Gewerbeverband mit Grossoffensive gegen Fachkräftemangel

Der KMU- und Gewerbeverband will in den nächsten Jahren flächendeckend im Kanton Luzern Lehrstellenparcours anbieten. Erste Gemeinden setzen die getestete Software bereits ein. Auch eine Kommune aus der WB-Region ist interessiert.

Einblick in den Lehrstellenparcours, welchen der Gewerbeverein Buttisholz letztes Jahr zusammen mit der Schule durchführte. Foto WB-Archiv
Stephan Weber

«Wir können die Betriebe nicht zwingen, Lehrstellen anzubieten. Aber wir können sie sensibilisieren und an die unternehmerische Ehre appellieren, Lehrstellen zu schaffen.» Das sagte Gaudenz Zemp, Direktor des KMU- und Gewerbeverbandes (KGL), im Mai 2020 gegenüber dem WB. Der KGL sorgte sich wegen der Pandemie um die künftigen Lehrverhältnisse, um einen noch grösseren Fachkräftemangel. Nun, knapp ein Jahr später, beschäftigt uns die Coronakrise noch immer, die Lehrstellensuche wird durch Covid-19 erschwert. Der KGL will Gegensteuer geben. Er hat mit der Präsidentenkonferenz der Berufs- und Branchenverbände für Luzern einen Massnahmenkatalog (siehe Kasten unten rechts) erarbeitet und verabschiedet.

Gemeinden zeigen Interesse
Eine dieser Massnahmen ist ein Lehrstellenparcours. Ein bereits bestehendes Konzept aus Malters wurde dabei überarbeitet, eine Software entwickelt und die Internetplattform in den zwei Gemeinden Littau/Reussbühl und Beromünster als Pilotprojekt im vergangenen Herbst getestet. «Mit Erfolg», wie KGL-Direktor Gaudenz Zemp einräumt, der neben seinem Direktorenamt beim KGL für die FDP im Luzerner Parlament politisiert. «Mit Kriens und Wolhusen kommen noch dieses Jahr zwei weitere Gemeinden dazu, welche die Internetplattform einsetzen wollen.» Im Jahr 2022 sollen fünf weitere Gemeinden dazustossen, dazu mit Menznau auch eine aus der WB-Region. «Ziel ist es, ab 2023 die Plattform schrittweise im ganzen Kanton Luzern einzusetzen», sagt Zemp.
Das Ziel des Programms ist es, dass der Lehrstellenparcours jeweils gut einen Monat vor der Zentralschweizer Bildungsmesse (Zebi) von den Lernenden absolviert wird und die Achtklässler anschliessend im November die Zebi besuchen. Ende Mai dieses Jahres soll die Website www.lehrstellenparcours.ch online gehen.

Doch wie funktioniert das Ganze, welches in vielen Gemeinden mit lokalen Gewerbevereinen ja schon jahrelang auf unterschiedliche Arten angeboten wird? Kurz zusammengefasst so: Die Schüler geben ihre fünf Lieblingsberufe im Programm ein, die Wünsche der Lernenden werden so zu einer Art Hitliste zusammengefasst. Die Unternehmen melden ihre Berufslehren, die sie in ihrem Betrieb anbieten oder Berufsbilder, die sie gerne in einem Atelier zeigen möchten. Am Parcours-Tag können die Schüler vier Betriebe ihrer Wahl besichtigen. Dazu gibt es das Atelier «Lehrmeister», in welchem die Lernenden mit einem Lehrmeister in Kontakt treten, der ihnen die «goldenen sieben Regeln» vermittelt. «Dabei werden die Lehrlinge auf den richtigen Umgang im Berufsleben hingewiesen, sei es gutes Benehmen, gepflegte Sprache oder Wertschätzung», sagt Zemp. In einem weiteren Atelier erzählen Lehrlinge, wie es ihnen bei der Lehrstellensuche, im Betriebsalltag oder in der Berufsschule ergangen ist. Das Programm bringt den Involvierten eine grosse Zeitersparnis, weil verschiedene Informationsschreiben oder beispielsweise Namenstäfeli für die Achtklässler automatisch generiert werden.

Lokales Gewerbe kennenlernen
«Der Lehrstellenparcours soll Jugendliche und deren Eltern die Faszination der Berufsbildung näherbringen und ihnen aufzeigen, wie attraktiv das dua­le Bildungssystem ist», sagt Gaudenz Zemp. Und: Mit dem Lehrstellenparcours könnten sich Lehrpersonen und KMU-Betriebe besser vernetzen. «Früher standen sich die Lehrpersonen und das einheimische Gewerbe näher. Heute wohnt der Sekundarlehrer häufig nicht mehr in der Gemeinde, wo er unterrichtet. Mit dem Lehrstellenparcours ermöglichen wir es den Lehrpersonen, persönliche Kontakte zum Gewerbe aufzubauen.»

Das ambitiöse Ziel
Zu den Kosten: Das Projekt hat den kantonalen Gewerbeverband bisher rund 120 000 Franken gekostet. Eventuell erhält der KGL vom Bund eine finanzielle Unterstützung, ein Gesuch hat der Gewerbeverband eingereicht. Bereits unterstützt wurde der KGL vom Kanton. Bleiben die Gemeinden, die für das Konzept, die Beratung, Software und die Dokumentation 3900 Franken bezahlen. Grössere Kommunen mit einer grösseren Schülerzahl müssen tiefer in die Taschen greifen. Für sie sind Kosten von maximal 5400 Franken vorgesehen. Dazu kommen jährlich wiederkehrend Kosten zwischen 800 und 1100 Franken – dies für Updates oder Supportleistungen. Das sei ein Betrag, der sich für die Gemeinden rechnet, da sie mit dem digitalen Lehrstellenparcours viel Zeit für administrative Aufgaben einsparen könnten und gleichzeitig ein qualitativ besseres Angebot erhalten, sagt Zemp. Der digitale Lehrstellenparcours habe grosses Potenzial, wirft er ein. Darum sei der KGL ambitiös. Weil es eine solche Lösung seines Wissens noch nirgends gebe, könne er sich vorstellen, sie dereinst «in der ganzen Deutschschweiz einzusetzen.»

Stephan Weber

Eine Onlineplattform für Jugendliche und Firmen

Neben dem Lehrstellenparcours plant der kantonale Gewerbeverband eine Onlinebörse. Damit will er Jugendliche auf Lehrstellensuche und Ausbildungsbetriebe auf elektronischem Weg zusammenbringen.
Berufsmessen, die wegen der Corona­Pandemie ausfallen. Schnupperlehren, die wieder gestrichen werden: Für Jugendliche ist die Lehrstellensuche in diesen Pandemiezeiten anspruchsvoller geworden. Die Coronamassnahmen erschweren den Kontakt zwischen den Schülern auf Lehrstellensuche und den Ausbildungsbetrieben. Der St. Galler Gewerbeverband hat auf diese Problematik reagiert und als erster Kanton der Schweiz eine Onlineplattform lanciert, die erste Kontakte zwischen Ausbildungsunternehmen und Jugendlichen herstellt. Vor einer Woche ging die Seite www.lehrstellenboerse-ost.ch online. Die Plattform hat das Interesse weiterer Kreise geweckt – unter anderem auch vom KMU- und Gewerbeverband des Kantons Luzern (KGL). «Insbesondere Jugendliche aus bildungsfernen Familien und Jugendliche mit schulischen Defiziten haben eine erschwerte Lehrstellensuche», sagt Gaudenz Zemp, Direktor des Luzerner Gewerbeverbandes. «Dagegen wollen wir etwas unternehmen und haben uns darum von Beginn weg beim St. Galler Projekt angehängt», sagt Zemp. Es gebe zwar auch in dieser Krise genügend Lehrstellen, räumt der Direktor ein. Aber: «Die Coronamassnahmen wirken sich negativ auf das Suchen und Besetzen von Lehrstellen aus.»

So funktioniert das Tool
Auf der Internetplattform können Betriebe ihre offenen Lehrstellen eintragen, derweil das Tool den Jugendlichen einen Überblick der angebotenen Lehrstellen verschafft. Via Terminkalender können sich die Jugendlichen für ein 15-minütiges Erstgespräch mit den Betrieben anmelden. So findet online ein erstes Kennenlernen zwischen dem möglichen Arbeitgeber und dem potenziellen Lehrling statt.

Der KGL, der die Online-Lehrstellenbörse in Zusammenarbeit mit dem kantonalen Amt für Berufsbildung und der Berufsberatung lanciert, hat diese Woche mit der Programmierung des Tools begonnen. Anfang Mai soll mit der Testphase begonnen werden. Läuft alles nach Plan, soll die digitale Lehrstellenbörse am Freitag, 7. Mai, aufgeschaltet werden. Anschliessend können die Unternehmen ihre offenen Lehrstellen eintragen, wenig später die Schüler sich registrieren. Am 19. Mai ist die erste Online-Lehrstellenbörse geplant. Vorgesehen ist, künftig zweimal pro Monat die Plattform aufzuschalten, bis zu den Sommerferien wären das insgesamt viermal. Je nach Pandemielage ist eine fünfte Aufschaltung nach den Sommerferien denkbar.

Das Projekt ist ein Pilot für weitere Kantone. Während Luzern und etwa Schaffhausen beschlossen haben, die Softwarelösung zu übernehmen, haben andere Kantone ihr Interesse bekundet. Das Pilotprojekt wird vom Bund vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) mitfinanziert. (swe)

Ziel: Fachkräfte gewinnen

Fachkräfte zu finden. Und Mitarbeiter langfristig zu halten. Damit hat die Zentralschweiz (ohne Zug) Mühe. Nur Graubünden weist schweizweit einen noch grösseren Fachkräftemangel aus. Das zeigte eine Studie, welche die Hochschule Luzern auf Wunsch des kantonalen Gewerbeverbandes vor zwei Jahren erstellen liess und welche der KGL im November 2019 präsentierte. Erkenntnisse der Studie: Während es in den Branchen Öffentliche Verwaltung oder Land- und Forstwirtschaft nicht an Fachkräften mangelt, fehlen in der Information/Kommunikation oder im Finanz- und Versicherungswesen Fachkräfte. Über die vergangenen anderthalb Jahre hat der KGL mit der Präsidentenkonferenz der Berufs- und Branchenverbände einen Massnahmenkatalog erarbeitet und nun verabschiedet. Eine (nicht vollständige) Auswahl der Massnahmen:

> An den Elternabenden in der Primarschule sollen regelmässig Unternehmerinnen und Unternehmer teilnehmen. Bisher war es vor allem so, dass Botschafter für einen Übertritt an das Gymnasium werben konnten.

> Das Langzeitgymnasium soll wieder auf das politische Parkett kommen. Gaudenz Zemp will sich für eine Überprüfung des Langzeitgymnasiums einsetzen. Eine Diskussion, die in der Vergangenheit für viel Zündstoff gesorgt hat. «Das sind wir uns bewusst. Wir fordern deshalb keine sofortige Abschaffung, sondern eine Analyse der bestehenden Strukturen und ihrer Auswirkungen auf die Berufswahlprozesse.»

> Der KGL will sich für die Förderung zahlbarer Kita-Lösungen und Tagesstrukturen einsetzen. Auch will er Impulse geben, um Teilzeitpensen und flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen.

> Der Gewerbeverband will sich stark machen für einen kantonalen Berufsbildungsfonds. Dieser soll beispielsweise Umschulungen finanzieren oder Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, finanziell entlasten.

> Der KGL will die Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Arbeiterhilfswerk Zentralschweiz weiterentwickeln. Mit diesem sollen ältere Arbeitnehmer (Ü55) besser im Arbeitsprozess gehalten und integriert werden.

> Neu können im Kanton Luzern ab Sommer gute Schülerinnen und Schüler bereits in der 3. Sek mit der Berufsmatura beginnen (der WB berichtete). Der KGL macht sich für dieses Angebot stark. (swe)

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