Er hat Pressegeschichte(n) geschrieben

Max Huber hat die Geschichte der Zentralschweizer Presse aufgearbeitet. Der gebürtige Wiggertaler schlägt dabei einen grossen Bogen: Auf über 600 Seiten gibt es Spannendes aus 500 Jahre Zeitungsgeschichte zu lesen.

Max Huber an seinem Arbeitsplatz, dem Staatsarchiv in Luzern. Foto: Stephan Weber
Stephan Weber

Geplant war eine Übersicht der Zentralschweizer Pressegeschichte. Am liebsten in Form eines Essays. Zwischen 40 und 50 Seiten dick. Allenfalls ergänzt mit ein paar Skizzen zu ausgewählten Presseorganen. Kurz: Eine Publikation, die so perfekt zur Buchreihe über die Kultur in der Zentralschweiz gepasst hätte, welche von Peter Schulz, dem Gründer der Journalistenschule MAZ, herausgegeben wurde. Doch es kam anders. Letztlich war das Buch über die Geschichte der Zentralschweizer Presse über 600 Seiten dick. Bis «Unter Druck» vorlag, vergingen annähernd 20 Jahre. Alleine das Erarbeiten des alphabetischen Registers beanspruchte den Autor drei Wochen. Mit dem Umfang passt das Werk nun ideal in die vom Staatsarchiv herausgegebene Buchreihe «Luzerner Historische Veröffentlichungen» (LHV).

1989 promoviert

Geschrieben hat das Buch Max Huber. Der Stadtluzerner, der in Langnau bei Reiden als Sohn eines Lastwagenfahrers aufgewachsen ist, arbeitet als Archivar beim Staatsarchiv in Luzern. Die Medien interessieren den zweifachen Vater, dessen Kinder zu Beginn des Buchprojektes in die Spielgruppe, respektive den Kindergarten gingen, schon lange. Er hat zig pressegeschichtliche Artikel publiziert und 1989 seine Dissertation über die politische Presse im Kanton Luzern zwischen 1914 und 1945 abgeschlossen.

«Unter Druck» ist in mehrere Kapitel aufgeteilt. Es beginnt bei den Anfängen des Buchdrucks in der Innerschweiz vor über 550 Jahren, als in Beromünster Chorherr Helyas Helye ein Handbuch für Kleriker herausgab, gefolgt von Ausführungen über das Aufkommen der ersten Zeitungen in der Zentralschweiz bis zur Krise der gedruckten Presse im Zeitalter der Digitalisierung. Dankbar ist die Leserin und der Leser über das ausführliche Inhaltsverzeichnis und das fast 20-seitige Namensregister, welches hilft, sich im Wälzer zu orientieren und nach bestimmten Geschichten zu suchen. Abgeschlossen wird der redaktionelle Teil mit einem Epilog des Autors, in welchem er unter dem Titel «Zeitungsdruck und -verlag – ein vierhundertjähriges Verhältnis vor der Auflösung?» über die Zukunft der Medienbranche sinniert. Wie lange es noch gedruckte Zeitungen geben werde, sei eine Frage, «die sich nicht nur Publizisten und Zukunftsforscherinnen, sondern (...) auch die Marketingfachleute der Druck- und der Papierbranche stellen», schreibt er. Im Gespräch ist er punkto Zukunftsaussichten bei den Lokalblättern und Qualitätszeitungen optimistischer. «Diese dürften eher noch auf Papier weitergehen», prognostiziert Huber.

Antworten liefern, Fragen aufwerfen

«Mein Ziel war eine kontinuierliche und umfassende Darstellung der Zentralschweizer Presselandschaft. Und zwar seit ihrer Entstehung im 16. Jahrhundert», sagt Max Huber. Allerdings sollte die Bibliografie nicht als Lexikon oder als Datenbank aufbereitet werden. «Sondern in Form einer chronologisch und teilweise auch geografisch gegliederten Erzählung.» Grossen Wert legte der Historiker darauf, dass viele Illustrationen das Werk zieren und so zum Lesen animieren. Zudem lasse sich das Buch immer wieder zur Hand nehmen und darin schmökern. «Meine Vorstellung von einem Sachbuch, welches von vorne nach hinten gelesen wird, war im Nachhinein pure Naivität», sagt Max Huber und lacht. Zufrieden ist Huber, wenn sein Werk dem Leser Antworten liefert und vielleicht gar neue Fragen anregt.

Dass es bis zur Vollendung des Buches so lange dauerte, hat zwei Gründe: Einerseits forschte Max Huber über fast 400 Jahre Zeitungsgeschichte in sechs Kantonen. Und andererseits schrieb der Archivar, der beim Staatsarchiv in einem 80-Prozent-Pensum arbeitet, das Buch über weite Strecken an seinem freien Tag - dem Montag, wie er an der Vernissage zum Buch verriet.

Frauen als prägende Figuren

Max Huber kennt sich in der Zentralschweizer Pressegeschichte wie kein Zweiter in der Schweiz aus. Gibt es gleichwohl Sachen, die ihn bei der Recherche überraschten? Die gebe es durchaus, antwortet der Autor. «Mich hat es erstaunt, welche wichtige Rolle die Frauen in der Geschichte der Presse eingenommen haben.» Das sei ihm so nicht bewusst gewesen. Josephine Anselmier-Eberle etwa, die 1860 in Lachen den «March-Anzeiger» gründete, der noch heute im Kanton Schwyz existiert. Oder Anna Felicitas Hautt, welche 1689 anstelle ihres Mannes die Leitung der damals einzigen Buchdruckerei in Luzern übernahm. Die Buchdruckerdynastie Hautt prägte das Luzerner Verlagswesen für mehr als ein Jahrhundert, da sie als Herausgeberin der ersten beiden in Luzern erschienenen Zeitungen wirkte. Überrascht war Huber auch, dass es vor dem 19. Jahrhundert in Zug gleichzeitig bis zu fünf Buchdruckereien gab, aber keine einzige Zeitung. Die erste Zuger Zeitung erschien mit dem «Wochenblatt der vier löblichen Kantone Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug» erst 1814.

Max Huber ist ein fleissiger Medienkonsument. Er liest die lokale Presse, ist «Möglichmacher» bei zentralplus und Abonnent der NZZ am Sonntag, Republik und WOZ. Der Luzerner hat auch eine Vergangenheit als Journalist. Er hat während dem Studium beim einstigen «Badener Tagblatt» und beim «Freier Aargauer» Praktika absolviert. Bei Letzterem musste er gar die Fotos selber entwickeln. Das Schreiben gefiel ihm, doch von seinem Berufswunsch Auslandkorrespondent musste er sich damals verabschieden. Heute, ein paar Jahrzehnte später, muss er darob schmunzeln. «Ich wäre eine glatte Fehlbesetzung gewesen», sagt er. Aus dem Stegreif druckreife Sätze zu liefern? «Das könnte ich überhaupt nicht.» Zudem hätte er Mühe mit dem Tempo in den Redaktionsstuben. «Als Archivar kann ich mir mehr Zeit nehmen, um den Dingen auf den Grund zu gehen.»

Artikel statt Monografie

Fast gleichzeitig mit dem Erscheinen des Buches endet auch die Anstellung von Max Huber beim Staatsarchiv. Vor beinahe 35 Jahren hat er seine Arbeit als Archivar an der Bahnhofstrasse 18 begonnen. Ende April geht er in Pension. Dann wird er mehr Zeit haben, um für die Heimatkunde Wiggertal oder die Seetaler Brattig kleinere historische Artikel zu verfassen oder sich als Vereinspräsident für das Dorfmuseum Langnau-Mehlsecken-Reiden zu engagieren. «Aber eine Monografie schreiben: Das werde ich sicher nicht».

Hinweis: «Unter Druck». Die Presse in der Zentralschweiz. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 613 Seiten, ISBN 978-3-7965-4674-7, ist in den Buchhandlungen und im Schwabe Verlag für 96 Franken erhältlich.

Einst drei Zeitungen in Willisau

Die Geburtsstunde des «Willisauer Bote» fällt auf den 14. Mai 1887. Damals bringt Adolf Kuhn (1853-1916) die Zeitung als Wochenblatt auf den Markt. Es dauert nicht lange, bis der «Willis- auer Bote» als «günstiges Insertionsorgan» etabliert ist, wie Max Huber in seinem Buch «Unter Druck» schreibt. Zu diesem Zeitpunkt ist der «Willis- auer Bote» allerdings nicht die einzige Zeitung in Willisau. Der «Wächter am Napf», die letzte Gründung des seit 1851 in Willisau als Zeitungsverleger tätigen Buchdruckers Konrad Kneubühler (1822-1910), bedient die im Städtchen dominierenden Liberalen, während der «Willisauer Bote» die konservativen Wähler anspricht. Damit werben um diese Zeit zwei Zeitungen um die Gunst der Leserschaft auf dem Presseplatz Willisau.

Zu Beginn der 1920er-Jahre wird die Konkurrenz noch grösser. Pfarrhelfer Stephan Troxler (1881-1935) gründet im Juni 1921 eine Genossenschaft. Ziel: Die Herausgabe einer kirchentreuen, katholischen Zeitung. Im Dezember 1921 folgt die erste Ausgabe von «Die Familie». Es ist eine katholische Wochenzeitung unter der Redaktion des Amtsstatthalters Dr. Sales Hecht (1889-1955). Das Blatt hat die gleiche Zielgruppe wie der «Willisauer Bote» und stellt deshalb für den Drucker und Verleger Adolf Kuhn junior «eine unliebsame Konkurrenz» dar. Kuhn, so ist im Buch «Unter Druck» nachzulesen, «musste in nicht gerade zimperlich zu nennende Kaufverhandlungen» einwilligen. Im September 1922 verkauft er seine Druckerei mitsamt Verlagsrecht am «Willisauer Bote» an Troxlers Genossenschaft und verlässt Willisau. 

Die «Familie» wird nun zur illustrierten Unterhaltungsbeilage des «Willisauer Bote» umfunktioniert. Bald wird der erste Redaktor eingestellt, die Ausgabe auf zwei Ausgaben pro Woche erhöht. Nach dem Tod von Stephan Troxler im Jahr 1935 wird die «Familie» aufgegeben. Der «Willisauer Bote» bleibt bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus eine katholische Zeitung, die sich als «Führer in kulturellen und religiösen Belangen, Führer zu Gott» versteht. Nach ersten Anfängen unter Geschäftsleiter Eugen Meyer-Sidler und Redaktor Franz Josef Kurmann schafft es dessen Schwiegersohn Josef J. Zihl- mann, die Zeitung als überparteiliche Lokalzeitung zu positionieren. Heute versteht sich der «Böttu» als Forumszeitung. (swe)

Hartes Pflaster

Die erste auf der Luzerner Landschaft erschienene Zeitung ist der «Eidgenosse», der 1831 bis 1841 in Sursee gedruckt wird, schreibt Max Huber in seinem Buch «Unter Druck». Eigentliche Landzeitungen folgen erst später, 1851 in Willisau und 1856 in Sursee. Viele sind erfolglos und verschwinden nach einem Jahr oder sogar schon nach wenigen Nummern wieder. So sind Bemühungen in Wolhusen, Baldegg, Ebikon und Hitzkirch «nicht von dauerhaftem Erfolg gekrönt», berichtet Max Huber. Als sich die Konjunkturlage ein paar Jahre später bessert, kommt es im Kanton Luzern zu ein paar erfolgreichen Zeitungsgründungen. Neue Lokalzeitungen entstehen, so etwa in Kriens (1895), Triengen (1897), Hochdorf (1900), Reiden (1902 und 1913), Ruswil (1905), Beromünster (1909) und Vitznau (1911). Vor Beginn des Ersten Weltkrieges erscheinen laut Historiker Huber an zwölf Orten in der Luzerner Landschaft insgesamt 15 Lokalzeitungen. In Sursee, Willisau und Reiden gibt es sogar je zwei Druckereien mit eigener Zeitung. Heute erscheinen inklusive der Vitznauer Wochenzeitung noch acht Lokalzeitungen im Kanton Luzern. (swe)

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.