Das lange Warten könnte bald enden

Seit drei Wochen dürfen alle Schwinger unter Einhaltung strenger Vorgaben zumindest auf Aussenplätzen wieder ihrem liebsten Hobby nachgehen. Schon seit Mitte März im Training sind 120 Sägemehlathleten der sogenannten Leistungssportgruppe. Dazu gehören Joel Ambühl, Michael Müller und Werner Suppiger. Ein Trainingsbesuch.

Nach einer Saison ganz ohne Wettkämpfe hoffen alle Schwinger, 2021 zumindest ein paar Schwingfeste bestreiten zu können. Joel Ambühl (blaues T-Shirt) und Michael Müller vom SK Wiggertal dürfen dank ihrer guten Leistungen in der Vergangenheit immerhin schon seit Mitte März uneingeschränkt in Kleingruppen trainieren. Fotos Patrik Birrer
Patrik Birrer

Seit nunmehr zwei Monaten bilden René Suppiger (SK Surental), Joel Ambühl, Michael Müller und Werner Suppiger eine hochkarätige Trainingsgruppe. Das Quartett gehört zu den 120 Athleten, die seit dem 17. März in Kleinstgruppen wieder ohne Einschränkungen im Sägemehl trainieren dürfen. Die Aufnahme in diesen erlauchten Kreis der Topschwinger haben sie sich mit starken Resultaten vor dem Ausbruch der Coronakrise verdient.

 

Ungleichbehandlung gibt zu reden
Doch obwohl die Einteilung der 120 Schwinger in diese Leistungssportgruppe auf nachvollziehbare Art und ausschliesslich aufgrund sportlicher Gesichtspunkte vollzogen wurde, hat die Ungleichbehandlung dieser Spitzenschwinger gegenüber dem grossen Rest in Schwingerkreisen hohe Wellen geworfen. Immerhin: Seit dem 26. April dürfen auch alle anderen Athleten wieder im Sägemehl trainieren. Einschränkungen gibt es für sie allerdings weiterhin: So gilt permanente Maskenpflicht (also auch beim Schwingen selber) und es dürfen maximal 15 Personen zusammenkommen. Gleichwohl: Es ist nach einem Jahr ohne Schwingfeste und ungewissen Wochen und Monaten zumindest ein erster kleiner Schritt zurück zur Normalität.

 

Wem hätte es denn etwas gebracht, wenn ich gewartet hätte, bis alle anderen auch ins Sägemehl zurück dürfen?
Werner Suppiger
SK Wiggertal

 

Fakt ist aber auch: Die Schwinger, die bereits vor der Coronakrise zu den Besten ihres Fachs gehörten, haben durch die frühere Trainingserlaubnis einen zusätzlichen Vorteil erhalten. «Natürlich verstehe ich, wenn das bei den anderen Schwingern nicht gut ankommt», sagt Routinier Werner Suppiger. Darüber nachgedacht, selber auf das Privileg einer früheren Rückkehr ins Sägemehl zu verzichten, habe er aber nicht. «Wem hätte es denn etwas gebracht, wenn ich gewartet hätte, bis alle anderen auch ins Sägemehl zurück dürfen?», fragt der 32-Jährige. Der 35-fache Kranzgewinner weiss das Privileg zu schätzen und fügt an: «Ich hoffe sehr, dass es die epidemiologische Situation bald wieder zulässt, dass alle ohne Einschränkungen trainieren dürfen.»

 

«Es war sehr hart»
Dieser Einschätzung pflichten Michael Müller und Joel Ambühl bei. Auch sie haben die Möglichkeit einer frühzeitigen Rückkehr ins Sägemehl liebend gern wahrgenommen. «Das vergangene Jahr war sehr hart», blickt Ambühl zurück. Trotz des Lockdowns im Frühjahr 2020 habe er relativ lange gehofft, vielleicht doch noch das eine oder andere Schwingfest bestreiten zu können. Diese Hoffnung platzte bekanntlich. «Nun endlich wieder im Sägemehl zu stehen, ist einfach ein gutes Gefühl.» Der mittlerweile 23-Jährige war mit sieben Kranzgewinnen, darunter die prestigeträchtigen Exemplare auf dem Brünig, der Rigi und beim Innerschweizer Verbandsfest, einer der Aufsteiger des Jahres 2019 gewesen. Der Ausfall der gesamten Saison 2020 schmerzte ihn umso mehr. «Natürlich hatte ich keine Garantie, dass es in diesem Stil weitergegangen wäre. Dennoch wäre es interessant zu sehen gewesen, was für mich möglich gewesen wäre.»

 

Michael Müller (hinten) und Werner Suppiger bilden zusammen mit Vereinskollege Joel Ambühl vom SK Wiggertal und Eidgenosse René Suppiger vom SK Surental eine hochkarätige Trainingsgruppe.

 

Das «Zwischenjahr» als Chance
Ein bisschen anders sieht die Situation bei Michael Müller aus. Nach Kranzgewinnen am Zuger und Luzerner Kantonalen hatte sich der Kottwiler im 1. Gang es Schwarzenberg-Schwingets Mitte Juni 2019 einen Kreuzbandriss im linken Knie zugezogen. Der 25-Jährige verpasste deshalb des Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in Zug. Rückblickend sei ihm der Ausfall der gesamten vergangenen Saison fast ein wenig entgegengekommen. «Ich konnte meine Verletzung sauber und ohne irgendwelchen Zeitdruck ausheilen lassen. So gesehen, kann ich persönlich dem für alle Schwinger sehr schwierigen Jahr 2020 auch positive Seiten abgewinnen.»

Gleiches gilt für Werner Suppiger. Er hatte sich nach verheissungsvollem Start am «Eidgenössischen» in Zug im Duell mit dem späteren Schwingerkönig Christian Stucki einen Schulterbruch zugezogen. «Ich hatte ausreichend Zeit, die Verletzung ausheilen zu lassen und einen sauberen Kraftaufbau zu machen. Körperlich fühle ich mich trotz der langen Zeit ohne Trainings und Wettkämpfe im Sägemehl super.»

 

Keine Gedanken ans Aufhören
Die Freude über die Rückkehr ins Sägemehl war beim Toptrio des SK Wiggertal riesig. «Es war schon schwierig, die Motivation in jeder Phase dieser ungewissen Zeit aufrecht zu halten», gesteht Joel Ambühl. «Aber ich habe mein Trainingsprogramm über all die Monate durchgezogen und freue mich enorm darauf, wenn endlich wieder Schwingfeste stattfinden können.»

 

Ich konnte meine Verletzung sauber und ohne irgendwelchen Zeitdruck ausheilen lassen. So gesehen, kann ich persönlich dem für alle Schwinger sehr schwierigen Jahr 2020 auch positive Seiten abgewinnen.
Michael Müller
SK Wiggertal

 

Michael Müller hat im vergangenen Jahr erfolgreich die Polizeischule in Hitzkirch absolviert. Die nun unregelmässigen Arbeitszeiten als Polizist erfordern in Bezug auf die Trainingsgestaltung viel Flexibilität. Nicht immer kann er bei allen Einheiten im Sägemehl dabei sein. Gedanken, deswegen kürzerzutreten oder ganz mit dem Schwingsport aufzuhören, seien bei ihm aber auch nach der schweren Knieverletzung nie aufgekommen. «Dafür liebe ich den Schwingsport zu sehr und dafür bedeutet er mir zu viel.»

 

Behutsamer Einstieg
Bei aller Freude: Die Schwinger mussten sich nach dem Ende der erzwungenen und ungewohnt langen Sägemehl-Abstinenz zuerst etwas zügeln. «Nach einer derart langen Pause kann man nicht einfach loslassen, als wäre nichts gewesen», sagt Werner Suppiger. Muskeln, Gelenke und Knochen hätten zuerst wieder an die spezifischen Belastungen des Schwingens gewöhnt werden müssen. «Da kannst du dich noch so gewissenhaft und gut fit halten: Die beim Zweikampf im Sägemehl wirkenden Kräfte kannst du nicht simulieren.»

Die ersten Trainings wurden ganz bewusst so gestaltet, um das Verletzungsrisiko gering zu halten. Erst mit der Zeit wurde die Intensität gesteigert. Die Tatsache, dass vorerst ausschliesslich absolute Topathleten in ganz kleinen Trainingsgruppen zusammengreifen, ist ein weiterer Unterschied zum «normalen» Trainingsbetrieb in den Schwingklubs vor der Corona-Pandemie. «Darauf muss man sich einstellen. Von diesen Einheiten mit Übungen und Kämpfen ausschliesslich gegen andere Topathleten profitieren wir alle», sagt Michael Müller.

 

Es war schon schwierig, die Motivation in jeder Phase dieser ungewissen Zeit aufrecht zu halten.
Joel Ambühl
SK Wiggertal

 

Das ESAF 2022 als Fernziel
In den Trainings mit bloss vier Teilnehmern sind Intensität und Belastung hoch. Pausen für die einzelnen Schwinger sind selten und kurz. Neben den Einheiten in den Kleingruppen finden seit Anfang Mai jeweils montags auf einem Aussenplatz in Ruswil Zusammenzüge der Topathleten des Luzerner Kantonalen Schwingerverbands statt. Das Niveau dort ist mit Teilnehmern wie Joel Wicki oder Sven Schurtenberger noch ein bisschen höher und verlangt allen alles ab.

Neben den wöchentlich zwei Schwingtrainings bereiten sich alle Athleten zusätzlich individuell auf den Beginn der Saison vor. Kraft- und Ausdauertraining spielen dabei eine zentrale Rolle. «Was jemand braucht und was er ganz genau macht, ist sehr individuell», erklärt Werner Suppiger. Bei ihm kommen mittlerweile wieder vier bis fünf Trainingseinheiten pro Woche zusammen. «Meine Motivation ist so gross wie noch nie», sagt er. Die verlorene Saison 2020 schmerze ihn aber schon. «Ich habe nicht mehr so viele Jahre als Aktiver wie jüngere Kameraden.» Umso gezielter arbeitet Suppiger auf sein nächstes grosses Ziel hin: das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2022 in Pratteln. Auch für seine jüngeren Klubkollegen Joel Ambühl und Michael Müller ist dieser Grossanlass das Fernziel, um das sich bereits jetzt alles dreht. Und welche Ziele haben sie sich für allfällige Schwingfeste in diesem Jahr gesetzt? «Egal ob an einem Rang- oder an einem Kranzfest: Es geht immer darum, die bestmögliche Leistung abzurufen», sagt Michael Müller. Wozu das unter den jeweiligen Umständen reiche, werde sich zeigen.

Klar ist: Wenn die Resultate bereits wieder so gut wären wie vor der Corona-pause und gar in einer Selektion für den Kilchberger Schwinget (25. September) gipfeln würden, hätte keiner aus dem Trio etwas dagegen einzuwenden.

Patrik Birrer

 

Jubiläumsschwingfest erneut verschoben

Schwingen Nachdem im vergangenen Jahr praktisch sämtliche Schwingfeste abgesagt respektive verschoben werden mussten, hat die Corona-Pandemie auch heuer wieder für zahlreiche Verschiebungen und Absagen gesorgt. Betroffen ist auch das Jubiläumsschwingfests 125 Jahre ESV in Appenzell. Das OK gab vergangene Woche bekannt, dass der Anlass wie schon im Vorjahr verschoben werden muss. Die Planungsunsicherheiten für das Schwingfest, zu dem 20 000 Zuschauer erwartet werden, seien nach wie vor zu gross. Das OK prüft nun, ob und wann der Jubiläumsanlass doch noch stattfinden könnte. Die Organisatoren des «Kilchberger-Schwinget» dagegen halten vorerst am Durchführungstermin vom 25. September fest. pd/pbi

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.