Ein geistreicher Beobachter und Tagträumer

Mit «Vollmondhonig» erscheint bereits der vierte Krimi von Peter Weingartner. Wieder lässt der Autor den schrulligen Kommissar Anselm Anderhub in der WB-Region ermitteln. Tatort ist dieses Mal die Kastelen.

In seinem vierten Krimi lässt Peter Weingartner Kommissar Anselm Anderhub auf dem Kastelenhügel ermitteln. Foto Johanna Weingartner
Stephan Weber

Peter Weingartner ist ein fleissiger Autor: Vier Krimis in vier Jahren hat er geschrieben. In seinem Erstling lässt er Anselm Anderhub in einem Todesfall im Dorftheater ermitteln. Im zweiten Fall sucht der Kommissar den Mörder des Surseer Städtlimetzgers, ehe er bei Erbstreitigkeiten der Bühler-Sippe in «Aberwil» auf Spurensuche geht. «Familienspiel» hiess der dritte Krimi des Trienger Autors, erschienen im Herbst des letzten Jahres. Kritiker lobten das Werk für seine Sprache. Weingartner verwende im «Familienspiel» eine «hierzulande selten erreichte sprachliche und gedankliche Güte», schrieb etwa Peer Teuwsen, Literaturkritiker bei der «NZZ am Sonntag».

Leiche in der Walderde

Und nun folgt also bereits Teil vier: «Vollmondhonig». Im 300-Seiten starken Roman stossen Kinder auf der Suche nach Brennholz auf dem Kastelenhügel auf eine Leiche. Zwanzig Zentimeter unter der Erde, nackt und in Sitzposition verharrend. Die ungewöhnliche Haltung des Opfers lässt Kommissar Anderhub rätseln. War es eine rituelle Tötung im Hinterland? Eine kultische Handlung? Zuerst muss der eigenwillige Ermittler die Identität des Opfers feststellen. Dumm nur: Nackte pflegen keine Ausweise auf sich zu tragen, schreibt der Autor.

Viel mehr soll an dieser Stelle über den Plot gar nicht verraten werden. Nur so viel: Auch im vierten Krimi gibt es viel Lokalkolorit zu lesen. Der Surseer Kottenrain und die Unterstadt kommen vor. Die Schötzer Ronmühle auch oder das Türmli Sempach. Und logischerweise die Kastelen, mitsamt der Sage von Ritter Kuno, der einst auf der Burg Kastelen gehaust haben soll. Die lokalen Orte, welche Weingartner in den Fall einstreut, schaffen Nähe. Der Autor nimmt einen mit zu Schauplätzen, die man kennt, wo man weiss, wie es dort aussieht. Der Trienger schreibt bildstark, süffig und ironisch. Etwa wenn er sich über die Kleinräumlichkeit des Kantons auslässt. Das Gemeinwesen sei ein gemeines Wesen. Und ziemlich langweilig. «Wenn auf der Marbachegg einer laut genug gähnt, steckt er womöglich in Aesch am Hallwilersee jemanden mit seiner Müdigkeit an», schreibt er. Und: «Ein Husten in St. Urban kann unter Umständen in Vitznau ein Echo auslösen.»

Figuren wichtiger als Krimi-Plot

«Vollmondhonig» ist mehr als eine klassische Krimi-Lektüre. Wer zig Spannungsbögen erwartet, eine rasant vorgetragene Erzählung oder viel Action: der ist möglicherweise enttäuscht. Im neuesten Roman kommen erst nach 70 gelesenen Seiten weitere Personen ins Spiel, die im Mordfall eine Rolle spielen könnten. Vorher erscheinen Anselms Ehefrau Trudi, Kollegen aus dem Polizeidienst und Familie Fischer, welche auf der Kastelen grilliert und dort auf die Leiche stösst. Störend sind die «fehlenden» Figuren nicht. Im Gegenteil: Es bleibt mehr Platz für geistreiche Beobachtungen, für Abschweifungen, denen Anderhub nach und nach erliegt.

Auch in «Vollmondhonig», welches ursprünglich «Kastelengrab» heissen sollte, bis es dem Autor als «zu platt» erschien, fehlt es nicht an philosophischen Einschüben, an Sprachspielereien und viel Witz. Die Geschöpfe haben Tiefe, sie sind glaubhaft gezeichnet. «Mir sind die Figuren mindestens so wichtig wie der Krimi-Plot», sagt Peter Weingartner.

Schön, dass auch der «Viel-Spaziergänger» und Leichenentdecker Melchior Kaufmann im Buch wieder seinen Auftritt hat. Seine Figur kommt dem Autor gemäss eigenen Aussagen am nächsten. «Auch ich spaziere gerne, um den Kopf frei zu kriegen, und auf gute Ideen zu kommen», sagt Weingartner, der pensionierte Sekundarlehrer, der als freier Journalist für mehrere Blätter in die Tasten greift.

Ermittler Anderhub, Fan von Prometheus, fleischlichen Gelüsten nicht abgeneigt ist und der «grösste Zwiebelhasser der Alpennordseite», wächst einem mit jeder Folge mehr ans Herz. Gut zu wissen, dass er auch in einem fünften Fall ermitteln wird. Das verrät Peter Weingartner auf Anfrage. Wo er beim nächsten Mal recherchiert, gibt der Krimiautor verständlicherweise nicht preis. Eigentlich ist es auch nebensächlich, Hauptsache er geht im Böttuland auf Spurensuche. Zu hoffen ist ferner, dass Melchior Kaufmann wieder vorkommt und dem Kommissar den einen oder anderen Tipp mitgibt. Und: Es wäre schön, wenn auch beim fünften Krimi von Anderhub Maler Menel wieder für das Umschlagbild verantwortlich zeichnet. Es ist nämlich eine Augenweide!

Peter Weingartner liest am 16. November, um 19.30 Uhr im Forum Triengen aus «Vollmondhonig». Die Lesung wird musikalisch begleitet vom Willisauer Franz Steinmann. 

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