Neonazi-Fest als böse Überraschung

Die rechtsextreme Partei national orientierter Schweizer (Pnos) lud nach einem Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei zu einem Konzert ins alte Sport Rock Café in Willisau. Der Vermieter wurde getäuscht, gegen die Veranstalter wird Anzeige erstattet.

Das Neonazi-Treffen in Willisauer sorgte in zahlreichen Zeitungen und auf Online-Portalen für Schlagzeilen.  Foto Stephan Weber
Stephan Weber

von Norbert Bossart, Stephan Weber und Irene Bisang

Mit dieser bösen Überraschung hatten weder der Vermieter der Räumlichkeiten noch die Willisauer Behörde bis am Samstagabend gerechnet. Es kamen Gäste, die vor Ort unerwünscht sind: Neonazis. Die rechtsextreme Partei national orientierter Schweizer (Pnos) führte das seit Tagen angekündigte «Rechtskonzert in der Schweiz» letztlich im alten Sport Rock Café in Willisau durch. Bis kurz vor Start war die Lokalität von den Veranstaltern geheim gehalten worden. Zuvor spielte die Pnos mit der Polizei ein Kantonsgrenzen übergreifendenes Katz-und-Maus-Spiel.

Im Verlauf des Samstags verdichteten sich die Hinweise, dass sich die Konzertbesucher in Rothrist treffen würden, um weitere Instruktionen zum eigentlichen Veranstaltungsort zu erhalten. Die Kantonspolizei Aargau errichtete daher eine Kontrollstelle, wo sie die eintreffenden Autos systematisch anhielt. In den frühen Abendstunden kontrollierte sie dort rund 60 als Konzertbesucher erkannte Personen «mit mutmasslich rechtsextremer Gesinnung», wie die Kantonspolizei Aargau in einer Medienmittelung festhält. Sie erfasste deren Personalien und überprüfte sie im Fahndungssystem. «Danach wurden die ausserhalb des Kantons wohnhaften Personen formell weggewiesen», schreibt die Polizei. Gründe für Festnahmen habe es hingegen nicht gegeben. Vereinzelt sei es zu Verzeigungen wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittel- oder gegen das Waffengesetz gekommen.

Willisauer Vermieter völlig überrumpelt
Die Pnos-Sympathisanten zogen dann nach Willisau ins alte Sport Rock Café. Laut Besitzer wurden die Räumlichkeiten unter anderem Vorwand gemietet. «Uns wurde das Konzert als Geburtstagsparty angemeldet», sagt Daniel Hüsler, Mitinhaber des alten Sport Rock Cafés, auf WB-Nachfrage. Vor rund drei Wochen habe sich ein Herr telefonisch gemeldet, um das Lokal zu reservieren. Die Lokalität wird gemäss Hüsler vor allem für Geburtstagspartys oder Hochzeiten vermietet. «Rund 150 Mal pro Jahr.» Auf die Idee, dass statt der Geburtstagsfeier ein Neonazi-Konzert stattfinde, wäre er nie gekommen, sagt der Menznauer. «Die Reservation lief nicht anders als gewohnt ab.» Erst am Samstagabend, gegen 19.30 Uhr, habe man vonseiten der Polizei erfahren: Es handelt sich um das besagte Pnos-Konzert. Die Fenster des Veranstaltungsraumes waren mit Vorhängen abgedunkelt. Hätte dies nicht stutzig machen müssen? «Nein», sagt Hüsler bestimmt. «Das hat der Veranstalter in Eigenregie gemacht, als ich zu Hause war. Vorgängig hatten wir davon keine Kenntnis.»


War deutscher Naziverherrlicher und Judenhasser vor Ort?
«Die Luzerner Polizei war von Anfang an präsent», schreibt diese in einer Medienmitteilung vom Sonntagmorgen. Kurz vor dem Konzert konnte ein Mann angehalten und kontrolliert werden, gegen den eine vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) gültige Einreisesperre in die Schweiz bestand. Diese sei dem Mann aus Deutschland eröffnet worden. Anschliessend wurde er unter Polizeiaufsicht zur Ausreise an die Grenze begleitet. Um welche Person es ging, geht aus der Medienmitteilung nicht hervor. Der WB erkundigte sich direkt beim Bundesamt für Polizei, ob es sich um den berüchtigten deutschen Rapper «Makss Damage» handelt. «Wir können dies aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes weder bestätigen noch dementieren», hielt die Fedpol-Mediensprecherin am Sonntagmittag fest. «Makss Damage», von «Blick» als «Nazi-Verherrlicher und Judenhasser» betitelt, wurde von der Pnos im Vorfeld als einer der drei Konzert-Acts angekündigt.

Anzeige wegen fehlender Gastrobewilligung
Mit dem Veranstalter hat die Polizei am Samstagabend Kontakt aufgenommen. «Ihm wurde eröffnet, dass wegen fehlender gastgewerblicher Bewilligung ine Anzeige erfolgt. Zudem wurde unmissverständlich mitgeteilt, dass die Polizei einschreiten werde, sobald gesetzeswidrige Handlungen festgestellt werden», heisst es in der Medienmitteilung der Luzerner Polizei weiter. Um etwa 23 Uhr bestand der Verdacht, dass die aus Italien stammende Band «Bronson» auftreten würde. Dies überprüfte die Polizei durch eine Kontrolle im Lokal umgehend. «Der Verdacht konnte nicht erhärtet werden», hält die Polizei fest.

«Gixu und die Eidgenossen» spielten vor rund 150 Besuchern
Nach Mitternacht verliessen die Konzertbesucher nach und nach den Veranstaltungsort. «Es kam zu keinen weiteren Zwischenfällen oder Interventionen», schreibt die Polizei. Wie viele Konzertbesucher waren vor Ort? Die Polizei schätzt die Zahl auf rund 150. Gespielt habe im alten Sport Rock Café «Gixu und die Eidgenossen». «Gixu» ist Sänger der Rechtsrockband «Indiziert». Er heisst mit bürgerlichem Namen Dominic Lüthard und ist gemäss Pnos-Homepage Vorsitzender der Pnos Kanton Bern.

Warum kein Verbot wie in St. Gallen und im Aargau?
Doch warum toleriert der Kanton Luzern im Gegensatz zu den Kantonen St. Gallen und Aargau das Konzert? Die Pnos sei eine legale Partei, hielt Kurt Graf, Sprecher der Luzerner Polizei, gegenüber der Schweizerischen Depeschenagentur fest. Es herrsche in unserem Land Versammlungsfreiheit. Ein strikteres Vorgehen wäre nach Ansicht der Luzerner Polizei unverhältnismässig gewesen. Es habe keinen Grund gegeben anzunehmen, dass es zu Ausschreitungen oder Gewalttätigkeiten kommen könnte, sagte Graf. Die Polizei sei aber frühzeitig nach Willisau gefahren und habe Präsenz markiert.

Die dringliche Anfrage der SP
Die SP des Kantons Luzern hat am Montag eine dringliche Anfrage zum Pnos-Konzert eingereicht. Die Fraktion will in einem elf Punkte umfassenden Fragenkatalog unter anderem wissen, ob bei der Veranstaltung eine strafbare Handlung vorliegt. Zudem fragt die SP, ob seitens der Behörden mit den Vermietern des Veranstaltungsortes vorgängig das Gespräch gesucht wurde. Weiter will die SP Auskunft, ob ein flächendeckendes Verbot einer solchen Veranstaltung auch im Kanton Luzern in Betracht gezogen werde. Ein solches hatte der Kanton St. Gallen präventiv verfügt – zur «Wahrung der öffentlichen Sicherheit». Die St. Galler Polizei und Staatsanwaltschaft waren letzten Herbst in die Kritik geraten, weil sie am 15. Oktober ein von Rechtsextremen organisiertes Konzert in Unterwasser mit rund 5000 Teilnehmenden nicht verhindert hatten.

Pnos-Konzert ist an Willisauer Stadtratsitzung ein Thema
Die Willisauer Stadtpräsidentin Erna Bieri erfuhr am Samstagabend durch eine Medienanfrage vom Aufmarsch der Neonazis in Willisau.

«Ich war sehr überrascht.» Einige Stunden zuvor habe sie im Radio von den Personenkontrollen in Rothrist gehört. «Ich hätte nie damit gerechnet, dass sich die rechte Szene später ausgerechnet in Willisau trifft.» Die Frage nach dem Warum könne sie nicht beantworten. «Vermutlich ist die Wahl zufällig auf Willisau gefallen, da es den Veranstaltern gelungen ist, hier ein Lokal zu mieten.» Denn ihr sei vor Ort keine aktive rechtsextreme Bewegung bekannt. Der Vorfall vom Wochenende werde an der nächsten Stadtratssitzung Thema sein, sagt Erna Bieri. Und damit auch das Vermietungskonzept für öffentliche Räume. «Wir entwickeln das System stetig weiter.» Klare Regeln sollen präventiv wirken. So ist bei der Miete der Festhalle beispielsweise ein schriftlicher Vertrag sowie eine Vorauszahlung der Fixkosten nötig. Weiter ist eine persönliche Besichtigung Pflicht. «So können wir uns ein Bild machen von den Veranstaltern, weitere Abklärungen treffen und im Zweifelsfall Rücksprache mit der Polizei nehmen.»

Die Stadtpräsidentin kann sich vorstellen, die internen Regeln den privaten Raumvermietern kundzutun und ihnen damit eine Hilfestellung zu bieten. Erna Bieri betont: Einerseits gelte es die Versammlungsfreiheit zu wahren. «Andererseit tolerieren wir keine extremistischen Aktivitäten.»

 

 

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