Das aktuelle WB-Gspröch

«Kinder brauchen neue Tagesstruktur»

Am Freitagabend wurde der Schulunterricht an den Volksschulen eingestellt. Was sagt Pirmin Hodel, Rektor der Schulen von Willisau und Präsident des Schulleiterverbandes des Kantons Luzern, zur Ausnahmesituation?


 

Seit Montag findet an den Schulen kein Unterricht mehr statt. Symbolbild Irene Zemp-Bisang
Norbert Bossart

Seit heute Montag sind die Schulen im Kanton Luzern geschlossen. Auch ohne Schüler gibts für die Lehrkräfte und den Rektor Arbeit zuhauf. Sorgt der Cornavirus für den grössten Stress in all Ihren Berufsjahren?

Pirmin Hodel: Stresssituationen im Schulwesen kann es ab und zu mal geben. Doch einen solchen Ausnahmezustand habe weder ich noch sonst jemand, der im Schulleben steht, je erlebt.


Sie sind Präsident des kantonalen Schulleiterverbandes. Kannte dieser für einen solchen Ausnahmezustand Notfallszenarien?

Nein, mit einer solchen Epidemie und einer solch rasanten Entwicklung hat niemand gerechnet. Auch nicht der Schulleiterverband oder das Bildungsdepartement.


Szenario Schulschliessung – ab wann beschäftigte sich Rektor Hodel konkret damit?

Die Schliessung unserer Schulen zeichnete sich aufgrund des extremen Epidemieverlaufs in der vergangenen Woche ab. Wir haben schnellstmöglich reagiert. Am Mittwoch traf sich die Willisauer Schulleitung zur ersten Krisensitzung. Am Donnerstag wurde ein möglicher Elternbrief mit den wichtigsten Infos zum «Wie weiter?» aufs Papier gebracht, sollte ein Unterrichtsstopp angeordnet werden. So waren wir für den möglichen Bundesratsentscheid vom Freitag gewappnet. 
 

Inwiefern?

Wir konnten auf die Entscheide der Landes- und Kantonsregierung umgehend reagieren. Bereits am Samstagmorgen hatten sämtliche 540 Eltern der 900 Willisauer Schülerinnen und Schüler ein Schreiben im Briefkasten, das über die nächsten Schritte orientierte. Auch die Mütter und Väter von Gettnau und Alberswil erhielten die Infos ihrer Schulen per Post, da wir die Schreiben am Freitagabend in gut nachbarschaftlicher Hilfe gemeinsam verpackt haben. Über neue Entscheide können und müssen sich die Eltern über die Homepage der Schule orientieren. Fremdsprachige Eltern haben die Möglichkeit, die Infos auf der Homepage der Schule Willisau mit einem Klick in ihre Sprache übersetzen zu lassen.


In der Regel machen Kinder Freudensprünge, wenn die Schule ausfällt. Wie reagierten sie am Freitag?

Mein Büro befindet sich auf der Schulanlage Schlossfeld. Hier herrschte am Freitagnachmittag eine bedrückte Stimmung, da sich der Bundesratsentscheid abzeichnete. So erkundigten sich beispielsweise zwei Oberstufenschülerinnen bei mir, ob eine Schulschliessung wirklich denkbar sei. Auf mein Ja reagierten sie mit Weinen. Als klar war, dass ab Montag die Schule geschlossen ist, waren nur vereinzelte Jubelschreie auf dem Areal zu hören. Weit mehr macht sich unter den Schülerinnen und Schülern Beklommenheit breit. Der Ernst der Lage scheint ihnen bewusst zu sein.


Wie reagierten die Lehrkräfte?

Trotz Vorinfos waren viele im ersten Moment schockiert. Sie verloren aber die Fassung nicht, sondern interessierten sich schnell für das konkrete «Wie weiter?». Bereits am Freitagabend hat die Schulleitung alle 120 Lehrkräfte über die nächsten Schritte per E-Mail orientiert. Mit einem zweiseitigen Schreiben. Information und Instruktion waren angesagt. Die Lehrkräfte haben Leitplanken für die Arbeitsaufträge erhalten, die sie ab Montag erteilen sollen.

Auf dem Schulareal herrschte am Freitag eine bedrückte Stimmung.
Pirmin Hodel
Rektor der Schule Willisau

Wie sehen diese Vorgaben für den Unterricht zu Hause konkret aus?

Bis zur 4. Klasse erhalten alle Schüler bis spätestens am Mittwoch per Post ein Dossier mit Arbeitsaufträgen. Die Absolventen vom 5. bis 9. Schuljahr werden digital via E-Mail mit Aufträgen bedient. Letztere verfügen alle über einen Laptop. Zudem haben wir für sie auf dem Web eine schuleigene Lernseite, auf der es zu jedem Schulfach gezielt Aufgaben gibt.
 

Wie viele Stunden pro Woche sollen sich die Schüler mit den Aufträgen beschäftigen?

Kindergarten bis 2. Klasse erhalten nur minimale Aufträge. Die Vorgaben für die restlichen Klassen sehen wie folgt aus: 3./4. Klasse ca. vier Stunden pro Woche, 5./6. Klasse ca. sechs Stunden und 7. bis 9. Klasse ca. zehn Stunden. Angesagt sind momentan nicht neue Lerninhalte, sondern ausschliesslich die Repetiton und Vertiefung des bisherigen Schulstoffs. Die Schüler haben keine Prüfungen zu meistern. Die Arbeitsaufträge werden nicht benotet. Sollte die unterrichtsfreie Zeitspanne länger als geplant andauern, werden die Vorgaben möglicherweise angepasst.


Abstriche gegenüber dem Präsenzunterricht sind unumgänglich.

Ja, das Ersatzprogramm kann nie und nimmer den Unterricht im Schulzimmer ersetzen. So gibts Abstriche bei der Qualität und Quantiät.


Viele Väter und Mütter arbeiten und können nicht null Komma plötzlich Betreuungs- und Hausaufgabenhilfe übernehmen. Klingelte bei Rektor Hodel seit Freitag das Telefon ununterbrochen?

Ich erhielt etliche Telefone und E-Mails von besorgten Eltern. Ins Büro oder privat nach Hause. Weil unser Schreiben zum weiteren Vorgehen bereits am Samstag im Briefkasten war, beruhigte sich die Situation. Denn dieses gibt auf einer A4-Seite kurz und bündig Auskunft auf die relevanten Fragen. Insbesondere wie es um die Betreuung oder die Tagesstrukturen steht, wenn die Eltern wegen ihrer Berufstätigkeit  diese nicht selber oder in ihrem Umfeld sicherstellen können. Vereinzelt gibts Notsituationen, bei denen unbürokratische Lösungen gefragt sind. So etwa im Falle der Kinder jener Mutter, die wegen Blinddarm ins Spital musste und deren Partner landesabwesend ist.


Verbleiben wir bei der Betreuung jener Kinder, die von den Eltern nicht organisiert werden kann.

Diese kann unsere Schule dank ihrer Grösse vorerst sicherstellen. So hat es seit gestern Montag an der Schule Willisau an allen Schulstandorten Lehrerteams, welche sich um solche Schülerinnen und Schüler vom Kindergarten bis zur 6. Klasse während der üblichen Unterrichtszeiten kümmern. Wir sind froh, wenn möglichst wenige kommen. Heute Montagmorgen waren dies insgesamt nur sieben von den 700 Kindern der Kindergarten- und Primarstufe. Im Verlaufe der Woche wird die Betreuung auf einen Schulstandort konzentriert. Wir werden die Kinder in maximal Zehnergruppen betreuen und hierfür die leeren Räumlichkeiten grosszügig nutzen. Ebenfalls bleiben die Tagesstrukturen weiterhin für jene Kinder offen, deren Betreuung nicht durch die Eltern organisiert werden kann. Wir haben hier bewusst den Personalbestand hochgefahren. Zu bedenken gilt aber: Sollte das Ausgehregime von Bund oder Kanton strenger werden, müssten wir die Betreuungsangebote und Tagesstrukturen schliessen. Dies würde den Druck auf etliche Eltern erhöhen. Diese mögliche Entwicklung bereitet mir Sorge.

 

«Angesagt ist die Repetition und Vertiefung des Stoffs.»
Pirmin Hodel

 

Zurück zu den Lehrkräften. Sind sie für den digitalen Unterricht gewappnet?

Die meisten. Den anderen helfen technik-affine Berufskolleginnen und -kollegen, die es auf jeder Schulstufe gibt. Auch Podcasts können unterstützend wirken. Apropos Digitaliseriung an der Volksschule: Die Krise wird sie im Schulwesen frappant vorantreiben. Eine Digitalisierung der Schule, wie sie der Kanton bis 2035 anpeilte, ist möglicherweise bereits in wenigen Jahren Tatsache.


Was machen Fachlehrkräfte, die Werken, Handarbeit oder Sport unterrichten?

Wir setzen sie im Betreuungsangebot ein oder für schulintere Aufgaben.


Welchen Tipp geben Sie Schulkindern und Eltern für die aussergewöhnliche Situation zu Hause?

Vergessen wir nicht: Jetzt bricht für viele Kinder die Tagesstruktur völlig zusammen. Es ist wichtig, dass sie nun nicht stundenlang, tagelang vor der Glotze sitzen. Die permante Cornavirus-Berichterstattung tut ihnen nicht gut – steigert die Panikmache. Jetzt müssen Kinder und Eltern Gegensteuer geben – gemeinsam eine neue Tagesstruktur auf die Beine stellen. Dabei gilt es viele Fragen zu klären wie etwa: Wann wird gelernt? Wie lang darf das Kind am PC sitzen? Welche Aktivitäten sorgen für Bewegung? Und so weiter. Unterrichtsfreie Zeit mag in den ersten Tagen für Kinder cool sein. Doch je länger sie dauert, desto langweiliger droht sie zu werden. Erst recht, weil das Vereinsleben nicht mehr stattfindet. Kein Fussballtraining. Kein Musikschulunterricht. Und, und, und. Kurz: Abgesagt sind zig Aktivitäten, die Abwechslung und Freude in unseren Alltag bringen. Eltern wie Kinder stehen vor einer grossen Bewährungsprobe. Erst recht, wenn es ein Ausgehverbot geben sollte und wir räumlich in unserem Leben weiter eingeengt werden.
 

Pirmin Hodel, wagen Sie eine Prognose: Findet die Schule nach den Frühlingsferien wieder statt?

Aufgrund der Entwicklung der Epidemie gehe ich eher davon aus, dass die unterrrichtsfreie Zeit um einzelne Wochen verlängert wird. Wenn nicht, bin ich umso glücklicher. Bleiben wir optimistisch und gehen wir die Ausnahmesituation mit einer mittleren Gelassenheit an.

Norbert Bossart

Die Webseiten der Schulen

Das obenstehende Interview gibt exemplarisch Auskunft über die Situation und das weitere Vorgehen der Volksschulen von Willisau. 

Information zu weiteren Schulen unserer Region sind unter anderem auf folgenden Homepages abrufbar:

Alberswil: www.schule-alberswil.ch; Altbüron: www.schule-altbueron.ch; Altishofen: www.schule-altishofen.ch; Buttisholz: www.schule-buttisholz.ch; Dagmersellen/Uffikon/Buchs: www.dagmersellen.ch/bildung/news.html/195; Ebersecken: www.schule-ebersecken.ch; Egolzwil: www.egolzwil.ch/bildung-schule; Ettiswil: www.schule-ettiswil.ch/startseite; Fischbach: schule-fischbach.ch; Gettnau: www.gettnau.ch/de/bildung; Grossdietwil: www.grossdietwil.ch/bildung; Grosswangen: www.schule-grosswangen.ch; Hergiswil: www.schule-hergiswil-lu.ch; Luthern: www.schule-luthern.ch; Menznau: www.schule-menznau.ch; Nebikon: www.schule-nebikon.ch; Pfaffnau/St.Urban: www.schule-pfaffnau.ch; Reiden/Langnau/Ri-chenthal: www.schule-reiden.ch; Roggliswil: www.schule-roggliswil.ch; Schötz: www.schule-schoetz.ch; Ufhusen: www.ufhusen.ch/schule; Wauwil: www.schule-wauwil.ch; Wikon: www.schule-wikon.ch; Willisau: www.schule-willisau.ch; Kantonsschule Willisau: www.kswillisau.lu.ch; Berufsbildungszentrum Willisau: beruf.lu.ch/berufsbildungszentren/bbzw; Zell: www.schule-zell-lu.ch

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