzertante Bands. Die Stimmen der beiden Sängerinnen, die cool eingesetzte Elektronik, das Geflecht der Bässe und die fette Spur von Fredy Studers Rhythmik werden bei Phall Fatale zu später Stunde im Club ihre Wirkung nicht verfehlen. Der Samstag wird spätnachts mit dem Auftritt  des Duos Qoniak mit Vincent Membrez und Lionel Friedli und ihrer urbanen Impro-Clubmusik abgerundet. 

Treffen der Generationen

Mit dem Roscoe Mitchell Trio (Mittwoch) und dem David Murray Infinity Quartet spannen zwei Projekte einen generationenübergreifenden Bogen. Vor genau 50 Jahren ist Roscoe Mitchells erstes Album «Sound» erschienen. In Willisau wird der vielfach ausgezeichnete Multiinstrumentalist mit zwei jüngeren Musikern aus der kreativen Chicagoer Szene seine reiche Soundwelt zwischen Avantgarde-Jazz und zeitgenössischer Musik in Flow bringen. David Murray muss man in Willisau nicht mehr vorstellen. Jetzt erweitert der klanggewaltige Tenorist den Sound der Jazzgeschichte mit dem Tonfall des Rap: Zu seinem neuen Quartett gehört der Hip-Hop-Poet und Spoken-Word-Künstler Saul Williams.

Entdeckung aus Frankreich

Die französische Pianistin Eve Risser ist hierzulande noch eine neue Stimme, obwohl sie sowohl als Solistin wie auch mit ihrem White Desert Orchestra von sich reden gemacht hat. Mit ihrem Piano-Trio und dem fantastischen Debüt-Album begeistert die eigenwillige Instrumentalistin Kritik und Publikum zugleich. 

Intimities goes Rathausbühne

Die Intimities-Reihe, die Konzerte der intimeren Art am Jazz Festival Willisau, haben in der Rathausbühne Willisau ein neues Zuhause gefunden.  Die Festivalleitung freut sich, dass die Konzerte weiterhin mitten im Städtchen Willisau stattfinden können. Ein Bass-Solo vom Engländer John Edwards, ein weiteres generationenübergreifendes Projekt mit dem Luzerner Urs Leimgruber und Schlagzeuger Alex Huber aus Zug sowie die zeitgenössische Kammermusik des Quintetts im Wald werden dieses Jahr für einen spannenden Konzertreigen sorgen. 

50 Jahre Jazz in Willisau

Am 16. Juli 1966 fand das erste Konzert unter dem Label Jazz in Willisau statt, das Festivalgründer Niklaus Troxler organisierte. 50 Jahre später gestaltet seine Tochter und Grafikerin Annik Troxler das Plakat zum Jazz Festival Willisau 2016.

Autoren: Pirmin Bossart/Marco Sieber

 

 

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