Befürworter legen Zahlen auf den Tisch

Eine offene Diskussion über das in Mehlsecken geplante Produktions- und Forschungszentrum für Gebäudehüllen: Dies soll es am kommenden Donners­tag geben. Nun legen die Initian­ten des Grossprojekts konkrete Zahlen vor.

Stefan Bossart

Bis zu 1000 neue Arbeitsplätze: In Mehls­ecken will die Firma Swisspor ein Produktionswerk errichten, um mineralische Dämmstoffe herzustellen und im Forschungsbereich Synergien mit der Uni Luzern schaffen. Weiter kämen Firmen aus der Gebäude- und Umwelttechnologie hinzu. Geplant ist eine Umsetzung in drei Etappen. Bereits 2026 will die Swisspor vor Ort die Produktion aufnehmen. Bis 2032 soll das gesamte und in einer Entwicklungsvereinbarung festgehaltene Projekt umgesetzt sein (der WB berichtete).

Die Fakten vor der ersten wirklichen Diskussionsrunde

Die von Kanton, Swisspor und Gemeinde diesen Sommer präsentierten Pläne stiessen in Reiden nicht nur auf Gegenliebe. An der Informationsveranstaltung vom 6. Juli war die Skepsis aus dem Saal unüberhörbar. An vorderster Front: SVP-Kantonsrat Robi Arnold. Sein damals angekündigtes Nein-Komitee hat sich mittlerweile formiert (siehe Kasten). Fehlten an der ersten Veranstaltung neben dem von den Organisatoren umgangenen offenen Meinungsaustausch auch genaue Zahlen, liegen Letztere nun auf dem Tisch. Im Vorfeld des auf den kommenden Donnerstag um 19 Uhr in der Reider Dreifachturnhalle angesetzen Diskussionsanlasses gab es für sämtliche Reider Haushalte Post. Das aus Vertretern des Kantons, der Gemeinde, der Wirtschaftsförderung und Swisspor bestehende Steuerungsgremium des strategischen Arbeitsgebietes (SAG) bediente die Bürgerinnen und Bürger am Freitag mit einem 16-seitigen Dossier. Das Vorwort hält Regierungsrat Fabian Peter. «Das Projekt ist in mehrfacher Hinsicht ein Gewinn für die Region und unseren Kanton», hält der Vorsteher des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartementes fest und schreibt weiter: «Einerseits entstehen Arbeitsplätze, Innovationen und Wertschöpfung, andererseits ermöglicht das Zentrum einen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele».

Die Finanzen

Der volkswirtschaftliche Nutzen des Projekts wurde von der EBP Schweiz AG beurteilt. Gestützt auf dem Geschäftsplan der Swisspor, anonymer Datensätze der LUKB und Berechnungsgrundlagen des Bundesamtes für Statistik kommt die Firma zu folgenden Zahlen:

> Durch die unmittelbare Tätigkeit von Swisspor und der weiteren angesiedelten Betriebe wird längerfristig mit einer Wertschöpfung von jährlich 350 Millionen Franken gerechnet. Hinzu kommen einmalige Investitionen von 90 Millionen Franken. Rund 70 Prozent der Wertschöpfung bleiben laut der EBP Schweiz AG in der Region selbst.

> Bei der Umnutzung des Areals fallen einmalige Sondersteuern, Abgaben und Gebühren von 17 Millionen Franken an, wovon rund 5,5 Millionen Franken in die Reider Gemeindekasse fliessen.

> Laut der EBP Schweiz AG darf Reiden bei der Umsetzung des Projekts mit jährlich 2,5 Millionen Franken Steuer­einnahmen rechnen. Dies entspricht bei einem derzeit ordentlichen Steuerertrag von 20,7 Millionen Franken einer Steigerung um 12 Prozent. Den Berechnungen liegt die Annahme zugrunde, dass rund 10 Prozent und damit 100 der künftigen Mitarbeitenden des strategischen Arbeitsgebiets in Reiden Wohnsitz nehmen.

Der Verkehr

Im Vollbetrieb generiert das Projekt laut Berechnungen der Zürcher SNZ Ingenieure und Planer AG täglich rund 1750 Auto-, 250 Motorrad- und 200 Lkw-Fahrten. Diese erfolgen mehrheitlich über den Autobahnzubringer und entsprechen einer Zunahme von rund 10 Prozent an diesem Knotenpunkt. Rund 58 Prozent der Fahrten finden ausserhalb der Hauptverkehrszeiten (6 bis 9 Uhr sowie 16 bis 19 Uhr) statt. Dazu wird in der Broschüre folgendermassen Stellung bezogen:

> Eine vom Kanton in Auftrag gegebene Studie beim Bundesamt für Strassen zeigt, dass sich mit Optimierungsmassnahmen eine Verbesserung der Situation ergibt. Erste Massnahmen wie die Erstellung von Lichtsignalanlagen sind im kantonalen Bauprogramm 2024 bis 2026 enthalten (der WB berichtete). Im Zuge des SAG-Projekts wurden weitere Abklärungen getroffen. Deren Fazit: Der bis 2040 anfallende Verkehr kann auch beim Bau der geplanten Verteilzentren von Lidl (Roggwil) und Planzer (Wikon) bewältigt werden.

> Neben Optimierungen beim Autobahnanschluss sind weitere strategische Massnahmen vorgesehen: Eine eigene Bushaltestelle auf dem SAG-Areal, dessen Anbindung an die Veloroute und mittels Fussweg an den Bahnhof Reiden. Geplant sind zudem Mobilitätsbenefits und Sharingangebote für Mitarbeitende.

Die Fruchtfolgeproblematik

200 000 Quadratmeter: So gross ist das zur Diskussion stehende Areal, auf dem das Projekt entstehen soll. Dabei handelt es sich um wertvolles Landwirtschaftsland, sogenannte Fruchtfolgefläche. Dies muss vollumfänglich kompensiert werden.

> Die Kompensation lässt sich laut Steuerungsgruppe in der Region kompensieren. Dies, indem in Triengen rund 210 000 Quadratmeter  heute minderes Land mit dem in Reiden abgetragenen Material aufgewertet wird.

Diskussionsveranstaltung, SAG Reiden, Donnerstag, 20. Oktober, 19 Uhr, Dreifachturnhalle Reiden. Weitere Infos und die gesamte Broschüre lassen sich unter www.sag-reiden.ch abrufen.

Die Gegnerschaft hat sich formiert

Auf Worte folgten Taten: Der Mehlsecker Kantonsrat Robi Arnold (SVP) kündete an der Infoveranstaltung vom 6. Juli vehementen Widerstand gegen das geplante Forschungs- und Produktionszentrum für Gebäudehüllen an. Das entsprechende parteiunabhängige Gegnerkomitee hat sich formiert. Zusammen mit dem Initiator kämpfen die Langnauer Josef Kneubühler, Markus Ryser, Mathias Hodel, Thomas Kilchenmann, Sandra Kühnis, Hansruedi Schärli sowie die beiden Richenthaler Bernward Limacher und Hanspeter Ryser und der Reider Werner Steinmann an vorderster Front gegen das Projekt an und haben eine Unterschriftensammlung lanciert. «Ich bin überzeugt, dass unsere Ansichten von einem grossen Teil der Bevölkerung mitgetragen werden», so Robi Arnold.

Die Kehrseite der Medaille

«An unserem Standpunkt ändern auch die von der SAG-Steuerungsgruppe verschickten Unterlagen nichts», sagt Robi Arnold. Darin werde den Reiderinnen und Reidern «der Speck durch den Mund gezogen». Jährlich 2,5 Millionen Franken Steuereinnahmen für die finanziell arg gebeutelte Gemeinde tönten gut. «Wirklich gesichert sind lediglich die zu erwartenden 5,5 Millionen Franken anfallenden Sondersteuereinnahmen im Zuge des Landverkaufs», so Arnold. Bei allen andern ins Feld geführten Beträgen handle es sich um «reine Annahmen». Gleichzeitig werde ein wichtiger Punkt ausser Acht gelassen. «Das Projekt mit 1000 neuen Arbeitsplätzen und den ins Feld geführten potenziellen Zuzügern löst für die Gemeinde auch Investitionen aus – die Kehrseite des stetigen Bevölkerungswachstums widerspiegelt sich auch in den momentan alles andere als rosigen Zahlen von Reiden.»

Das Unverständnis

Das Gegnerkomitee gewichtet im Vorhaben aber nicht nur die bare Münze, wie Arnold weiter ausführt. 200 000 Quadratmeter wertvollstes Kulturland in Bauland umzonen? Was 2009 als Möglichkeit in Betracht und in der Raumplanung verankert wurde, sei aus heutiger Sicht «schlicht und einfach nicht mehr angebracht. Wir diskutieren über Ernährungssicherheit und betonieren unsere besten Äcker zu.» Hinzu komme: «Reiden hat Richtung Wikon und in Mehlsecken zwei Industriegebiete, die sich noch weiter entwickeln können», sagt Arnold. Bereits heute leide die Wohnqualität unter dem stetig zunehmenden Verkehr. «Anders als alle Verkehrsplaner und Spezialisten erfahre ich dies Tag für Tag buchstäblich vor der eigenen Haustüre.» Gerade zu «schizophren» bezeichnet Arnold, dass der Kanton Reiden als Auszonungsgemeinde taxiert und gleichzeitig die Einzonung von 200 000 Quadratmetern Land unterstützt. Kurzum: Bis zur alles entscheidenden und auf den Frühling angesetzten Gemeindeversammlung will das Gegnerkomitee laut Arnold «alles in die Waagschale werfen», damit die Reiderinnen und Reider die nötige Umzonung des Areals bachab schicken.

 

Weitere Infos zu den Argumenten des Gegnerkomitees unter: www.nein-umzonung-mehlsecken.ch

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