Es gab deutlich mehr Mietstreitigkeiten

8668 neue Fälle erreichten die erstinstanzlichen Gerichte des Kantons Luzern im letzten Jahr. Das sind 622 weniger als im Jahr zuvor. Mehr Arbeit hatten hingegen die Schlichtungsbehörden Miete und Pacht. Dort stiegen die Fallzahlen massiv an. 

Der abtretende Luzerner Kantonsgerichtspräsident Andreas Galli stellt den Geschäftsbericht zum Coronajahr 2020 vor. Foto Keystone/Urs Flueeler
Stephan Weber

Am Dienstagmorgen hat das Kantonsgericht über das Geschäftsjahr 2020 der Luzerner Justiz informiert. Heuer wieder an einer herkömmlichen Medienkonferenz und nicht wie letztes Jahr via Onlinepräsentation, weil der Lockdown es verunmöglichte. Aber selbstverständlich spielte die Covid-19-Pandemie an der Medienorientierung eine grosse Rolle. Gespürt haben den Lockdown und den vom Bundesrat verfügten Fristen- und Rechtsstillstand auch die erstinstanzlichen Gerichte, zu denen die vier Bezirksgerichte in Luzern, Kriens, Hochdorf und Willisau, das Zwangsmassnahmengericht, das Kriminalgericht und das Arbeitsgericht - zählen. Sie hatten im letzten Jahr insgesamt 8668 Fälle zu erledigen. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Abnahme um 622 Fälle (7,2 Prozent). 95,7 Prozent der Fälle blieben unangefochten. Heisst: Sie wurden nicht ans Kantonsgericht, die oberste gerichtliche Behörde des Kantons, weitergezogen.

Zurück ging auch die Zahl der erledigten Verfahren. Waren es im Jahr 2019 noch 9128 Fälle, fiel diese Zahl im letzten Jahr auf 8620. Mit ein Grund, so steht es im Geschäftsbericht:  Zahlreiche Verhandlungen mussten aufgrund der Pandemie verschoben werden. Dies hat die Verfahrensdauer verlängert.

Hängige Fälle gingen zurück
Die vier Abteilungen des Kantonsgerichts konnten erstmals mehr Straffälle erledigen als neue eingingen. Bewerkstelligt habe man das durch die Verschiebung von Ressourcen und der Einstellung von neuem Personal, sagte Kantonsgerichtspräsident Andreas Galli. Die Zahl der hängigen Fälle ging somit weiter zurück - auf unter 1000. Dies ist der tiefste Wert der letzten fünf Jahre.
   
Mehr Beschwerden wegen Mietzinsreduktion
Einiges zu tun hatte die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht. Hier kam es zu deutlich mehr neuen Verfahren. 1122 neue Fällen zählte die Schlichtungsstelle Miete und Pacht. Das sind so viele wie in den letzten fünf Jahren nicht mehr. Der Anstieg beträgt über 40 Prozent, wie aus dem Geschäftsbericht der Luzerner Gerichte zu entnehmen ist. Der Grund für diese Entwicklung sei die Senkung des hypothekarischen Referenzzinssatzes im März 2020. Mieterinnen und Mieter konnten daraufhin eine Mietzinsreduktion verlangen, was laut Kantonsgerichtspräsident zu mehr Beschwerden führte.

Eher überraschend stieg die Zahl der Konkurse im Vergleich zum Vorjahr nur leicht an. «Die grosse Konkurswelle blieb aus», sagte Galli. Dass diese ausblieben, habe wohl mit den Hilfsmassnahmen des Bundes zu tun, sagte Galli. «Diese haben offensichtlich Wirkung gezeigt.»

Grundeigentum begehrt
Andreas Galli, der sein Amt am 1. Juni 2021 an Peter Schumacher abtritt, stellte die Jahresrechnung 2020 vor. Diese schliesst mit einem Aufwand von 61,6 Millionen Franken bei einem Ertrag von 31,6 Millionen Franken. Die grösste Veränderung zum Budget waren höhere Kosten für die amtliche Verteidigung, die unentgeltliche Rechtspflege und Anwaltsentschädigungen. Gleichzeitig führten zahlreiche Grundbuchgeschäfte zu einem hohen Grundbuchertrag. Hier sei aufgrund der Coronapandemie der erwartete Einbruch bei den Grundbuchanmeldungen nicht eingetroffen, heisst es im Geschäftsbericht. «In Krisenzeiten steigt das Bedürfnis nach Grundeigentum», sagte Andreas Galli.

Der abtretende Gerichtspräsident nutzt die Gunst der Stunde und warb an der Medienorientierung für die geplante neue Gerichtsmeile in der Stadt Luzern. Bekanntlich sollen die Gerichte in die Gebäude der heutigen kantonalen Museen an der Pfistergasse zügeln. «Die Sichtbarkeit und Präsenz vor Ort ist wichtig», sagte Galli. Heute ist das Kantonsgericht auf drei Standorte in der Stadt Luzern verteilt. «Mit drei Standorten und drei verschiedenen Kulturen ist es schwierig, eine Einheit zu werden», hiess es weiter.

Stephan Weber

 

Vor zehn Jahren Justiz reformiert
Vor zehn Jahren wurde das Gerichtswesen in der Schweiz einer grundlegenden Reorganisation unterzogen. «JU 10» (für Justiz 2010) hiess das Grossprojekt. Es hatte selbstverständlich auch Folgen für den Kanton Luzern. Im Rahmen dieser Justizreform wurden die Anzahl der Friedensrichter reduziert. Vorbei waren die Zeiten, in denen fast jede Gemeinde über einen eigenen Friedensrichter verfügte. Neu deckten ab Januar 2011 vier Friedensrichter das ganze Gebiet im Kanton Luzern ab. Eines davon befindet sich seither in Willisau und umfasst das Gebiet der ehemaligen Ämter Willisau, Sursee und Entlebuch ab.

Eine weitere Änderung betraf die Zahl der Bezirksgerichte. Die drei ehemaligen Amtsgerichtskreise Entlebuch, Sursee und Willisau wurden zusammengeschlossen zum Bezirksgericht Wilisau - neben den Bezirksgerichten Luzern, Kriens und Hochdorf. Reduziert wurden auch die Zahl der Konkursämter und der Grundbuchämter. Letztere wurden in die Bezirke Grundbuchamt Luzern Ost und Grundbuchamt Luzern West aufgeteilt. «Diese Strukturen haben sich im Nachhinein bewährt», zog Yvonne Zwyssig, Vizpräsidentin Erstinstanzliche Gerichte und Abteilungspräsidentin am Bezirksgericht Willisau, am Dienstagmorgen zehn Jahre nach der Einführung von JU 10 Bilanz. Die Effizienz sei gesteigert worden. Aber: Eine neue Gerichtskultur habe erst neu entstehen müssen. Und: «Die Umsetzung hat auch darum geklappt, weil die Mitarbeitenden flexibel waren.»  (swe)

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.