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Region

Unser täglich' Brot back ich uns

Brot backen liegt voll im Trend. Auch in der WB-Region: Die Landi Luzern-West verkauft mehr Mehl und Brotmaschinen als je zuvor, der Wauwiler «Eigenbrötler» wird mit Anfragen überhäuft und eine Pfaffnauerin entdeckt das Backen für sich.

Chantal Bossard, Redaktorin

Mehl, Wasser, Hefe und Salz – aus vier Zutaten besteht Brot. Simpel. Und trotzdem wird es selten selbst gemacht. Warum auch, ist es doch überall und fast jederzeit erhältlich – sei es frühmorgens beim Bäcker oder spätabends im Tankstellenshop. Früher war das Brot eine Göttergabe, heute ist es Massenware. Doch nun spürt die Branche einen Gegentrend. Grund dafür ist unter anderem die Coronakrise. Viele entdeckten auf der Suche nach Beschäftigung ein neues Hobby: das Backen.

 

Sie kriegt alles gebacken

«Vor dem Lockdown habe ich praktisch nie Brot gebacken – heute ist selbst gemachtes Brot bei uns nicht mehr wegzudenken», sagt Katja Rams­eyer aus Pfaffnau. Die 43-Jährige ist gelernte Service-Fachfrau, arbeitete damals noch in der Gastronomie. Vergangenen Herbst hat sie einen neuen Job im Hauswirtschaftsbereich angetreten. Als der Lockdown kam, hatte sie auf einmal keine Arbeit mehr. Auch ihre beiden Kinder (11- und 13-jährig) mussten infolge «Homeschooling» zu Hause bleiben. Um sich und sie zu beschäftigen, beschloss Katja Ramseyer, möglichst viel selbst zu machen. Gnocchi, Wähenteig – und eben Brot. «Nach einigen Fehlversuchen lernten wir rasch dazu.» Der schnelle Fortschritt – und die begeisterten Rückmeldungen der ganzen Familie zum selbst gemachten Brot – bestärkte Katja Ramseyer dazu, auch nach dem Lockdown weiter zu backen. «Es macht mir grosse Freude!» Vom Weggli bis zum Toastbrot: Mittlerweile kriegt sie alles gebacken. Ihre Spezialität: die Silserbrötchen. «Sie gelingen einfach immer!» Etwas mehr Tüftlerei hätte hingegen das Sauerteigbrot gebraucht. «Füttern, ansetzen, umzüchten – es ist eine komplexe Geschichte!», sagt sie und lacht. Tipps und Tricks holt sie sich in Büchern oder in den sozialen Medien. Auf Instagram ist Katja Ramseyer auch selbst vertreten und zeigt in einem eigens dafür geschaffenen Account ihre Brot-Kreationen. Diese kommen so gut an, dass sie mittlerweile damit begonnen hat, ihre Brote auf Bestellung auszuliefern. «Sie haben halt einfach eine andere Qualität als Backwaren von Migros, Coop und Co», sagt Ramseyer. Sie könne sich mittlerweile kaum mehr vorstellen, ein Brot zu kaufen – «ausser in Not». Selbst in die Skiferien habe sie selbst gebackene Brote mitgenommen.

Der Ansturm auf alles rund ums Backen

Katja Ramseyer ist eine von vielen, die während des Lockdowns das Backen als neue Leidenschaft für sich entdeckte. In den Läden war Hefe vergangenen Frühling zeitweise ausverkauft, wie Medien damals berichteten. Und: Während des Lockdown im März verdoppelte sich der Absatz von Weissmehl. Für das gesamte Jahr 2020 wurde beim Mehl eine zusätzliche Nachfrage von fast 40 Prozent festgestellt. Das schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft BLW in seinem vierten Sonderbericht zu ausgewählten Schweizer Agrar- und Lebensmittelmärkten. Zu spüren ist die höhere Nachfrage auch im WB-Gebiet. Bestätigen kann dies Peter Lütolf, Geschäftsführer der Landi Luzern-West. «Wir hatten einen enormen Ansturm auf alles rund ums Backen», sagt er auf Nachfrage. Zeitweise seien die Angestellten mit dem Nachfüllen der Regale kaum mehr nachgekommen. «Das haben wir zuvor noch nie erlebt», so Lütolf. Die Zahlen sprechen für sich: Die Landi Luzern-West verkaufte 2020 im Vergleich zum Vorjahr rund 27 Prozent mehr Eier, 40 Prozent mehr Zucker und 48 Prozent mehr Mehl – «also fast die Hälfte mehr als im Vorjahr». Ein Renner im Lockdown war zudem die Brotbackmaschine Prima Vista. Ihr Absatz stieg um 77 Prozent. «Die Zahlen zeigen es eindeutig: Die Leute backen was das Zeug hält», so Lütolf. Eine weitere Entwicklung, welche er zudem beobachtet: das Bedürfnis nach Regionalität. «Die Kundinnen und Kunden wollen vermehrt wissen, woher das Produkt kommt und kaufen entsprechend ein. Regionale Waren werden geschätzt.» Und das nicht nur während den Lockdown-Monaten im Frühling. «Sowohl bei Backzubehör wie auch bei den regionalen Waren: Die Zahlen bleiben stabil.»

 

Das Handwerk des Bäckers

Der Backtrend bleibt auch von Bäckereien nicht unbemerkt: «Die letzten drei Jahre gab es bereits Tendenzen in diese Richtung», sagt der Wauwiler Bäckermeister Daniel Amrein, der sich kurz und bündig «Eigenbrötler» nennt. Der Lockdown habe dieser Entwicklung dann eindeutig nochmals einen kräftigen Tritt verpasst. «Plötzlich hatten die Leute Zeit und Musse, sich ihr Brot selbst zu backen.» Doch: Wenn alle zu Eigenbrötlern werden – wie geht es dann dem selbst ernannten «Eigenbrötler»? «Bestens!», antwortet Daniel Amrein. «Die Wertschätzung für unser Handwerk ist enorm gestiegen.» Dank dem Backtrend habe Brot wieder den verdienten Stellenwert erhalten. «Brot ist in den letzten Jahrzehnten leider immer mehr zu billiger Massenware verkommen.» Backstuben wurden fusioniert, rationalisiert, expandiert, in den Bäckereien nur noch Halbfertigprodukte verarbeitet. Daniel Amrein ging bereits vor 20 Jahren seinen eigenen Weg. «Mein Brot soll eine eigene Identität haben. Ich will keine austauschbare Ware schaffen», sagte er schon damals zum WB. Und: «Ich bin Handwerker. Ich will Hand anlegen und die alte Bäckerskunst wieder aufleben lassen.» Damals gab es viele, die über den jungen Idealisten den Kopf schüttelten. Und heute? «Kaufen sie bei mir Brot», sagt Amrein und lacht. Er ist überzeugt: «Wer sich einmal an die Qualität und das Geschmacksprofil eines hochwertigen Brotes gewöhnt hat, kehrt kaum zu konventionellen Brotwaren zurück.» Insbesondere, wer sich selbst als Bäcker versucht, der wisse: «Gutes Brot braucht Zeit, Hingabe und hochwertige Zutaten.» Geschmacksverstärker, Emulgatoren, Stabilisatoren: Viele seien geschockt, wenn sie die Zutaten-Liste eines Brotes aus dem Grossverteiler studieren. «Umso grösser ist dann der Wille, das Brot selbst herzustellen – da weiss man was man hat.»


Die Anfragen überhäuften sich

Doch das Bäckerhandwerk will gelernt sein. «Das nötige Fingerspitzengefühl kommt erst mit der Zeit», sagt Daniel Amrein. «Manchmal braucht es einige Fehlversuche, bis man – wortwörtlich – was gebacken kriegt.» Besonders wenn man sich an die Königsdisziplin des Backens wagt: das Sauerteigbrot. «Das ist hohe Schule», sagt Daniel Amrein. Er muss es wissen: Zu seinen Kreationen gehören auch ursprüngliche Sauerteig­brote. Alle handwerklich hergestellt aus den Sauerteig-Kulturen, die bereits sein Vater gepflegt hat. Während des Lockdowns wurde Daniel Amrein überhäuft mit Anfragen von Hobbybäckern: Wie füttert man den Teig? Wie lässt er sich umzüchten? Ist es normal, dass die Masse so nass ist? Der Bäcker hatte Frage um Frage zu beantworten.  Für die Backkurse, welche die Eigenbrötler Backwerke GmbH ausserhalb Pandemie-Zeiten jeweils durchführt, gibt es mittlerweile Wartelisten. Daniel Amrein ist überzeugt: «Das Bedürfnis nach qualitativen, nachhaltigen und regionalen Produkten wird weiter zunehmen.» Und wenn man diese nirgends findet, dann krempeln die Leute selbst die Ärmel hoch. Planzen Gemüse an. Kochen Sugo ein. Backen Brote.

 

Chantal Bossard

 

 

 


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