«Im Nachhinein sind alle immer klüger»

Am 1. April sollen in der Schweiz die letzten Corona-Massnahmen aufgehoben werden. Ab dann gilt wieder die normale Lage. Wie ist der Kanton Luzern aus wirtschaftlicher Sicht durch die Pandemie gekommen? Wir haben beim Luzerner Wirtschaftsdirektor Fabian Peter nachgefragt.

Foto: zvg
Stephan Weber

Fabian Peter, wie gut hat der Kanton Luzern die Coronapandemie bisher bewältigt?
Die Luzerner Wirtschaft hat sich als robust erwiesen. Im Grossen und Ganzen sind viele Unternehmen glimpflich davongekommen. Einige Branchen, ich danke an die Gastronomie, Eventbranche oder Tourismus, hat es hart getroffen. Hier wird es länger gehen, bis das Level vor der Pandemie wieder erreicht ist.

Es gab zwei Lockdowns: Laut Wirtschaftsdaten hat die Schweiz die zweite Welle wirtschaftlich besser überstanden als die erste. Gilt das auch für den Kanton Luzern?
Ja, teilweise. Einerseits waren die Unternehmen in der zweiten Welle besser vorbereitet. Andererseits waren die finanziellen Auswirkungen des zweiten Lockdowns grösser.

In welcher Rolle sahen Sie sich als Wirtschaftsdirektor während der Pandemie vor allem?
Zentral war ein ständiger Austausch mit den Vertretern der Luzerner Wirtschaft. So konnte ich den Puls der Unternehmen spüren und ihre Bedürfnisse aufnehmen.   

Einen intensiven Austausch gab es auch mit Bundesbern?
Ja, das war sehr wichtig. Auf der einen Seite galt es, die Anliegen der Firmen in Bern zu deponieren und umgekehrt die Informationen des Bundes möglichst rasch weiterzuvermitteln und die Auswirkungen im gemeinsamen Austausch zu erörtern.

Mit wem haben Sie sich sonst ausgetauscht?
Ich habe mit sehr vielen Leuten gesprochen, auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Besonders intensiv war der Austausch mit Vertretern der Wirtschaft – sprich Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz, Kantonaler Gewerbeverband oder Luzern Tourismus – und der Gewerkschaften. Allesamt Gespräche, die sich bewährt haben.

Was haben Sie persönlich aus dieser Zeit gelernt?
Erwarte das Unerwartete und entscheide mit den vorhandenen Informationen – auch wenn das nicht immer einfach ist. Und was auch klar ist: Im Nachhinein sind alle immer klüger.

Ein Blick zurück: Was war während den rund zwei Jahren die schwierigste Zeit?
Zu Beginn war es sicher die erste Phase der Unsicherheit. Wir wussten sehr wenig über die Pandemie, mussten aber Entscheide mit teils schwerwiegenden Konsequenzen treffen.

Eine grosse Verantwortung.
Ja. Dazu kommt: Die Entscheide hatten unmittelbar – innert wenigen Tagen oder Stunden und nicht wie sonst in der Politik erst in Jahren – konkrete Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung. Eigentlich ist es ein Privileg, in einer solchen Situation Entscheide fällen zu dürfen. Aber es ist auch eine hohe und teils belastende Verantwortung.  
Was war der grösste Aufsteller?

Die Solidarität in der Bevölkerung – vor allem zu Beginn der Pandemie. Das war beeindruckend.

Zuletzt sind die Coronazahlen im Kanton Luzern wieder gestiegen. Macht Ihnen das Sorgen?
Nein, denn glücklicherweise sehen wir fast nur milde Verläufe und die Spitäler kommen nicht an ihre Belastungsgrenze.

Hat die Coronapandemie Ressourcen in ihrem Departement gebunden, die anderswo gefehlt haben?
Am Anfang der Pandemie war vieles unklar und es kamen neue Aufgaben auf uns zu. Das konnten wir in unserem Departement, aber mit den bestehenden Ressourcen managen.

Anderswo haben Sie sich verstärkt?
Ja, im Bereich Wirtschaftsentwicklung. Hier brauchte es zusätzliches Personal. Grund: In dieser Abteilung wird ein Teil der Arbeiten bei den Härtefällen geleistet.

Apropos Härtefallgelder: Hat sich diese staatliche Unterstützung neben den Covid-Krediten der Banken und der Kurzarbeitsentschädigungen bewährt?
Die Massnahmen hatten vor allem ein Ziel: Harte wirtschaftliche Effekte wie grossflächige Arbeitslosigkeit oder Firmenkonkurse zu vermeiden. Die Hilfen konnten schnell und unbürokratisch gesprochen werden. Und: Schaut man in die Statistiken, konnte etwa die Arbeitslosigkeit tatsächlich sehr tief gehalten werden.

Was könnte verbessert werden?
Rückblickend hätte man vielleicht da und dort anders entschieden. Aber: In einer Krise muss die Situation laufend neu beurteilt und Entscheide rasch gefällt werden. Wichtig ist, dass man Entscheide fällt und auch den Mut hat, nachträglich allenfalls Anpassungen zu machen.

Im Jahr 2022 wurden bis Ende Februar im Kanton Luzern insgesamt 49 Firmenkonkurse gemeldet. Im Jahr 2019 waren es bis zum gleichen Zeitpunkt 31 gewesen. Die Zahl der Konkurse ist damit deutlich über dem Niveau der Vorjahre. Ist das eine beunruhigende Tendenz?
Nein. Die Zahl der Konkurse war per Ende 2021 auf dem Niveau der Vorjahre. Und das nach fast zwei Jahren Pandemie. Diese Entwicklung war nur möglich dank den umfassenden Härtefallmassnahmen. Es zeigt sich: Einige Firmen sind trotz der grossen Unterstützung des Staates nicht überlebensfähig. Von einer Konkurswelle kann aber sicher nicht gesprochen werden.

Trotzdem: Kredite oder Darlehen müssen dereinst von den Firmen zurückbezahlt werden. Kommt das böse Erwachen einfach erst verzögert?
Kredite sind zurückzubezahlen, während die über 200 Millionen Franken Härtefallentschädigungen à fonds perdu sind. Die Unternehmen erhalten jedoch ausreichend Zeit, die Zahlungen zu leisten. Wir gehen davon aus, dass dies mit der guten Wirtschaftslage in den allermeisten Fällen auch möglich sein wird.

Was sind mögliche Folgeschäden für die Luzerner Wirtschaft?
Die Investitionsfähigkeit der Unternehmen war insbesondere im ersten Coronajahr eher beschränkt. Dort gibt es noch Aufholbedarf, wobei einige bereits wieder angekündigt haben, kräftig zu investieren. Man sollte eines nicht vergessen: Wir befinden uns noch immer in einem von Unsicherheiten geprägten wirtschaftlichen Umfeld. Es wird je nach Branche noch einige Zeit dauern, bis die Wirtschaftslage das Vorkrisenniveau erreicht.  

Das heisst?
Mittel- bis langfristig muss nicht mit gros­sen Folgeschäden gerechnet werden. Einige Unternehmen haben die Krise sogar als Chance für Innovationen und oder Prozessoptimierungen nutzen können, sodass diese gestärkt aus der Krise kommen und nun noch besser aufgestellt sind. Leider trifft uns aber bereits die nächste Krise mit dem Krieg in der Ukraine, was nebst viel menschlichem Leid erneut Unsicherheiten, und Preisinstabilitäten nach sich zieht. Da ist noch nicht abschätzbar, was noch passieren wird.

Sie haben den Ukraine-Krieg erwähnt: Wie gut ist die Luzerner Wirtschaft hierfür gerüstet?
Wir müssen uns nichts vormachen: Der Krieg in der Ukraine wird die Weltwirtschaft betreffen und da wird auch der Kanton Luzern nicht verschont bleiben. Zwar ist die Luzerner Wirtschaft gut diversifiziert, um nicht aufgrund von einzelnen Export- oder Importregionen in eine Krise gestürzt zu werden. Unsicherheiten sind aber immer schwierig für die Wirtschaft.

Konkret: Mit welchen (indirekten) Folgen für den Kanton rechnen Sie?
Es kommt sehr darauf an, wie lange dieser Krieg dauert und ob er regional beschränkt bleibt. Höhere Kosten führen zu kleineren Margen und weniger Gewinn für die Unternehmen. Die Konjunktur könnte gebremst werden. Mit den Folgen: Höhere Energiepreise, ein Rückgang der Exporte und höhere Preise für Lebensmittel. In der Corona-Krise haben wir aber auch gelernt, dass es immer auch Branchen gibt, die von den Veränderungen profitieren, darum sollten wir trotzdem mutig in die Zukunft gehen. Aber bei all diesen Diskussionen, ist mir etwas wichtig zu erwähnen.

Das wäre?
Mich beschäftigt neben den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen insbesondere das Schicksal der Menschen in der Ukraine. Meine Gedanken sind bei denen, die sich für Frieden und Freiheit einsetzen. Das Leid und die Bilder sind unerträglich und ich verurteile diesen Krieg aufs Schärfste. Es ist einfach unfassbar, was da alles zerstört wird. Familien, Menschen, Häuser, Städte – ein ganzes Land.

Stephan Weber

Das Interview wurde schriftlich geführt.

 

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.