Schadstoffe in Schulzimmern gemessen

Zu hohe Naphthalin-Werte: An der Kantonsschule Willisau sind in mehreren Räumen erhöhte Schadstoffbelastungen gemessen worden. Die Naphthalin-Konzentration war massiv höher, wie das die Weltgesundheitsorganisation als zulässig ausweist

Im Trakt A der Kanti Willisau wurden erhöhte Naphthalin-Werte gemessen. Foto swe
Stephan Weber

Erst diese Woche wurde publik: Die Stadt Kriens muss im Schulhaus Roggern zwei Schulzimmer schliessen. Grund: Die Messungen zeigten in den beiden Zimmern erhöhte Schadstoffwerte in der Raumluft. «Insbesondere bei Naphthalin werden die Grenzwerte überschritten», schrieb die Stadt Kriens in einer Medienmitteilung. Ein Einzelfall im Kanton Luzern ist diese Meldung weiss Gott nicht. Bereits in den Schulhäusern in Horw, Ebikon, Luzern und Emmen wurden erhöhte Konzentrationen des Bauhilfestoffs nachgewiesen.

Sieben Räume betroffen
Nun zeigt sich nach einer gestern Donnerstagnachmittag verschickten Medienmitteilung des Luzerner Bildungs- und Kulturdepartements: Auch die Kantonsschule Willisau ist betroffen. In den Räumen des Trakts A, der 1971 bezogen wurde und wo normalerweise unter anderem Bildnerisches Gestalten, Musik oder Geschichte unterrichtet wird, ist eine erhöhte Schadstoffbelastung nachgewiesen worden. Gemessen wurde in sieben Räumen, darunter Schulzimmer aus allen Stockwerken, Lehrerarbeitszimmer und Büros. «Wir gehen davon aus, dass alle Räume des Trakts A betroffen sind», sagt Victor Kaufmann, Rektor der Kantonsschule Willisau auf WB-Anfrage.
Bei den gemessenen Schadstoffen handelt es sich um erhöhte Naphthalin- sowie Formaldehydkonzentrationen (siehe Kasten). In einem Raum ergaben die Messungen einen Wert von bis zu 190 Mikrogramm Naphthalin pro Kubikmeter Luft. Zum Vergleich: Der (strenge)  Richtwert, den die Weltgesundheitsorganisation WHO als unbedenklich bei einem dauernden Aufenthalt definiert, liegt bei 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Als Wert für eine Dauerbelastung gilt: 24 Stunden pro Tag, 365 Tage pro Jahr. Für Formaldehyd gibt es eine Empfehlung vom Bundesamt für Gesundheit (BAG): Sie besagt, dass ein Wert von 125 Mikrogramm pro Kubik nicht überschritten werden darf. Der Wert in den Schulzimmern des Trakts A betrug bis zu 245 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Körperliche Symptome festgestellt
Lehrer hätten zu Beginn des Schuljahres «auffällige körperliche Symptome» gemeldet, sagt Kaufmann. Einige klagten über Kopfschmerzen. Das habe die Schule und die zuständige Dienststelle Immobilien dazu bewogen, Untersuchungen zu veranlassen und die Räume zu überprüfen. Die Messungen hätten den Verdacht auf erhöhte Schadstoffbelastungen bestätigt. «Die Bautechnik der 60er-Jahre und die heissen Sommer holen uns ein. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit unseren getroffenen Massnahmen eine schnelle und nachhaltige Verbesserung erzielen», sagt der Kanti-Rektor. Bestand die Gefahr von gesundheitlichen Konsequenzen für Lehrpersonen und Schüler? «Uns sind keine bekannt», antwortet er.

Stündliches Lüften
Als vorbeugende Sofortmassnahme hat die Schule veranlasst, vermehrt zu lüften – und zwar stündlich. Ein verbindlicher Lüftungsplan soll dabei helfen. So hätten in den zwei am stärksten belasteten Räumen Nachmessungen gezeigt, dass die Schadstoffwerte mit regelmässigem Lüften «deutlich tiefer» lägen. Zudem sollen mobile Raumluftreinigungsgeräte die Schadstoffkonzentration weiter minimieren. Die Geräte werden in den nächsten Wochen in Betrieb genommen. «Mit diesen Massnahmen können wir sicherstellen, dass die Schüler, Lehrpersonen und Mitarbeiter der Kanti Willis­au nicht einer übermässigen Belastung von Raumluftschadstoffen ausgesetzt sind, bis die definitiven Sanierungsarbeiten abgeschlossen sind», heisst es in der Medienmitteilung. Weiter plant die Schule weitere Nachmessungen, um die Wirksamkeit der Sofortmassnahmen zu überprüfen.  

Sanierung der Räume wird geprüft
Das häufigere Lüften ist aber nicht die einzige Massnahme, die getroffen wird, um den Naphthalin-Dämpfen weniger stark ausgesetzt zu sein. Die Kantonsschule hat in der Medienmitteilung bauliche Anpassungen angekündigt. Rektor Victor Kaufmann konkretisiert: «Wir prüfen zwei Varianten: Den Einbau einer Lüftungsanlage oder die Sanierung der Räume – insbesondere der Böden und gewisser Einrichtungen.» Die Bauarbeiten sollen laut Aussage des Kanti-Rektors «so bald als möglich» ausgeführt werden – gleichwohl kämen für die «massiven Bauarbeiten» frühestens die Sommerferien in Frage. «Zur Überbrückung der Zeit bis zur Sanierung planen wir den Einsatz der Raumlüfter ein», sagt Kaufmann. «Der Schulbetrieb erleidet dadurch keine Einschränkung.»

Elternbrief und Info-Anlass
Die Eltern der betroffenen Schüler sind gestern Donnerstag mit einem Brief über die Schadstoff-Belastung sowie die getroffenen Massnahmen informiert worden. Für die Lehrpersonen und Mitarbeitenden der Kanti ist ein interner Informationsanlass geplant. An diesem Anlass werden Vertretungen der Dienststellen Immobilien wie auch der Schularzt der Kanti Willisau anwesend sein und Fragen beantworten. Ist weiterer Informationsbedarf der Eltern vorhanden, werde an der Schule ein zusätzlicher Anlass durchgeführt, heisst es.

Stephan Weber

 

Ein Grund für die hohen Naphthalin-Werte sind die Baumaterialien der 1960er-Jahre und die heissen Sommer.
Victor Kaufmann
Rektor der Kantonsschule Willisau

Bekannt von Mottenkugeln

Naphthalin ist eine farblose, flüchtige Substanz. Sie gehört zu den polyzyklisch aromatischen Kohlenwasserstoffen. Gewonnen wird Naphthalin aus Steinkohlenteer. Ein grosser Teil der Substanz wird in der Kunststoffindustrie eingesetzt. Unter anderem wurden Bodenbeläge verklebt und Bauwerke abgedichtet. Früher diente Naphthalin als Mottenschutzmittel und Insektizid. Als Verbrennungsprodukt organischer Materialien tritt der Stoff in geringen Konzentrationen nahezu überall in der Umwelt auf. Wie genau die Naphthalin-Dämpfe den menschlichen Körper schädigen, ist nicht bekannt. Es fehlen Forschungsresultate. Die krebserzeugende Wirkung konnte jedoch in Tierversuchen an Nagern nachgewiesen werden. pd/swe

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