Bei diesem Meister tanzt der Bär

«Ganz oder gar nicht»: Der neue Meister der Muggezunft ist in der Fasnacht so konsequent, wie überall im Leben – er gibt Vollgas. Sein Transportunternehmen dankt es ihm, sein Kopf am Tag nach einem Fest weniger.

Muggezunftmeister Thomas Steinmann degustiert in der Bärenhöhle einen Honig-Schnaps. Fotos Chantal Bossard
Chantal  Bossard

Thomas Steinmann lacht lauthals. Er sitzt im Pausenrümli der DusSteinmann AG an einem langen Holztisch und schüttelt den Kopf: «Du hast recht, das ist mir gar nie aufgefallen», sagt der 48-Jährige grinsend. Kurz zuvor wurde nämlich deutlich: Der Ettiswiler ist in einem Fussballteam, das keinen Fussball mehr spielt. In einem Heineken-Club, dessen Mitglieder schon ewig kein Heineken mehr trinken. Und schliesslich noch in einem Jassclub, der sich zwar regelmässig trifft – aber keinen einzigen Jass mehr klopft. Letzteres sei sogar dem Wirt aufgefallen: Sassen die sieben Jassclub-Mitglieder in der Beiz, brachte er ihnen anfangs noch Jasskarten und -Teppich. Danach nur noch den Teppich – «fürs Image». Und schlussendlich gar nichts mehr. «Statt gejasst haben wir geredet – und wie!» Thomas Steinmann ist überzeugt: «Nicht mal der Frauenverein kann uns beim Lafere das Wasser reichen.» Dabei handle es sich keineswegs (nur) um «dummes Stammtischgschnorr». «Wir reden über alles, was bei uns im Leben vor sich geht.» Besonders geschäftlich habe ihn das schon oft weitergebracht. Dort musste er nämlich früh lernen, sich Rat zu holen. «Sonst wäre ich niemals da, wo ich heute stehe.»

Der Schicksalsschlag

22 Jahre jung ist Thomas Steinmann, als er das Telefon bekommt. Er müsse sofort heimkommen, es gehe um seinen Vater, Franz Steinmann. Mehr erfährt er nicht. So reiste er aus dem Militär-Wiederholungskurs aus Lau-sanne nach Ettiswil. Auf der Autobahn kommen ihm Lastwagen von Vaters Transportunternehmen entgegen. «Kann also nicht so schlimm sein», denkt er sich. Die schlimme Nachricht zu Hause in Ettiswil trifft ihn dementsprechend unvorbereitet: Sein Vater, 57 Jahre alt, ist tot. Herzstillstand. Franz Steinmann hinterlässt eine Frau, drei Töchter, zwei Söhne und eine Firma. «Das war eine schwierige Zeit für die ganze Familie.»

Das Geschäft, wurde schlussendlich entschlossen, soll Thomas Steinmann übernehmen. Er habe schliesslich den passenden Ausbildungsweg: Nach einer Lehre als Carosserie-Spengler absolvierte er die Handelsschule und arbeitete im Verkauf. «Mich faszinieren Lastwagen schon seit Kindsbeinen – ich habe definitiv Diesel im Blut», sagt er. «Also beschloss ich, es zu versuchen.» Obwohl er nie damit gerechnet hat, einst in Vaters Fussstapfen zu treten. Obwohl dessen Geschäft zu dieser Zeit eher schlecht als recht lief. Obwohl er «völlig grün hinter den Ohren» gewesen sei. «Probiere god öber studiere!» Ein Satz, der ihn ausmacht. Denn Thomas Steinmann ist keiner, der ewig grübelt und schweigt. Lieber packt er an – und aus. «Ich trage mein Herz auf der Zunge», sagt er und lacht.

Diese Charaktereigenschaften haben ihn weit gebracht. Heute steht das Transportunternehmen stabil da. Zu verdanken sei das unter anderem einem guten Entscheid vor 21 Jahren. 2003 schloss sich die Firma Franz Steinmann Transporte mit der Firma Gebrüder Duss Transport AG zusammen – es entstand die DusSteinmann Transport AG. Die Fahrzeugflotte beträgt inzwischen 27 Fahrzeuge und das Unternehmen ist auf 32 Mitarbeitende angewachsen.

Party, Party, Party

Thomas Steinmann startet die Kaffeemaschine und schaut auf die Uhr. Znüni-Zeit. Doch das Pausenrümli der Firma füllt sich nicht. «Das sind doch Globis, trauen sie sich etwa nicht?» Der Ettiswiler greift nach seinem Handy. «Hoi, wo seid ihr?», fragt er einen Mitarbeiter. Und tatsächlich: Wegen dem Interviewtermin haben sie ihre Pause in einen anderen Raum verschoben. «De Fusu söu aber no ufe cho», verlangt Steinmann. Kurz darauf tritt ein Mann in blauem Mechaniker-Overall den Raum. «Fusu» – alis Martin Duss. «Er ist mein Geschäftspartner. Ein wichtiger Wegbegleiter, ohne ihn und seine Schwester Claudia Duss in der Administration würde die Firma nicht laufen», sagt Thomas Steinmann. «Jemand muss hier ja einen kühlen Kopf behalten», sagt Martin Duss und schüttelt die Hand der Reporterin. «Sonst würden wir noch immer samstags arbeiten, gäu Thomas?», sagt er und winkt zum Abschied. «Wohl wahr», antwortet dieser und erklärt: Bis vor drei Jahren sei der Samstag für die DusSteinmann AG noch ein regulärer Arbeitstag gewesen. «Ich dachte: Anders geht es nicht. Doch ich habe mich getäuscht.» Nun sei er auf Hobby-Suche. «Aufgrund von Hüftproblemen kann ich leider nicht mehr Fussball spielen.» Er habe das Biken für sich entdeckt. Und sonst? «Verbringe ich gerne Zeit mit meiner Familie.» Thomas Steinmann ist Vater von Leandra (20) und Celina (17). Mit Sabine «Bine» Steinmann-Roos ist er schon 20 Jahre verheiratet, seit 30 Jahren zusammen. Kennengelernt haben die beiden sich an einem Fest in Altishofen. Wobei wir bei einer weiteren Leidenschaft von Thomas Steinmann sind: «Party, Party, Party!», sagt er. Leider verschone ihn den Kater am Tag darauf selten – «des Öfteren habe ich den Vormittag im Bett verbracht, weil mir der Kopf so brummte». Doch Aufgeben sei keine Option.

«Ich bin eine draufgängerische Rampensau. Das passt nicht immer allen, doch ich bin wie ich bin – ich verbiege mich nicht.» Auch nicht als Meister der Muggezunft. «Die grösste Herausforderung wird sein, die Meistertracht wieder vollständig mit nach Hause zu bringen – denn wenn ich mal Gas gebe, ist nichts mehr sicher», sagt er und lacht. Bereits sein Vater übte 1991 das Zunftmeister-Amt aus.

Thomas Steinmann ist es wichtig, sein nächstes Umfeld im Rücken zu wissen – er sei durch und durch ein Familienmensch. «Meine Frau, meine Töchter, und schliesslich auch meine Geschäftspartner mussten ihre Zustimmung geben, sonst hätte ich das Meister-Amt nicht angenommen.»

In der Bärenhöhle

Die Unterstützung seines Umfelds hat der Ettiswiler. Deutlich wird das spätestens bei einem Besuch in der «Bärenhöhle»: Hinter Werkbank und Teilelager hat Thomas Steinmann einen grosszügigen Partyraum eingerichtet.

Freunde und Verwandte liessen es sich nicht nehmen, den Raum kunterbunt zu schmücken. Gar ein hausgemachter Honig-Schnaps, geschmückt mit einem Foto der Zunftmeisterfamilie, steht zur Degustation bereit. «Do tanzt de Bär!», sagt der Muggezunftmeister. Ein Statement, das er sich zum Fasnachtsmotto gemacht hat. Wieso? Der 48-Jährige schmunzelt. «Wenn ich an einem Fest bin, wo auf gut Deutsch tote Hose herrscht, pflege ich seit Jahren ironisch zu sagen: Do tanzt de Bär!» Nun hat er diesen Spruch zum Fasnachtsmotto erkoren. Sicher ist bereits jetzt: Mit Thomas Steinmann als Zunftmeister ist der Satz Programm. Ganz ohne Ironie.

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