Er versucht Licht ins Dunkel zu bringen

Es ist ein wohl ­gehütetes Geheimnis: die Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen. Mit dem Buch «Wer finanziert die Schweizer ­Politik?» ist Mitte-Kantonsrat ­Daniel Piazza auf der Spur der Finanzierungsströme.

 

Daniel Piazza hat die Politikfinanzierung unter die Lupe genommen. Foto apimedia
Stephan Weber

Effizient. Effektiv. Wenig missbrauchs- und korruptionsanfällig. So ist die private Politikfinanzierung der Schweiz. Das jedenfalls schreiben Daniel Piazza und Co-Autor Peter Buomberger im 280 Seiten starken Buch «Wer finanziert die Schweizer Politik?», welches vor ein paar Wochen im NZZ Libro Verlag erschienen ist. Gleichwohl brauche es Anpassungen, schreiben die Autoren und listen konkrete Vorschläge auf. Zudem geben sie Politakteuren Tipps zum Fundraisen.

Daniel Piazza, warum haben Sie zusammen mit Peter Buomberger dieses Buch geschrieben?
Als aktiver Politiker habe ich die Debatten um die Politikfinanzierung im Parlament schon immer mit grossem Interesse verfolgt. Trotzdem war es nicht unsere Absicht, gleich ein Buch zu diesem Thema zu schreiben. Vielmehr wollten wir einen Diskussionsbeitrag zur Transparenz-Debatte leisten. Aber je mehr wir uns mit der Materie beschäftigten und ins Thema eintauchten, umso mehr erkannten wir, wie viel Infos zur Finanzierung schon da sind. Dann setzten wir die vielen Puzzle-Teile zusammen. Bis letztlich nach rund zwei Jahren Arbeit ein Buch daraus wurde.  
 
Ihre Studie zeigt: 90 Prozent der Gelder an die Politakteure oder an Kampagnen stammen von Privatpersonen oder Unternehmen. Eine Schweizer Eigenheit?
Ja, das kann man so sagen. Am ehesten ist das Schweizer Modell mit den angelsächsischen Ländern vergleichbar. In den meisten europäischen Ländern ist der Anteil der staatlichen Finanzierung aber weitaus höher. Zum Beispiel in Österreich. Dort stammen fast 80 Prozent der Gelder vom Staat.

Je grösser der Anteil Staatsgelder, desto besser kann Transparenz geschaffen werden?
Grundsätzlich ja. Der Staat muss transparent sein, wo er sein Geld einsetzt. In Ländern, wo der Staat mehr finanziert, herrscht naturgemäss mehr Transparenz. Aber es gibt einen Pferdefuss. Internationale Studien zeigen: Je mehr der Staat finanziert, desto mehr Bürokratie gibt es. Und: Die Korruption lässt sich damit nicht verhindern. Zudem gilt: Werden die Politakteure zu stark vom Staat finanziert, führt das zu einer unguten Abhängigkeit.
 
Sie haben sich das Wahljahr 2019 und das Nicht-Wahljahr genauer angeschaut. Mit welchen Erkenntnissen?

Überrascht hat uns die finanzielle Stärke der links-grünen NGO. Klar: 2020 fanden mit dem Jagdgesetz und der Konzernverantwortungsinitiative zwei Abstimmungen statt, welche Gelder aus diesem Kreis stark mobilisiert haben. Trotzdem: In beiden Jahren war das Budget der Bundesparteien nur halb so gross wie jenes aller NGOs. Dazu kommt, dass es im Politumfeld immer mehr Organisationen gibt, die um Geld buhlen, etwa Operation Libero oder die Klimabewegung. Es scheint, als profitierten die Parteien fast nicht vom grösser werdenden Kuchen.
 
Sie zählen bürgerliche Wirtschaftsverbände wie die economiesuisse auch zu den NGOs, obwohl diese mit den links-grünen Gewerkschaften kaum Berührungspunkte haben.
Das stimmt. Wir haben eine eher breit gefasste Definition von NGO angewendet. Das ist gewöhnungsbedürftig, macht aber Sinn, gerade bei unseren Erfassungen. Es geht darum, dass es sich bei all diesen Organisationen um Nichtregierungsorganisationen handelt, eben NGOs.
 
Rufe nach mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung gab es in den letzten Jahren zuhauf. Nächstes Jahr gelten die Transparenzvorschriften, wonach Parteien und Komitees Beiträge ab 15 000 Franken offenlegen müssen. Sie sind kein Fan dieser Regelung. Warum?
Weil wegen der Transparenzvorschriften nicht für alle Akteure die gleichen Regeln gelten. So müssen die Parteien ihre Budgets offenlegen, die NGOs nur deren Budgets in den Kampagnen, nicht aber das Budget für ihr politisches Engagement. Die Vorlage könnte die Parteien benachteiligen. Und es gibt noch einen zweiten Grund.
 
Der wäre?
Problematisch ist die reine Fixierung auf Franken-Beiträge. Ein Beispiel: Bei einem Budget von 5 Millionen Franken ist eine Spende von 15 000 Franken kaum einflussnehmend. Bei einem Gesamtbudget von 50 000 Franken jedoch schon. Deshalb sollten die Spenden ab einem gewissen Prozentsatz und nicht ausschliesslich ab einem starren Frankenbetrag transparent gemacht werden. Auch eine Mischung von beidem funktioniert.  

Die Parteien sind nicht auf Rosen gebettet. Das Geld ist bei allen in der Schweiz knapp.
Daniel Piazza
Buchautor "Wer finanziert die Schweizer Politik?"

Schadet Ihr Vorschlag – den Sie funktionale Transparenz nennen – nicht vorab den Parteien mit kleinen Budgets?
Wichtig ist die Relevanz, die ein einzelner Spender für einen Politakteur hat. Überschreitet diese ein gewisses Mass, ist eine Abhängigkeit vorhanden. Dies kann zu verstecktem Einfluss führen. Das will niemand. Das ist für einen Wähler eines Kandidaten wichtig zu wissen.
 
Wie gross sind denn die Unterschiede der Budgets bei den Bundesratsparteien?
Sie sind gar nicht so unterschiedlich. Die Bundesratsparteien verfügten im Wahljahr 2019 über Budgets in der Höhe zwischen 1,5 und 3,5 Millionen Franken. Die NGOs hatten auf nationaler Ebene sogar etwas mehr Geld zur Verfügung als alle Parteien. Dass die Parteien nicht auf Rosen gebettet sind, mag einige überraschen. Mich nicht. Als ehemaliger Finanzchef der CVP Schweiz weiss ich, dass auf den Büros sämtlicher Parteien in der Schweiz das Geld knapp ist.
 
Warum haben sich in den letzten Jahren vor allem linke Kreise um Transparenz in der Parteienfinanzierung bemüht?
Links-Grün war klar der Treiber. Gedanken dazu haben sich aber alle gemacht. Die bestehende Regelung hatte halt lange der bürgerlichen Meinung entsprochen. Die Anliegen für mehr Transparenz genoss in der Bevölkerung mehr und mehr Sympathien. Letztlich setzte sich im Parlament ein Gegenvorschlag durch, den auch die meisten Bürgerlichen unterstützten. Persönlich finde ich das gut, die Zeit war reif dafür. Klar ist: Das Thema wird uns weiter beschäftigen.
 
Über Finanzen zu reden, hat in der Schweiz weder im privaten noch im institutionellen Rahmen Tradition. Wie sind Sie trotzdem zu den Zahlen gekommen?

Das ist so. Zu Recht, wie ich finde. Peter Buomberger und ich merkten, dass es viele Elemente schon gab, etwa die Wahlbudgets der Kandidierenden. Ein grosser Teil ist zudem den Medien und ihren Recherchen zu verdanken. Da war es wie ein Zusammensetzen eines Puzzles für uns. Als frühere Insider und dank Gesprächen mit anderen Insidern konnten wir den Rest der Zahlen eruieren oder grob plausibilisieren.

Die Grundhaltung im Buch ist bürgerlich geprägt. So befürworten Sie in einem Ihrer acht Postulate höhere Steuerabzugsmöglichkeiten für politische Spenden. Sind Ihre Tipps nur für Bürgerliche anwendbar?
Nein, Freude am Buch sollten all jene haben, welche die private Politikfinanzierung stärken und erhalten wollen. Die von ihnen erwähnten höheren Steuerabzugsmöglichkeiten haben ein Ziel: Die Abzüge für alle Politakteure sollten gleich hoch sein. Das ist heute nicht der Fall. Es geht also darum, gleich lange Spiesse für alle Akteure zu schaffen.

Im Buch geben Sie den Politakteuren 14 Tipps zum Fundraising. Warum?
Mit diesen Tipps wollen wir einen Beitrag leisten, um die Politakteure zu stärken. Sie brauchen finanzielle Mittel. Das ist wichtig für die direkte Demokratie und für den Erhalt der privaten Politikfinanzierung. Zudem wollten wir unser Praxiswissen mit den Leserinnen und Lesern teilen. Die Tipps hegen allerdings nicht den Anspruch eines Betty-Bossi-Rezepts. Erfolgsrezepte sind sehr individuell.  
 
Das Buch ist vor knapp zwei Monaten erschienen. Welche Reaktionen haben Sie seither erhalten?
Meine Frau war froh, dass nach zwei Jahren Recherchearbeit und Schreiben das Projekt endlich ein Ende fand (lacht). Von Freunden und Familie habe ich schöne Rückmeldungen erhalten. Ebenso freute mich, dass auch renommierte und bekannte Politikwissenschafter wie zum Beispiel Claude Longchamp das Buch gelesen und gelobt haben.  

Stephan Weber

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