Das Rekordergebnis in Pandemiezeiten

Der Kanton Luzern schliesst das letzte Jahr um 201,3 Millionen Franken besser ab als erwartet. Er weist für 2020 bei einem Gesamtaufwand von 3,84 Milliarden Franken einen Ertragsüberschuss von 212,5 Millionen Franken aus.

Foto Keystone
Stefan Calivers

Wenn der Regierungspräsident und Finanzdirektor Reto Wyss Hochrechnungen präsentiert oder Rechnungsabschlüsse vorstellt, ist das nicht nur eine Aneinanderreihung von Zahlen und Grafiken. Der Rothenburger spricht gerne in Bildern. So war es bei der Hochrechnung im Juni des letzten Jahres, als er von der Regierung als Schiffskapitän sprach, welche in diesen Pandemiezeiten in «unruhigen Gewässern» treibe. Und so war es am Montagmorgen, als er von der finanziellen Zukunft von einem «steilen Weg», bei den Planungsunsicherheiten von «Gewitterwolken» und statt dem Aufgaben- und Finanzplan von «verlässlichen Wanderkarten» sprach. Wie die Situation des Luzerner Staatshaushalts präsentiert wird, ist letztlich egal. Klar ist seit gestern Montag: Die Kantonsfinanzen im Corona-Jahr 2020 sind massiv besser als erwartet. Damit ist der Kanton Luzern einer jener 17 Kantone in der Schweiz, dessen Jahresrechnung besser ausfiel als prognostiziert.

Dreimal in Folge schwarze Zahlen
Im Detail: Die Erfolgsrechnung 2020 des Kantons Luzern weist ein Plus von 212,5 Millionen Franken aus. Budgetiert war ein Ertragsüberschuss von 11,2 Millionen Franken. Einen annähernd so hohen Gewinn gab es letztmals im Jahr 2007 (siehe Grafik), als ein Plus von 197 Millionen Franken resultierte. Zum dritten Mal in Folge konnte der Kanton Luzern damit schwarze Zahlen präsentieren. Letztes Jahr hatte der Kanton einen Gewinn von 64,1 Millionen Franken erzielt. «Dieses starke Ergebnis konnten wir angesichts der Pandemie nicht erwarten», sagte Reto Wyss, der die Jahresrechnung zusammen mit Hansjörg Kaufmann, Dienststellenleiter Finanzen, den Medien vorstellte. Die Verwaltung habe die Kosten im Griff und die Nationalbank habe Luzern mit ihrer höheren Ausschüttung «wunderbar in die Hände gespielt», so Wyss.

Was sind die Gründe für den positiven Jahresabschluss? Es sind vor allem drei Punkte. Erstens: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) schüttete mit 96 Millionen Franken mehr Gelder aus als budgetiert. Zweitens: Die Staatssteuernachträge aus den Vorjahren fielen um 84 Millionen Franken üppiger als erwartet. Und drittens: Der Anteil an den direkten Bundessteuern war um über 73 Millionen Franken höher als vorgesehen. Dank diesen Ertragsüberschüssen hätten die Zusatzaufwendungen von 51 Millionen Franken, welche die Corona-Pandemie verursacht hätten, gegenfinanziert werden können.

Bei den Corona-Mehrbelastungen entfielen fast 36 Millionen Franken auf Mindererträge bei den Steuern sowie 11 Millionen auf weitere Mindererträge, etwa bei den Gebühren. Knapp 4 Millionen Franken Mehraufwand gab es im Tagesgeschäft, etwa für Desinfektionsmittel oder Schutzmaterial. Die Sofortmassnahmen, etwa das Notspital in Nottwil, Contract Tracing oder die Testzentren verursachten einen Mehraufwand von 31 Millionen Franken. Minderaufwände von 30,8 Millionen Franken gab es etwa, weil Lehrabschlussprüfungen ausfielen. Das aussergewöhnlich gute Ergebnis kam nicht nur wegen den unerwartet höheren Einnahmen zustande. Zahlreiche Verbesserungen gab es auch auf der Ausgabenseite. In der Verwaltung etwa waren die Aufwände um 14 Millionen tiefer, bei der Bildung wurden 8,7 Millionen Franken weniger ausgegeben als geplant. Unter anderem, weil der Bund zusätzliche Beiträge für de Berufsbildung sprach oder infolge Klassenreduktion in der Gymnasialbildung. Ferner sank der Aufwand bei der sozialen Sicherheit um 4,4 Millionen Franken. Dies deshalb, weil weniger Menschen Asyl beantragten, wie das Finanzdepartement in der Mitteilung festhält. Und: Tiefere Kosten als erwartet fielen im Verkehr und im Umweltschutz/Raumordnung an. Bei Letzterem wegen tieferen Personalkosten bei den Naturgefahren und tieferen Unterhaltskosten für Gewässer.

Reto Wyss sieht Gewitterwolken
Trotz Rekordergebnis: Der Finanzdirektor warnte vor «übermütiger Ausgaben­euphorie». Er freue sich über den guten Abschluss, schaue aber mit Respekt in die Zukunft, so der Rothenburger. «Ein Grossteil der Mehreinnahmen im letzten Jahr sind einmaliger Natur. Die Corona-­Pandemie wird unseren Finanzhaushalt noch stark belasten.» Ein Blick in den Aufgaben- und Finanzplan 2021 bis 2024 untermauert das Zitat des Finanzdirektors: Jährlich fehlen für ein ausgeglichenes Budget rund 50 Millionen Franken. Insgesamt rechnet der Kanton 2021 mit coronabedingten Mehrausgaben von 100 Millionen Franken. Die Hälfte davon entfällt auf den Gesundheitsbereich mit den Spitälern, ein Viertel auf die Wirtschaft. Der Regierungsrat erwartet weitere finanzielle Aufwendungen bei der Kulturbranche, im öffentlichen Verkehr, im Sport und in der Bildung. Zu den Finanzperspektiven sagte Reto Wyss: «Die Sonne blendet, aber wir kennen die Wanderroute.» Und: Wolken und Gewitter würden sich abzeichnen, aber man habe mit dem AFP eine verlässliche Wanderkarte.»

Zu den Steuererträgen: Während bei den natürlichen Personen ein Mehrertrag von 65,4 Millionen Franken verbucht werden konnte, fielen die Erträge bei den Firmensteuern um 23,8 Millionen Franken tiefer aus als budgetiert. Beeinflusst wurden die Staatssteuererträge laut Finanzdepartement einerseits durch hohe Nachtragszahlungen aus den Vorjahren, andererseits durch Mindererträge im letzten Jahr aufgrund der Corona-Pandemie.

Nettovermögen statt Nettoschulden
Die Nettoinvestitionen betrugen letztes Jahr 103,5 Millionen Franken. Das ist weniger als 2019 (129,3 Millionen). Mit ein Grund, auch hier: die Pandemie. Luzern steht vor grossen Investitionsprojekten. Dank dem guten Jahresabschluss habe der Kanton hierfür eine sehr gute Ausgangslage, sagte Wyss. Statt Nettoschulden weist Luzern gar ein Nettovermögen von 135 Millionen aus. Auf dem Ausgleichskonto liegen neu rund 455 Millionen Franken. Geld, welches zur Bewältigung der kommenden Herausforderungen (unsicherer Konjunkturverlauf, allfällige Corona-Wellen, Steuerausfälle) als Krisenversicherung diene. «Wir müssen uns wetterfest anziehen. Die Gewitterwolken gefallen mir nicht», sagt Wyss.

Stephan Weber

Mehr Coronahilfe oder strenge Ausgabendisziplin?  

Die Reaktionen von Luzerner Parteien und Verbände auf den 200-Millionen-Franken-Überschuss fallen nicht überraschend unterschiedlich aus.

Die SVP war die erste Partei, die am Montagmorgen die Jahresrechnung des Kantons kommentierte. Sie nehme das Ergebnis «mit Freude» zur Kenntnis, schrieb die SVP. Sie warnt jedoch davor, aus dem grossen Ertragsüberschuss die falschen Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen. Das gute Ergebnis gründe fast ausschliesslich auf «einmaligen Effekten» und dem sehr positiven wirtschaftlichen Umfeld vor der Pandemie. Die beste Finanzpolitik sei, wenn «der Lockdown so rasch wie möglich beendet würde», ist zu lesen. Enttäuscht zeigt sich die Partei, dass die Investitionen im vergangenen Jahr «praktisch eingebrochen» seien. Sie verlange diesbezüglich Verbesserungen, insbesondere im Bereich Wasserbau.

Auch die FDP zeigt sich erfreut. Das «ausserordentlich» gute Ergebnis ermögliche anstehende Investitionen in der Umwelt- und Klimapolitik sowie in die geplanten Grossprojekte. Wie die SVP bedauert die FDP die tieferen Investitionen. Aufgrund des guten Abschlusses seien die Voraussetzungen für künftige grosse Investitionen geschaffen, schreiben die Liberalen. Mit Blick in die Zukunft hebt die FDP den Mahnfinger. Die Risiken seien weiterhin hoch. Der Mitteleinsatz solle auch weiterhin sorgfältig erfolgen. «Damit schaffen wir die Voraussetzungen, um Sparpakete und Steuererhöhungen zu vermeiden», schreibt die Partei.

Die CVP rühmt sich, das Jahresergebnis sei die Folge «der von der CVP angestossenen, konsequenten Finanzpolitik.» Dieses Resultat verbessere die Ausgangslage für die kommenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und umweltpolitischen Herausforderungen. Auch die CVP ruft wie die anderen bürgerlichen Parteien zur Ausgabendisziplin auf. Es gebe keinen Grund für ausserplanmässige Ausgaben und Begehrlichkeiten. Die finanzielle Substanz zur finanzpolitischen Bewältigung der Coronapandemie bleibe «fragil».

Für eine grosszügigere Coronhilfe setzt sich die SP ein. Es sei dringend notwendig, dass die Luzerner Bevölkerung von der verbesserten finanziellen Lage profitieren könne, schreiben die Sozialdemokraten. Sie fordert eine Aufstockung von Prämienverbilligung und Stipendien. «Mit mehreren Abbaupaketen hat die Bevölkerung die Steuergeschenke in den vergangenen Jahren tragen müssen. Es ist an der Zeit, dass die Bevölkerung von der stabilen finanziellen Lage profitieren kann», wird Kantonsrat David Roth im Communiqué zitiert.

Die Grünen fordern, den Ertragsüberschuss «umgehend» in die Bekämpfung der Corona- und der Klimakrise zu investieren. So soll die Coronahilfe um 50 Millionen Franken aufgestockt werden. 150 Millionen Franken sollen in die Klimapolitik fliessen. «Wir dürfen nicht warten, bis es zu spät ist, wir müssen jetzt handeln und in den Klimaschutz investieren», sagt Co-Fraktionschefin Korintha Bärtsch in der Mitteilung. Weiter kündigten die Grünen an, in den nächsten Wochen mehrere Vorstösse für eine «massive Ausweitung» der Klimaschutz-Investitionen einzureichen.

Es gebe keine plausible Begründung mehr, weiterhin auf dem Portemonnaie zu sitzen und jeden Fünfziger zweimal zu drehen, bevor man ihn investiere», sagt Riccarda Schaller, Co-Präsidentin der GLP. Das Richtige ist für die GLP eine grosszügigere Unterstützung der Wirtschaft. Sonst drohten langfristig höhere Kosten wegen Konkursen, Arbeitslosigkeit oder Steuerausfällen.

Beim Gewerkschaftsbund (LGB) mag  ob dem guten Ergebnis keine Freude aufkommen. Statt dem Anhäufen von Nettovermögen und dem Bezahlen von Negativzinsen sollten stattdessen Luzerner KMU oder Angestellte auf Kurzarbeit unterstützt werden, sagt LGB-Präsident Martin Wyss. Stephan Weber

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