Turner reisen mit Schlafmütze nach Amsterdam

Rund 20 000 Turnerinnen und Turner aus über 60 Ländern treten an der Gymnaestrada auf. Unter ihnen der Wikoner Toni Purtschert. Warum er insbesondere seine Schlafmütze nicht vergessen darf?

Bereit für die Gymnaestrada in Amsterdam: die Gymnastikgruppe Luzern, Ob-, Nidwalden und Schwyz.
Stefan Bossart

Morgen Samstag geht es für Sie und die Gymnastikgruppe Luzern, Ob-, Nidwalden und Schwyz im Nachtzug nach Amsterdam. Was muss unbedingt mit ins Gepäck?

Toni Purtschert: Ohne rote Wandersocken, das blaue Edelweisshemd oder den Rucksack geht gar nichts. Und natürlich darf in Letzterem weder die Schlafmütze noch der Schlafsack fehlen.

Tönt mehr nach einer ausgiebigen Wanderung durch die niederländische Hauptstadt samt Übernachten auf einer Parkbank statt einem Auftritt in der Halle ...

Gar nicht so schlecht getippt und trotzdem falsch geraten. Wir treten in Amsterdam als 28-köpfige Wandergruppe auf die Bühne und sind entsprechend gekleidet. Schritt für Schritt wollen wir an unseren beiden Shows am Schweizer Abend vom Montag die rund 4000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Amsterdamer RAI Messezentrum begeistern. Ich bin überzeugt: Spätestens wenn wir im Verlauf der Darbietung die Zipfelmütze aufsetzen und den Schlafsack ausrollen, haben wir allen ein Lachen aufs Gesicht gezaubert.

Schabernack ist also
vorprogrammiert?

Mitunter. Doch selbst wenn wir Turnerinnen und Turner auf Tuchfühlung gehen oder durch surrende Mücken um den Schlaf gebracht werden: Die von Sabina Geiser für die Gymnastikgruppe Luzern, Ob-, Nidwalden und Schwyz zusammengestellte Choreografie hat es in sich. Taktvoll eingesetzt werden selbst Schlafsäcke zum Hingucker. Und genau darum gehts: Fern jeglichem Wettkampf eine tolle Show zu bieten und selbst in den Genuss zahlreicher turnerischen Leckerbissen zu kommen.

Wie viel Probezeit steckt hinter dem vierminütigen Auftritt?

Vor einem Jahr begannen die Vorbereitungsarbeiten. Mittlerweile haben wir zwischen 30 und 40 Proben hinter uns und sind somit bestens gerüstet. Der Auftritt sitzt, die Vorfreude auf das Finale in Amsterdam ist bei allen enorm gross. Ich selbst bin ziemlich «chribelig» – obwohl dies bereits meine achte Teilnahme an einer Gymnaestrada ist.

Ein Wiederholungstäter?

Könnte man so sagen (lacht). Und ich bin bei Weitem nicht der Einzige. Mit Grund: Für einen Breitensportler respektive eine Breitensportlerin ist die Gymnaestrada das Nonplusultra. In Amsterdam beispielsweise laufen bei der Eröffnungszeremonie 20 000 Teilnehmende aus rund 60 Nationen ins Olympiastadion ein. Dies ist ein unbeschreibliches Gefühl.

Ein Grossaufmarsch, der in persönlichen Begegnungen endet?

Es ist die Freude am Turnsport, die alle verbindet. Damit ist eine gute Gesprächsgrundlage gegeben. Speziell freue ich mich aber, eine Woche als Teil der Gymnastikgruppe Luzern, Ob-, Nidwalden und Schwyz unterwegs sein zu dürfen. Die Chemie unter uns stimmt – dies sieht man nicht zuletzt auch auf der Bühne. Mit der Menznauerin Helen Schurtenberger, den beiden Ettiswilerinnen Jolanda Wiederkehr und Romy Wüest sowie der Reiderin Nicole Müller ist das Luzerner Hinterland und Wiggertal übrigens bestens vertreten ...

... und damit das Fest nach den beiden Auftritten am Montagabend garantiert?

Wer schon einmal mit Turnerinnen und Turnern unterwegs war, weiss die Antwort. Das Gesellige kommt nie zu kurz.

Das Katerfrühstück lässt Grüssen?

Einen Brummschädel einzufahren, lohnt sich definitiv nicht. Amsterdam ist an sich schon eine schöne Stadt, die es zu entdecken gilt. Hinzu kommen während der Gymnaestrada zahlreiche Bühnen, auf denen Turnvorstellungen stattfinden. Diese lassen wir uns nicht entgehen.

Woher kommt Ihre Begeisterung für den Turnsport?

Als gebürtiger Roggliswiler wird einem diese in die Wiege gelegt. Hier wird der Turnsport in all seinen Facetten gelebt. Bis heute bin ich stolz, als Ehrenmitglied teil diese tollen Vereins zu sein.    

Was werden Sie die kommende Woche öfters tragen: Die roten Socken oder die weisse Mütze?

Weder noch. Fernab der Bühne werden wir mit der offiziellen Bekleidung der Schweizer Delegation unterwegs sein. Im Verlaufe der Woche aber verwandeln wir uns zum bunten Haufen. Tauschen ist angesagt. So kann es sein, dass ich mit einer albanischen Trainingsjacke, einem Neuseeländischen Hut oder einem Leibchen der Spanier unterwegs bin.

Die Gymnaestrada

In Amsterdam findet vom 30. Juli bis zum 5. August das Weltturnfest Gymnaestrada statt. Ob aus Australien, Belgien oder England: Gegen 20 000 Turnerinnen und Turner aus 60 Ländern sind mit von der Partie.  Mit 3501 Teilnehmenden stellt die Schweiz die grösste Delegaton.

Als Gymnaestrada wird ein von der Fédération Internationale de Gymnastique seit 1953 organisiertes Turnfest bezeichnet, welches, wie die Olympiade, alle vier Jahre stattfindet. Nach 32 Jahren kehrt die Welt-Gymnaestrada mit der diesjährigen Austragungsstadt Amsterdam zu ihren Wurzeln in die Niederlande zurück.

Gymnaestrada ist ein vom Holländer Jan Sommers erfundenes Kunstwort als Verbindung von «Gymnastik», «strada» (Strasse) und «estrada» (Bühne). Entsprechend sind auch die Austragungsorte – die Vorstellungen finden sowohl in Hallen als auch auf den Strassen statt. Die Gymnaestrada ist kein Wettbewerb. Die Werte liegen in faszinierender Bewegung und internationaler Begegnung. pd./bo.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.