«Regierung verkennt Dramatik der Situation»

Mit einer Standesinitiative will SP-Kantonsrätin Anja Meier gegen den Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten ankämpfen. Das sei das falsche Mittel, sagt die Regierung und lehnt ihren Vorstoss ab.

Sie fehlen schweizweit: Ärztinnen und Ärzte. Foto: Pixabay
Stephan Weber

In der Schweiz fehlt es an Hausärzten. Das ist weiss Gott keine neue Erkenntnis. So ist es rund zwei Monate her, als die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) in einer Medienmitteilung schrieb, in der Schweiz würden 5000 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Die Situation sei «dramatisch». Mitunter, weil ein Viertel der Mediziner heute über 60 Jahre alt sei und es an Nachwuchs fehle. Das fehlende Personal trifft vor allem auch auf die Zahl der Hausärzte zu.

Praktikum statt «Chrützli-Test»

Um diese Lücke in der medizinischen Grundversorgung zu schliessen, hat Anja Meier (SP, Willisau) eine Motion eingereicht. Ihr Ziel: Mit einer Standesinitiative sollen die Universitäten mehr Studienplätze in der Humanmedizin schaffen. Damit würde die Abhängigkeit von ausländischen Fachkräften verringert und das inländische Potenzial besser ausgeschöpft. Zudem soll geprüft werden, ob es Alternativen zum Eignungstest für die Zulassung zum Medizinstudium gebe. Denn dieses Selektionsverfahren ist laut Meier «nicht die beste, sondern lediglich die einfachste Lösung.» Der Numerus clausus sei primär eine Frage des Fleisses und der Übung. Wichtige Eigenschaften wie Sozialkompetenzen oder praktische Fähigkeiten, welche für die Eignung zum Arzt oder zur Ärztin zentral sind, würden nicht eruiert», schreibt die Willisauerin in ihrer Motion, die – mit Ausnahme der Grünliberalen – von Mitgliedern aller Kantonsratsfraktionen mitunterzeichnet wurde. Statt eines «Chrützli- beziehnungsweise IQ-Tests» sollten Medizinstudierende besser ein Praktikum absolvieren, um einen Einblick in die Tätigkeiten der medizinischen Grundversorgung zu erhalten und praktische Fähigkeiten vor dem Studium zu erproben. Die Motionärin ist überzeugt: Mit dieser Ausbildung und einer Erhöhung der Studienplätze fände sich mehr Personal, um die Lücken bei den Hausärztinnen und Hausärzten zu füllen.

«Falscher Weg»

Der Regierungsrat hat die im März 2023 eröffnete Motion mittlerweile beantwortet und den Vorstoss der Parlamentarierin abgelehnt. Zwar unterstütze er das Kernanliegen der Motion, schreibt die Regierung in ihrer Antwort. «Allerdings erachten wir dafür eine Standesinitiative als den falschen Weg». Grund: Über die Zahl der Studienplätze entscheide nicht der Bund, sondern die Standortkantone der jeweiligen Universitäten. So leiste der Kanton Luzern mit dem Lehrstuhl «Joint Medical Master» an seiner Universität einen Beitrag an die Ausbildung der Ärztinnen und Ärzte. 40 Studienplätze würden so pro Jahr geschaffen. Zudem laufe beim Bund noch bis ins Jahr 2025 ein 100 Millionen Franken teures Sonderprogramm, um die Zahl der Masterabschlüsse in der Humanmedizin zu steigern. Bevor weitere Fördermassnahmen diskutiert werden, so der Regierungsrat, will er die Wirkung dieses Programms abwarten.

Nicht einstimmen will die Regierung in die Kritik am Eignungstest. Mehrere Berichte und Stellungnahmen des Bundesrates hätten gezeigt, dass diese Eignungstests «fair und kosteneffizient» seien. Eine Selektion mit einem Praktikums sei «bedeutend aufwendiger und kostenintensiver.» Laut der regierungsrätlichen Antwort müssten die Gesundheitseinrichtungen so jährlich rund 3500 Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Zudem verlängere ein Praktikum die eh schon lange Medizinausbildung weiter.

Überdies führe eine andere Selektion oder die Abschaffung des Eignungstests nicht zu mehr Studienplätzen und eine Erhöhung der Anzahl Studienplätze nicht automatisch zu mehr Hausärztinnen und Hausärzte. Dafür müssten andere Ansätze gesucht werden, so die Regierung. Eine Möglichkeit sieht sie in zusätzlichen Studienplätzen im 2020 eingeführten «Joint Medical Master» in Luzern. Und: Ganz grundsätzlich müssten die Rahmenbedingungen für den Hausarztberuf verbessert werden – etwa durch eine Entlastung im Notfalldienst, neuen Modellen der integrierten Versorgung und neue Berufsbilder, welche die Ärztinnen und Ärzte entlasten könnten.

Anja Meier hält an Vorstoss fest

«Ich bin enttäuscht, dass der Regierungsrat keinen Handlungsbedarf sieht und die Dramatik der Situation verkennt», sagt Anja Meier. Schon heute sei die Versorgungsdichte mit Arztpraxen im Kanton Luzern «unterdurchschnittlich». Insbesondere drohe auf der Landschaft, wo Hausarztpraxen eine höhere Anzahl Patienten abdecken, eine massive Unterversorgung. Es lohne sich, in die Hausarztmedizin zu investieren. «Sie ist der Dreh- und Angelpunkt unseres Gesundheitswesens und kostengünstiger im Vergleich zu anderen Behandlungsformen.» Sie werde an der Motion festhalten, «damit der Kanton Luzern mit einer Standesinitiative in Bern den Druck für Reformen erhöht und es endlich vorwärtsgeht.»

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