Reste einer über 1000-jährigen Siedlung entdeckt

Im Schötzer Unterdorf hat die Kantonsarchäologie die Reste einer frühmittelalterlichen Siedlung ausgegraben. So kamen Spuren von Holzbauten und sogenannten «Grubenhäusern» ans Tageslicht. Prunkstück der Funde ist das Fragment einer Fibel.

Im Schötzer Unterdorf schaufeln Archäologen Zeugnisse des Frühmittelalters ans Tageslicht. Foto Norbert Bossart
Norbert Bossart

50 Meter lang und 16 Meter breit. Ein grosses, weisses Festzelt am Rand der Wohnsiedlung im Schötzer Unterdorf sorgt für Gesprächsstoff und Spekulationen im Dorf. Ist hier eine Quartiersause oder gar ein Hochzeitsfest in Vorbereitung? Weit gefehlt, wie ein Besuch vor Ort klar macht. In der Nachbarschaft des Zelts stehen am Schötzer Dorfbach Container der Luzerner Kantonsarchäologie. Ein grosses Plakat verkündet: «Sie stehen auf Vergangenheit. Wir graben danach.»


Der Augenschein vor Ort

Im Zelt ist seit Mitte Januar ein rund zehnköpfiges Grabungsteam mit den beiden Projektleitern Remo Cortese und Simon Kurmann am Werk. Der eine Mitarbeiter schaufelt, der andere ist mit Kelle und Staubsauger am Werk. Hier trägt einer auf Plänen Fundstellen ein, dort lässt ein anderer eine Drohne über Köpfe und Boden schwirren, um Aufnahmen zu machen. Konzentriert und ohne grosse Wortwechsel wird mit vereinten Kräften ein weiteres Kapitel der Schötzer Vergangenheit ausgegraben. Wer spektakuläre Funde erwartet, wird enttäuscht: Zu sehen sind keine Mauern oder Skelette, sondern zig Löcher und Gruben im Ausgrabungsgelände. Doch diese sind weit wichtiger, als der Augenschein vor Ort vermuten lässt. «Die Befunde sind für die Siedlungsgeschichte des Kantons Luzern von herausragender Bedeutung», sagt Fabian Küng, stellvertretender Kantonsarchäologe und Leiter des Fachbereichs Mittelalter und Neuzeit.

Foto Norbert Bossart

Der unbekannte Ortsteil

Zum Vorschein gekommen sind die Überreste eines bisher unbekannten Schötzer Ortsteils, der weit ins Frühmittelalter zurückreicht: Zwischen circa 600 und 800 nach Christus wurde hier gelebt und gearbeitet. Doch weshalb sind diese Befunde von herausragender Bedeutung? «Üblicherweise lassen sich kaum Reste von Siedlungen aus dieser Zeit fassen, da sie sehr unscheinbar und oft durch spätere Überbauung zerstört worden sind», antwortet Fabian Küng. Einige jüngere Funde zeigen, dass die Siedlung möglicherweise bis um 1200 weiter genutzt worden sein könnte, bevor sie endgültig aufgegeben wurde.


Die Pfostenbauten

Von der jahrhundertelangen Nutzung der Siedlung, so Küng, zeugen zum einen die Spuren von Holzgebäuden. Wie in den angetroffenen Jahrhunderten üblich, handelte es sich bei diesen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden um Pfostenbauten. Die hölzernen Ständer der Häuser standen nicht auf Fundamenten oder liegenden Schwellen, sondern waren direkt im Boden verankert. Dadurch sind heute von diesen Gebäuden nur die besagten unscheinbaren «Pfostenlöcher» erhalten. Sie zeigen sich als dunkle Verfärbungen im Boden, dies als Negativ der Konstruktionshölzer.

Rekonstruktion eines sogenannten «Grubenhauses». Foto Archäologie Baselland, Sophie Köhler/Reto Marti

Die Grubenhäuser

Auffälliger sind die gut erhaltenen Reste der sogenannten «Grubenhäuser». Diese kleinen, halb in den Boden eingetieften Bauten sind eine typische Gebäudeform des frühen und hohen Mittelalters, also ab dem 6. bis ab dem 8. Jahrhundert. Die «Grubenhäuser» haben als Keller-, Vorrats- und Arbeitsräume gedient. In Schötz nachgewiesen ist die Nutzung unter anderem als Webkeller für die Textilproduktion.

Auch die vielen Schlackenreste zeigen, dass hier nicht nur Landwirtschaft, sondern auch Handwerk betrieben wurde: Sie weisen auf die intensive Tätigkeit einer Schmiede hin. Dazu gehören vermutlich die Überreste von Feuerstellen und Öfen, deren Standort man feststellen kann, die aber zu schlecht erhalten sind, um bereits jetzt eine Aussage zur Funktion zu machen. Wie viele Pfostenbauten und Grubenhäuser auf der Grabungsfläche standen, bedarf laut Kantonsarchäologie weiterer Abklärungen. Dies, weil Bauten auch an Stellen errichtet wurden, wo zuvor andere standen – es also zu Überlagerungen kam.

Fabian Küng, Leiter Fachbereich Mittelalter und Neuzeit: «Die Befunde sind für die Siedlungsgeschichte des Kantons Luzern von herausragender Bedeutung.» Foto Norbert Bossart

Der allererste Fund im Kanton

Nebst den Resten der Bauten hat das Grabungsteam auch solche von Alltagsgegenständen gefunden. Prunkstück ist das Fragment einer sogenannten Bügelfibel, einer Gewandschliesse aus dem 6. Jahrhundert. «Herausragend», kommentiert Fabian Küng den Fund und begründet. «Es ist das allererste solche Stück, das wir im Kanton Luzern entdeckt haben.» Es besteht aus Silber, mit Einlagen von Almandin, einem Kristall. «Solche Stücke findet man kaum je in Siedlungen, sondern meist nur in Gräbern – die Toten sind in jenen Jahrhunderten in ihrer Tracht bestattet worden», erläutert der Leiter des Fachbereichs Mittelalter und Neuzeit.

Fragment der Bügelfibel, circa 1.8 cm lang. Stark vergrösserte Aufnahme. Foto Norbert Bossart

Gefunden wurden weiter Fragmente von Keramikgefässen wie Kochtöpfen, dazu Speiseabfälle (Tierknochen). Ebenso Holzkohle und Lavez («Speckstein»), als Fragmente von Kochtöpfen. Weiter kamen Webgewichte – teils noch am Standort des Webstuhls – zum Vorschein. Schlacken und Düsenfragment einer Schmiedeesse (der Ansatz für den Blasebalg) zeugen ebenso wie Messer, Werkzeuge, Nägel und Hufeisen von einer einstigen Schmiede.

Die Grabungen werden bis am 22. März abgeschlossen. Danach folgen die weiteren Untersuchungen des geretteten Materials und die Auswertungen der Grabungsaufzeichnungen.

Der Fundort

An der Unterdorfstrasse 6e liegt ein wichtiges Stück Luzerner Geschichte im Boden. Beobachtungen bei Bauarbeiten in der Nachbarschaft wiesen auf eine über 1000-jährige Siedlung hin. Festgestellt wurde dies bei der damaligen Baubegleitung durch die Kantonsarchäologie. Immer und immer wieder wurden im Unterdorf bedeutende Funde gemacht – etwa solche aus der späten Bronzezeit (800 vor Christus) oder auch Römerzeit (1. Jahrhundert). Daher sind weite Teile des Unterdorfs auch im kantonalen Fundstelleninventar eingetragen. Sind hier Bauten vorgesehen, werden die Grabungsarbeiten von der Kantonsarchäologie begleitet. Bei den jetzigen Grabung werden archäologische Spuren, die bei den Bauarbeiten verschwinden werden, dokumentiert und für die Nachwelt festgehalten. -art.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.