Mitte zeigt Fussballchaoten die rote Karte

Nun macht die Luzerner Mitte ihre Ankündigung wahr und lanciert im Kampf gegen die Fangewalt eine kantonale Volksinititative. Der Entschied fiel deutlich aus – auch wenn einzelne Delegierte das Ansinnen stark kritisierten.

Fans des FC Sion hatten in Luzern im August vergangenen Jahres Pyros gezündet. Foto Keystone
Stephan Weber

In der höchsten Schweizer Fussballliga sind die Zuschauerzahlen so hoch wie noch nie. Wer Fussball liebt, staunt über die fantasievollen Choreografien, die Woche für Woche in den nationalen Fankurven für Aufsehen sorgen. Unschön ist, was leider rund um die Fussballspiele in der Super League ebenfalls regelmässig vorkommt: Ausschreitungen. Zuletzt vor einer Woche im Wallis, als nach dem Spiel des FC Sion gegen Servette Chaoten wüteten und die Genfer Polizei angriffen. Oder in Luzern, wo die Gesetzeshüter Mitte April gegen FCZ-Hooligans Gummischrot einsetzten, als die Chaoten randalierend durch die Strassen zogen und unter anderem Autos beschädigten.

Die Fangewalt im Fussball beschäftigt die Mitte des Kantons Luzern seit längerer Zeit. Kantonsräte reichten zur Thematik Vorstösse im Parlament ein. So etwa der Hochdorfer Daniel Rüttimann oder zuletzt Fraktionschef Adrian Nussbaum, der in einem dringlichen Postulat unter anderem die Einführung einer ID-Pflicht für alle Besucher der FCL-Spiele forderte. Erfolglos: Sein Vorstoss wurde im März vom Parlament abgelehnt.

«Rechtsfreien Raum»
«Jetzt muss etwas gehen», sagte Mitte-Parteipräsident Christian Ineichen am Dienstagabend an der Delegiertenversammlung im Zentrum Maihof in der Stadt Luzern. «Die Gewaltauswüchse rund um Fussballspiele nehmen laufend zu. Als Folge davon gibt es hohe Kosten für die Geschädigten, es hat kaum Konsequenzen für die Verursacher und die Veranstalter zeigen wenig Einsehen. Sie flüchten sich in Floskeln», so der Entlebucher. Und: «Gewisse nutzen den Fussball als rechtsfreien Raum.»

Die Parteileitung habe, um das Problem zu lösen, eine Arbeitsgruppe eingesetzt, so Ineichen. Darin vertreten sind neben Politikern Juristen und Polizisten. Mit der Volksinitiative soll das Gesetz rigider ausgelegt werden. Man wolle eine konsequente Strafverfolgung ermöglichen. «Wir wollen die Übeltäter aus der Anonymität herausholen.» Weiter gelte es, geordnete Abläufe vor, während und nach den Spielen zu gewährleisten. Dabei beschränke man sich auf Sportveranstaltungen – und zwar in den beiden höchsten Schweizer Fussball- und Eishockeyligen. Ineichen betonte, man wolle keine «Lex FCL» schaffen, sondern eine «Lex Fangewalt».

Die Forderungen der Initiative
An der Versammlung wurde den 151 Stimmberechtigten aufgezeigt, welche Forderungen das Volksbegehren beinhaltet. Es sind im Wesentlichen vier Punkte. So soll das Hooligan-Konkordat, das seit 2007 besteht und dem mittlerweile sämtliche 26 Kantone beigetreten sind, ins kantonale Polizeigesetz überführt werden. Zudem müssten die FCL-Zuschauer beim Eingang ihre Identitätskarte vorzeigen müssen. Spielbewilligungen gibt es nur, wenn einem Konzept zur An- und Rückreise zugestimmt wird. Passiert das nicht, gibt es keine Gästefans im Stadion. Zu guter Letzt will die Mitte ein «automatisches Eskalationsmodell». Das kann bedeuten: Verwarnungen, Sektor-Schliessungen bis hin zu Geisterspielen.

Nicht aus Verantwortung stehlen
Nach den Ausführungen des Parteipräsidenten folgten emotionale Voten. Zu den Befürwortern der Initiative zählt Nationalrätin Ida Glanzmann. Sie habe 2011 ein Postulat zur Fangewalt eingereicht. Es sei versandet «und landete in der Schublade.» Das Hooligan-Konkordat sei zwar eine gute Sache. «Allerdings wird es nicht umgesetzt». Fussballclubs und Fanorganisationen dürften sich nicht aus der Verantwortung stehlen. «Ich bin froh, wenn die Mitte nun etwas macht», sagte die Altishoferin. Mit ähnlichen Worten argumentierte Nationalrat Leo Müller. Er ertrage es fast nicht mehr, ständig in der Zeitung zu lesen, dass es wegen der Fangewalt zu kaputten Zügen und Bussen komme und deren Reparatur mit Steuergeldern berappt werden müssten. «Wir haben das Problem nicht im Griff.» Auch Albert Schwarzenbach, einstiger Präsident des Stadtparlaments, outete sich als Befürworter der Initiative. Er, FCL-Donatorenmitglied und Fussballfan, sagte, in der Swissporarena würden immer wieder Pyros gezündet. Seit Jahren werde über die Thematik gesprochen, passiert sei nichts. «Dabei wird die Fanarbeit mit öffentlichem Geld bezahlt». Mit Kritik wurden auch die Fussballobersten eingedeckt. Christian Ineichen sagte, Philipp Studhalter, der ehemalige FCL-Präsident und heutige Präsident der Swiss Football League sei vor einem halben Jahr Gast gewesen, als die Mitte-Fraktion zu einer Sitzung lud. Sein Auftritt lasse ihn nicht glauben, dass Besserungen eintreten, so Ineichen. «Diese Leute in den obersten Fussballligen wollen gar nichts ändern. Man kann sie nur mit Gesetzen zur Räson bringen.»

«Polizei muss es halt durchsetzen»
Opposition gegen das Volksbegehren  gab es im Wesentlichen von zwei Delegierten. Gregor Schnider aus der Stadt Luzern sagte, man verteufle mit dieser Initiative die Fussballfans. Darunter leiden müsste die Mehrheit der Zuschauer, die sich korrekt verhalten. ID-Kontrollen würden nichts bringen. «Wir fahren damit einen bürokratischen Töff hinauf, statt die Verursacher zur Rechenschaft zu ziehen.» Enerviert zeigte sich der Hildisrieder Markus Estermann, welcher der Partei vorwarf, statt mit Argumenten und Fakten mit Schlagworten zu politisieren. Die Probleme liessen sich mit ID-Kontrollen nicht lösen, das zeige sich im Ausland, wo weder Deutschland, noch England dieses Mittel anwenden. Vielmehr solle das Hooligan-Konkordat angewendet werden. «Dieses lässt zum Beispiel ein Rayonverbot zu. Nur muss es die Polizei halt einfach durchsetzen.»

Auf den Vorworf, die ID-Kontrolle bringe nichts, sagte Adrian Nussbaum, er verstehe nicht, warum sich Fans wehren würden, diese vorzuzeigen. So habe der EV Zug freiwillig die ID-Pflicht eingeführt, um die Probleme in den Griff zu kriegen. Zudem wehrte er sich gegen den Vorwurf, die Partei betreibe Schlagwortpolitik. Die Mitte habe sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und sowohl Gespräche mit dem FCL, mit den Fans und mit Vertretern der Super-League geführt.
Nach den intensiven Diskussionen war das Ja zur Initiative reine Formsache. Mit nur vier Gegenstimmen beschlossen die Delegierten schliesslich die Ja-Parole. Nun hat die Partei ein Jahr Zeit, 4000 Unterschriften zu sammeln. Der Initiativtext werde nun erarbeitet, sagte Ineichen.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.