50jähriges Jubiläum Schwarzenbach-Abstimmung
50 Jahre Schwarzenbach und noch kein Ende in Sicht?
Stellen Sie sich vor, dass im Dorfladen über sie geredet wird, im Restaurant werden Sie nicht bedient und in manche Läden kommen sie erst gar nicht rein. Diese sind gekennzeichnet mit dem Schild „für Hunde und Italiener verboten“. Dieses Szenario war 1970 Tatsache für so manche*n Italiener*in. Wie kam es dazu?
Am 7. Juni 1970 kam die sogenannte Schwarzenbach-Initiative vor das männliche Stimmvolk. Die Initiative, welche von James Schwarzenbach von der Nationalen Aktion initiiert wurde, forderte, den Ausländer*innenanteil auf 10 % zu begrenzen. Dies hätte eine Ausweisung von 30‘000 - 40‘000 Ausländer*innen bedeutet.
Betroffene der Initiative waren vor allem italienische Menschen, welche die Mehrheit der Ausländer*innen darstellten. Sie kamen oft durch schweizerische Rekrutierungsbüros als Saisonnier ohne Familie in die Schweiz, um als unterbezahlte Arbeitnehmende an unserem Wirtschaftswachstum beizutragen. Für viele Italiener*innen war die Initiative ein Schock. So sollte man trotz jahrelanger harter Arbeit unter prekären Bedingungen dem Lande verwiesen werden. Weiter bedeutete die Initiative eine Unsicherheit für die Zukunft sowie das Wissen, dass man in der Schweiz nicht willkommen ist. Auch an Kindern ging die Initiative nicht spurlos vorbei. So berichtete der Zeitzeuge Alex Granato, der damals neun Jahre alt war, dass er gewusst hatte, dass etwas nicht in Ordnung war und dass etwas gegen ihn gerichtet ist. In dieser Zeit gab es in seiner Schule vermehrt Prügeleien und Streitereien. So wehrte er sich auch gegen die verbalen Hänseleien mit Gewalt: „Ich bin einfach auf das huren Tschingg empfindlich geworden, oder? Weil ich habe nicht das Gefühl gehabt, dass ich schlechter oder schlimmer als andere oder so gewesen bin. Ich bin genau gleich gewesen. Ich habe gleich Deutsch wie die anderen geredet. Beim Rechtschreiben bin ich vielleicht nicht so gut gewesen, das stimmt auch. Aber ja.“
Die Initiative wurde mit 75% hoher Stimmbeteiligung knapp abgelehnt. Dies bedeute aber nicht, dass es keine ausländer*innenfeindliche Initiativen mehr gab. Im Gegenteil. Die Schwarzenbach-Initiative stellte den Startschuss von vielen solchen Initiativen dar. Und so folgt in ein paar Monaten die nächste Abstimmung, die Kündigungsinitiative. Und immer ging oder geht es um das gleiche: Um die Fremdenfeindlichkeit umgesetzt durch Ausweisungen, Verlängerung des Erhalts des Schweizerpasses oder der Beschneidung der Auslebung ihrer Kultur. Das einzige was sich änderte, sind die Subjekte. Zu Zeiten von Schwarzenbach waren es die italienischen Menschen, dann die Menschen aus Sri Lanka, aus dem Balkan und heute die polnischen. Bis heute und auch im Wahlkampf der Kündigungsinitiative wird über die betroffenen Menschen geredet, ohne nachzudenken, welche Folgen dies für die Betroffenen und für das Zusammenleben der Schweiz hat. Wie fühlen sich die ausländischen Menschen wohl, wenn heute jemand aus dem Initiativkomitee der Kündigungsinitiative sagt, dass man als ausländische Person dem Land schade? Was machen fremdenfeindliche Kampagnen mit dem Zusammenleben der in der Schweiz lebenden Menschen, wenn die ausländischen Menschen oft zu Unrecht als kriminell abgestempelt werden?
Warum hören wir nicht einfach auf damit, fangen an die Schweiz als vielfältiges und offenes Land anzusehen und das Potenzial des anderen für ein gemeinsames starkes Zusammenleben zu nutzen. Und ganz ehrlich, was wäre eine Schweiz ohne Spagetti?
Livia Meyer
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