Eine Band für Ohr, Auge und Herz

Seit 37 Jahren steht der Buttisholzer Richard Blatter alias Elritschi als Sänger und Gitarrist der Engelberger Band «Jolly and the Flytrap» auf der Bühne. Allerdings noch nie in Willisau. Das ändert sich am diesjährigen Jazz Festival. Der WB unterhielt sich mit Elritschi über den anstehenden Auftritt, die erlebnisreiche Bandgeschichte und seine Liebe zur Musik.

Werden kommenden Freitag am Jazz Festival gehörig einheizen: «Jolly and the Flytrap». Foto Monique Wittwer
 

von David Krügel

Engelberg 1986. Elritschi und sein Kumpel Martin «Märt» Infanger sitzen im Pub und unterhalten sich über Comics. Nicht der Comics wegen. Nein, die beiden suchen einen Namen für ihre frisch gegründete Band. Da helfen Klassiker wie Tim und Struppi oder Asterix nicht weiter. Hingegen ein unbekanntes, extravagantes Werk aus Amerika, welches sich um die postapokalyptischen Titelhelden Cholly und Flytrap dreht. «Cholly» wurde zu «Jolly», was so viel heisst wie «lustig». Flytrap schien passend. Schliesslich hatte Sänger und Gitarrist Elritschi als Kind Fliegen gejagt. Leidenschaftlich! So kam die Band der jungen Engelberger zu ihrem Namen. «Jolly and the Flytrap» konnten loslegen.

Das erste Konzert

Und sie legten los. Voller Enthusiasmus. Ein kleines, kaum erwähnenswertes Hindernis galt es allerdings noch zu überwinden: Die wenigsten von ihnen konnten ein Instrument spielen. Also stürmten die musikbegeisterten Engelberger den Musikkeller in Luzern und brachten sich selbst das Musizieren bei. Nach stundenlangem Üben und Proben war die Zeit endlich reif für das erste richtige Konzert. Am 18. März 1989 spielten «Jolly and the Flytrap» im Kino Engelberg. Vor über 200 Leuten. «Der Auftritt war für mich eine prägende Erfahrung», erinnert sich Elritschi. «Die Stimmung war bombastisch! Auf der Bühne wurde mir klar: Dafür bist du geboren. Von diesem Moment an war ich süchtig.» Der Erfolg ihres Debut-Konzerts überraschte «Jolly and the Flytrap» wohl selbst am meisten. «Eigentlich waren wir bei Weitem nicht bereit für einen Gig vor so vielen Menschen», sagt Elritschi. «Aber irgendwie sprang der Funke sofort und setzte die Lunte zum endgültigen Startschuss für unsere Bandgeschichte in Brand.» Doch wie kam es überhaupt zur Band? Die fünf Gründungsmitglieder waren von Kindesbeinen an befreundet. Märt Infanger kam im Sommer 1986 von einem Austauschaufenthalt in den USA zurück und unternahm mit seinen Kumpels eine mehrtägige Wanderung im Tessin. Aufgrund einer durch den Konsum von Wasser aus der Maggia verursachten Vergiftung mussten sie ihren Ausflug allerdings frühzeitig beenden. Diese Erfahrung bewog die Freunde dazu, ihre Wanderschuhe auf absehbare Zeit an den Nagel zu hängen. Stattdessen wandten sie sich der Musik zu. Wäre das Flusswasser klarer oder die jungen Wanderer weniger durstig gewesen, hätten sie in besagtem Sommer wohl noch zig Kilometer zurückgelegt und «Jolly and the Flytrap» hätte es nie gegeben. Alles passiert, wie es passieren muss.

Der Vollblut-Rock 'n' Roller

Mit 20 Jahren, auf der Bühne des Kinos Engelberg, hatte Elritschi also sein künstlerisches Schlüsselerlebnis. Fortan prägte die Musik sein Leben. Der Ursprung dieser Entwicklung findet sich in seiner Kindheit. Schon als kleiner Junge stöberte er mit Begeisterung in der Plattensammlung seiner Eltern. Durch seinen Vater lernte er die «Beatles» kennen. «Punkto Songwriting für mich das Nonplusultra», sagt Elritschi. Seine Mutter war Flugbegleiterin und kam viel herum. Durch sie kam er mit Musik aus aller Welt in Kontakt. Ein Umstand, der sich merklich auf den Sound von «Jolly and the Flytrap» auswirkte. So finden sich auf dem neusten Album «Le dictionnaire de la lumière» etwa Songs mit italienischen, französischen, spanischen oder englischen Texten. «Durch die Verwendung mehrerer Sprachen können wir verschiedene Farbtupfer und Akzente setzen», erklärt Elritschi. «Am häufigsten singe ich aber schon in Englisch – die Sprache des Rock 'n' Roll.» Und diese Sprache spricht er ausgezeichnet. Nicht nur verbal, sondern mit jeder Faser seines Körpers. «Wann immer ich auf der Bühne stehe, will ich daraus einen einmaligen Moment machen.» So bat er etwa einst bei einem Konzert einen Zuschauer auf die Bühne, damit dieser seinen Gitarrenpart beim Song «Albany» übernimmt. Elritschi selbst hatte damals wegen eines Vespa-Unfalls seinen Arm in der Schlinge. «Eigentlich hat der Song überhaupt keinen Gitarrenpart», sagt er und lacht. «Aber der Typ legte zur Freude aller ein fantastisches Solo hin.» Erlebnisse wie dieses, nicht planbar und daher einzigartig, machen für Elritschi das Musikerdasein aus. «Auf der Bühne gibt es für mich nur das Hier und Jetzt. Was vorher war und nachher kommt, ist egal. Ich will aus dem Augenblick das Maximum rausholen.»

Der in Buttisholz lebende Elritschi ist bei der Engelberger Band «Jolly and the Flytrap» für Gesang und Gitarrenklänge zuständig. Foto Monique Wittwer

Das eigene Plattenlabel

Ganz im Sinne ihres Sängers war «Jolly and the Flytrap» nie eine Band, die festgefahren irgendwelche Pläne verfolgt. Zahlreiche Anfragen von Plattenlabels und Managements haben sie über die Jahre abgelehnt. Noch heute wird die Musik auf dem bandeigenen Label veröffentlicht: Noman Records. Der Name entstand durch ein Missverständnis. 1990 machten «Jolly and the Flytrap» auf einem Nidwaldner Open Air Bekanntschaft mit Pascal Claude aus Stans, damals Sänger der Hardcore-Band «Profax». Unter dem klingenden Namen «No Name» betrieb dieser einen gut laufenden Vertrieb für Hardcore- und Punksingles und wollte ein Plattenlabel mit demselben Namen gründen. Nach reiflicher Überlegung sagten «Jolly and the Flytrap» zu, auf dem noch zu gründenden Label eine Doppelsingle aufzunehmen. Akkordeonist Märt Infanger zeichnete sich für die Gestaltung der Scheibe verantwortlich, notierte sich allerdings den Namen des Labels falsch. Aus «No Name» wurde «No Man» und No Name-Records blieb für immer ein blosser Traum. Pascal Claude war aber nicht nachtragend und produzierte mit «Jolly and the Flytrap» schon bald deren zweite Veröffentlichung. Nach der Auflösung von «Profax» stieg er schliesslich als Trompeter ein und war bis 2018 Mitglied der Engelberger Band.

Der Auftritt am Jazz Festival

In den über dreissig Jahren ihres Bestehens haben sich «Jolly and the Flytrap» einen Ruf als hervorragende Liveband erspielt. Trotz des Erfolgs blieben sie ihren Wurzeln stets treu. «Wir machen Musik ausschliesslich aus Leidenschaft», so Elritschi, der auch erfolgreich als Solokünstler unterwegs ist. «Die Band sollte ein Hobby bleiben und nicht zum Beruf werden.» Grösstenteils sind «Jolly and the Flytrap» auf Bühnen im Inland unterwegs. Doch auch an Orte wie Barcelona oder Montpellier verschlug es die Truppe schon. Und nun, am kommenden Freitag, ist es endlich so weit. «Jolly and the Flytrap» spielen am Jazz Festival Willisau. Für Elritschi, der seit gut 17 Jahren in Buttisholz wohnt, ein lang erwartetes Heimspiel. «Ich freue mich riesig darauf, endlich wieder einmal in der Region aufzutreten. Das hiesige Publikum ist mir von unserem Auftritt beim Träff Schötz noch in bester Erinnerung.» Schon seit einiger Zeit hatte Intendant Arno Troxler «Jolly and the Flytrap» für das Rahmenprogramm des Jazz Festivals im Visier. Obwohl die Band mit Jazz wenig bis gar nichts am Hut hat. «Am ehesten mutet bei uns die visuelle Komponente jazzig an», meint Elritschi. «Unsere Artworks und Designs sind bunt und verspielt. Wie Free Jazz eben.» So verspielt und vielseitig wie «Jolly and the Flytrap» grafisch daherkommen, ist auch ihre Musik. Der Sound lässt sich in keine Schublade stecken, klingt mal verträumt und melancholisch, mal fröhlich und beschwingt. «Müsste ich unseren Stil benennen, würde ich ihn als ‹Electric Polka› bezeichnen», sagt Elritschi. «Genregrenzen waren uns aber nie wichtig. Wir machen, worauf wir Lust haben. So klingen alle Songs anders.» Und doch immer nach «Jolly and the Flytrap».

Auftritt von «Jolly and the Flytrap» im Zelt, am Freitag, 1. September, um 18 Uhr.

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