Alle mit an Bord für die Reise ins Weltall

Die Kanti Willisau will hoch hinaus: Um das Theater «Raumstation Rütli» umzusetzen, beteiligen sich zurzeit über 80 Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen. So soll das Grossprojekt Menschen verschiedener Generationen aus der ganzen Region zusammenbringen.

Freuen sich auf das Theaterprojekt «Raumstation Rütli» an der Kantonsschule Willisau (von links): Markus Egli, Prorektor und Leiter der Produktion; Rolf Lappert, Autor des Stücks, und Eva Lichtsteiner, Deutschlehrerin und Regisseurin. Foto Simon Muff
Ramon Juchli

«Abtauchen in eine andere Welt»: Das soll im Herbst an der Kantonsschule Willisau möglich werden. Dies erklärte die Zeller Regisseurin und Deutschlehrerin Eva Lichtsteiner am Mittwoch bei der Vorstellung des Theaterprojekts «Raumstation Rütli – Unheimliche Begegnung der Generationen». Sie leitet die Inszenierung des Stücks, das der Schweizer Autor und Buchpreisträger Rolf Lappert eigens für die Kanti Willisau verfasst hat (siehe Kasten unten). Wie es der Titel schon sagt, spielt das Theaterstück im All, wo sich zwischen einer jüngeren und einer älteren Crew der titelgebenden Raumstation ein Generationenkonflikt entspinnt.

Im Zuge des Projekts soll die Raumfahrt nicht nur auf der Bühne erlebbar werden. Auch eine Ausstellung in der ganzen Schule, deren Besuch eine Stunde dauern soll, ergänzt das gut 70-minütige Theaterstück. Um dieses «Gesamtkulturerlebnis» zu realisieren, braucht es eine Menge helfende Hände. 80 Personen sind aktuell involviert – Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler und weitere Mitarbeitende. Von Kostüm- und Bühnenbild über die musikalische Begleitung bis zur Gastronomie: In allen Sparten spannen Personal und Lernende der Kanti zusammen.

Um am 20. Oktober Premiere feiern zu können, betreiben die Beteiligten einen riesigen Aufwand. Und zwar grösstenteils ausserhalb der Unterrichtsstunden. Warum tut sich die Schule das an?
 

Aus dem Alltag ausbrechen

«Wenn so viele Menschen zusammenarbeiten, lernt man sich nochmals tiefer kennen», berichtet Markus Egli, Prorektor 1. bis 3. Klassen Gymnasium und Gesamtleiter der Produktion. Das sei das Schöne an diesem Projekt. «Gemeinsam brechen wir aus dem Schulalltag aus.» Erwachsene und Jugendliche könnten die gewohnten Rollen verlassen und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. «Das stärkt die Identität und das ‹Wir-Gefühl› der Schule», sagt Regisseurin Eva Lichtsteiner. Zudem biete das Projekt Gelegenheit, die Schule zu öffnen: Verwandte, Bekannte, Freundinnen und Freunde der Beteiligten sowie weitere Interessierte sollen vorbeikommen können. Das mache die Schule «nahbar» und baue Berührungsängste ab, erhofft sich Eva Lichtsteiner.

Damit führe man die Tradition von kulturellen Grossprojekten an der Kanti Willisau fort, so Markus Egli. Die Grundlagen dafür schuf eine Gruppe von Lehrpersonen im Pandemiejahr 2020. An ersten Sitzungen habe man noch an ein Musical gedacht, erzählt Egli. Schlussendlich einigte man sich darauf, ein Theaterstück umsetzen zu wollen. Auch dies biete die Gelegenheit, verschiedene Kunstformen zu verbinden: Schauspiel, Musik oder die visuelle Gestaltung in Bühnenbild und Kostüm. Diese Vielfältigkeit bereichere Prozess und Ergebnis, betonen Markus Egli und Eva Lichtsteiner.

Das Ensemble holt sich einen verdienten Szenenapplaus ab. Foto Simon Muff

Mittlerweile konkretisiert sich die jahrelange Vorbereitung und Konzeptarbeit in einem greifbaren Projekt. Am Mittwoch führte ein Teil des 17-köpfigen Ensembles eine kurze Einführungsszene des Stücks auf. Erwin Hofstetter, Fachlehrperson Bildnerisches Gestalten, präsentierte einen Entwurf für die das Bühnenbild. Auch eine Kostprobe der Musik von Peter Zihlmann gab es zu hören. Die Produktion nimmt Fahrt auf.
 

Eine «riesen Büez»

Seit Monaten laufen die Schauspielproben, vor den Osterferien entstanden erste Elemente für die Ausstellung, die Musik ist bereits fertig komponiert. Bereits jetzt freut sich Eva Lichtsteiner auf den Moment, wenn alle Komponenten zusammenkommen: «Der erste Durchlauf des Stücks – in den Kostümen, mit der Musik, auf der eingerichteten Bühne: Das ist ein Meilenstein in jeder Produktion», sagt die Regisseurin. Seit Januar probt das Ensemble einmal in der Woche, an vereinzelten Wochenenden sowie in der Projektwoche vor den Herbstferien. Auch die Band und der Chor haben die Proben aufgenommen, derweil die Ressorts Bühnenbild und Kostüme damit beginnen, ihre Konzepte umzusetzen. Das alles zu koordinieren sei eine «riesen Büez», sagt Eva Lichtsteiner. Aber die Schule zähle auf ein «cooles Team». Und nicht zuletzt auf eine gelungene Textfassung von Rolf Lappert.
 

Momentan beteiligen sich rund 80 Personen am Grossprojekt "Raumstation Rütli". Foto Simon Muff

Jungfernflug für Autor und Crew

«Raumstation Rütli» ist Rolf Lapperts erstes Theaterstück. Zuvor hatte er bereits Drehbücher geschrieben, für die SRF-Sitcom «Mannezimmer» und für die Verfilmung seines Jugendromans «Pampa Blues» im Deutschen Fernsehen.

Im Schreibprozess hat sich der Autor immer wieder mit der Projektgruppe ausgetauscht. Jetzt hat er «sein» Stück ganz aus der Hand gegeben. In die Inszenierung habe er vollstes Vertrauen. «Nun lehne ich mich zurück», sagt er. Im Herbst will auch er sich von der Umsetzung überraschen lassen – als Theaterautor wagt er den Jungfernflug mit der «Raumstation Rütli».

An zehn Aufführungen wird sich die Aula der Kanti Willisau in das titelgebende Forschungszentrum verwandeln. Nicht nur die vom Ensemble verkörperte Raumfahrtcrew hebt ab – mit diesem Grossprojekt wagt die ganze Schule den Aufbruch in neue Sphären.

 

Aufführungen:

Freitag, 20. Oktober, 20 Uhr; Sonntag, 22. Okt., 15 Uhr, Mittwoch, 25. Okt., 20 Uhr; Freitag, 27. Okt., 20 Uhr; Samstag, 28. Okt., 20 Uhr, Dienstag, 31. Okt., 20 Uhr; Freitag, 3. November, 20 Uhr; Sonntag, 5. Nov., 15 Uhr; Freitag, 10. Nov., 20 Uhr; Samstag, 11. Nov., 20 Uhr. Weitere Informationen: raumstationruetli.ch

Türöffnung: 90 Minuten vor Beginn. Vor der Aufführung: Ausstellungsbesuch, Dauer circa eine Stunde.

Rolf Lappert erzählte in der Aula von seinem Schreibprozess. Foto Simon Muff

«Ich bin froh, bin ich nicht mehr 25»

Nachgefragt Mit Rolf Lappert hat die Kantonsschule Willisau einen prominenten Namen als Autor für ihr Theaterprojekt verpflichtet. Das Stück dreht sich um das Thema «Generationenkonflikt». Worin sich dieser äussert und was er von seinem jüngeren Ich heute hält, erzählt Lappert im Interview.

Rolf Lappert, warum schrieben Sie ein Stück für das Projekt der Kantonsschule Willisau?

Von Anfang an dachte ich mir: Das wird ein riesiger Spass! Mit Jugendlichen zusammenzuarbeiten, davon versprach ich mir viel.

Während des Schreibens tauschten Sie sich mit der Projektgruppe aus. Wie verlief diese Zusammenarbeit?

Je mehr Leute beteiligt sind, desto mehr Ideen fliessen ein. Diese Arbeitsweise ist mir von der Drehbucharbeit für Film und Fernsehen bekannt. Gemeinsam zu diskutieren gehört dazu. So entwickelt sich der Stoff weiter. Meine erste Fassung war noch ein halbes Musical, die Story etwas plumper. Die Geschichte war noch nicht rund – das ist sie selten auf Anhieb. Darum haben wir uns mehrmals getroffen und an verschiedenen Stellen geschraubt, bis die Schlussfassung zustande kam. Etwa ein Jahr lang habe ich immer wieder am Stück geschrieben. Die letzte Fassung gab ich im vergangenen Sommer ab.

Das Oberthema des Stücks ist «Generationenkonflikt». Wie äussert sich dieser Generationenkonflikt in der Gesellschaft?

Im Moment sieht man ihn am deutlichsten in der Klimabewegung. «Fridays for Future» eckt bei vielen Älteren an, bei anderen stösst die Bewegung aber auch auf grosse Sympathie. Da muss man differenzieren. Es ist ja nicht so, dass alle Jungen gegen alle Alten sind und umgekehrt.

Sie wollen die einzelnen Generationen nicht je in einen Topf werfen.

Genau, das wollen wir im Stück natürlich vermeiden. Es ist klar, dass nicht alle Vertreterinnen und Vertreter einer Generation gleich denken. Das zeigt sich etwa an einer der Hauptfiguren im Stück: der jungen Rapperin She-La, die sich nicht gross für die Klimabewegung interessiert. Ihr geht es bei ihrer Reise ins All nicht um die Rettung des Planeten, sondern um ihre eigene Karriere.

Das Thema «Generationenkonflikt» lässt Sie vermutlich auch an die eigene Jugend zurückdenken. Inwiefern unterscheiden Sie sich heute von Ihrem jüngeren Ich?

Wenn ein Kind geschützt aufwächst, erlebt es die freiste Phase des Lebens. Ich erinnere mich etwa an die Sommerferien früher: Diese kamen mir so lange vor, sie boten einen riesigen Raum für Entdeckungen. Ständig erlebt man als Kind Dinge zum ersten Mal. Als Erwachsener muss man viel mehr funktionieren, sich organisieren, den Lebensunterhalt verdienen. Das Älterwerden bedeutet einen Verlust von Freiheit.

Wären Sie gerne noch einmal jung?

Für einen Tag nochmals sechs oder sieben Jahre alt sein –  das fände ich spannend. Aber ein junger Erwachsener sein? Nein danke! Ich bin froh, bin ich nicht mehr 25.

Warum?

Rückblickend war das für mich eine schwierige Phase. Nach meiner Ausbildung als Grafiker habe ich mir viele Freiheiten genommen. Bin viel gereist, habe oftmals von Oktober bis April in Asien billig gelebt. In der Phase hinkte ich den Gleichaltrigen in der Entwicklung etwas hinterher. Ich war verantwortungslos, wollte mich nicht festlegen, sondern das Künstlerdasein zelebrieren. Wenn ich meinem 25- oder 30-jährigen Ich heute begegnen würde – dann würde ich mit dem Typen nicht viel zu tun haben wollen.

Sie gehen mit Ihrem jüngeren Ich hart ins Gericht.

Ich habe daraus auch gelernt. Heute wähle ich mir meine Freunde sorgfältiger aus als früher. Damals ging es darum, mit wem ich die Nächte am besten durchmachen kann ...

Als junger Mann liessen Sie sich treiben.

Ja. Aber zu meiner Verteidigung: Geschrieben habe ich auch immer. Von meinen Reisen brachte ich stets mindestens einen halben Roman nach Hause. Ich bin nicht nur am Strand gelegen, sondern habe auch gearbeitet.

Ihr Stück «Raumstation Rütli» haben Sie abgegeben. Welche Rolle nehmen Sie aktuell im Prozess ein?

Kleine Sachen habe ich in Absprache mit dem Komponisten Peter Zihlmann noch angepasst. Sonst ist für mich die Arbeit abgeschlossen. Jetzt lehne ich mich zurück.

Werden Sie die Premiere des Stücks besuchen?

Auf jeden Fall. Diese Uraufführung will ich mir sicher nicht entgehen lassen!

 

Rolf Lappert *1958, wuchs in Olten und Zofingen auf. Nach der Ausbildung zum Grafiker begann er mit 20 Jahren zu schreiben. Von 1997 bis 2001 verfasste er 65 Folgen der Sitcom «Mannezimmer» für das Schweizer Fernsehen. 2008 gewann er mit dem Roman «Nach Hause schwimmen» den erstmals verliehenen Schweizer Buchpreis. 2015 wurde sein Jugendroman «Pampa Blues» vom SWR verfilmt. Seit 2012 wohnt Lappert wieder in der Schweiz und arbeitet als Roman- und Drehbuchautor. «Raumstation Rütli – Unheimliche Begegnung der Generationen» ist sein erstes Theaterstück.

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