Sagenhafte Geschichten

Das Napfgebiet mit seinen Eggen und Graben, den nebelverhangenen Chrachen, den kräftigen Gewittern und den dunklen Nächten. Zuhinterst im düsteren Enziwald, am Fusse des Napfes, in der Chrotthütte. Dort finden jeden Herbst die Nachtessen mit Sagenerzählerinnen statt. Seit 2005 besteht dieses mittlerweile unglaublich beliebte Angebot, organisiert von «Tourismus Kräuterdorf Hergiswil». Seit circa zehn Jahren dabei: Rita Rölli. Die Hergiswilerin ist leidenschaftliche Erzählerin. «Ich liebe es, die Menschen mit einer Geschichte in Bann zu ziehen, sie für einen Moment aus dem Alltag zu entführen», sagt die 67-Jährige. Und das gelingt ihr: «Ich bekomme nach den Aufführungen oft Komplimente, diese freuen mich immer unglaublich.» Ganz besonders, weil sie im Alltag nie mit der Kunst des Erzählens zu tun hat: Rita Rölli arbeitet als Coiffeuse. «Zwar habe ich schon immer gerne Theater gespielt, oder gar die Regie dafür übernommen, doch ansonsten waren mir derartige Auftritte fern.» Wie kommt sie also zum Sagenerzählen? «Das habe ich einer legendären Frau zu verdanken.» Gemeint ist Maria Kunz-Hodel. Diese begann vor rund 20 Jahren mit den Sagenerzählungen als Herbstanlass für Private, Firmen und Vereine. Irgendwann diente ihr Rita Rölli als «Miterzählerin». Im Jahr 2016 ist Maria Kunz leider verstorben. Seither leitet Rita Rölli zusammen mit der Hergiswilerin Nadja Flückiger das sagenhafte Erlebnis. «Es ist schön, auch den jungen Leuten alte Geschichten oder Ausdrücke wie zum Beispiel ‹Chnuuppesaager› weiterzugeben», sagt Rita Rölli. Und fragt sogleich: «Wissen Sie was das heisst?» Kopfschütteln. «Ein Chnuuppesaager ist ein Giiznäpper, ein Geizhals. Oder Trucklimuuser, das ist ein Eigenbrötler. Ach, ich könnte noch ewig weitermachen mit solchen Begriffen.» Rita Rölli lacht, man merkt: Jetzt ist sie in ihrem Element.

Chantal Bossard