Trautes Heim? Zum "Brief aus dem Ständerat" von Andrea Gmür
Wir alle scheinen vereint in der Corona-Krise. Wirklich alle? Die Voraussetzungen zur Bewältigung des Lockdowns sind doch sehr unterschiedlich: Wer sich keine grosszügige Wohnung leisten kann, sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, Geldsorgen hat, chronisch krank ist, mit der Digitalisierung nicht zurechtkommt, die Schulunterlagen nicht versteht ... hat mit dem «Herunterfahren» mehr Mühe, das Stresslevel steigt. Der Aufruf zur Eigenverantwortung und die Preisung der Familie in Zeiten von Corona der CVP-Ständeratin Andrea Gmür wirkt deshalb in meinen Augen deplatziert. Nicht nur heute ist die Familie kein Hort von Geborgenheit und Sicherheit mehr. Das war sie in aussergewöhnlichen Situationen noch nie, ausser vielleicht in bürgerlich-romantischen Vorstellungen. Vor noch nicht allzu langer Zeit galt aber die Züchtigung der Kinder oder der Partner*in nicht nur in Stresssituationen als normal. Unsere Werte und Normen haben sich glücklicherweise verändert und es existieren heute Zahlen und Fakten zu den Vorkommnissen im Schosse der Familie. Sozial tätige Organisationen beobachten die gesellschaftlichen Auswirkungen des Lockdowns und bieten wertvolle Unterstützung wo nötig, oft spendenfinanziert. Auch die Schule hat sich gewandelt und ist heute wichtiger sozialer Seismograf. Lehrpersonen (ohne Schlagstock) sind sensibilisiert, schwierige (Lebens-)Situationen wahrzunehmen und abzufangen. Diese Aussensicht ist aktuell eingeschränkt und der fehlende direkte Kontakt zu den Schüler*innen belastet die Lehrer*innen oft mehr als der digitale Unterricht. Nicht zuletzt ist die Auseinandersetzung mit unserer Lebenswelt ausserhalb der eigenen vier Wände und fern elterlicher Ratschläge Voraussetzung dafür, um zu lernen, im Leben nicht bloss eigenverantwortlich sondern insbesondere auch solidarisch zu handeln.
Melanie Setz, Kantonsrätin, Emmenbrücke
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