Von der Tradition einer Tanne

Gesellig, urchig, einzigartig: Am Güdisdienstag ging die 37. Tannenschleipfete über die Bühne. Die Schleipfgrende konnten Weisstanne und Säuli für insgesamt 7200 Franken versteigern. Doch woher kommt eigentlich der Brauch, eine Tanne durch das Dorf zu schleipfen?

Chantal  Bossard

Tradition. Von diesem Wort wird im Zusammenhang mit der Fasnacht häufig gesprochen. Wer wissen will, was Tradition wirklich bedeutet, sollte in Luthern die Tannenschleipfete besuchen. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, Jung und Alt ziehen an einem Strick. Minute für Minute scheint die freudige Spannung zu steigen. Bis der Umzug kurz nach halb zwei mit einem Knall beginnt.

"Tüemer de Wolf doch schiesse"
Gut 4000 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die 38 Sujets. Die Buure Trychler Hinterland führten den Umzug mit schellenden Kuhglocken an. Kurz darauf folgte die Landjugend Hinterland mit einem politisch heiss diskutierten Sujet: «Tüemer de Wolf doch schiesse, de chöi die andere Tierli s'Läbe weder gniesse», propagierten die Jugendlichen. Das Gewehr hatten sie aber vorerst nur mit Konfetti geladen – im Visier die Zuschauerinnen und Zuschauer. Diese liessen sich davon genau so berieseln, wie von der stetigen Schleichwerbung, die der Umzug bot: So weibelte das Einachser Team Hinterland für das Einachserrennen Hofstatt Ende Juli oder das Eyertal-Team für die Eiertütschete am Karsamstag. Ganz auf die fünfte Jahreszeit konzentrierte sich die Truppe «Ääääbe Geiil»: Sie bekundeten ihre Freude über die endlich wieder stattfindende Fasnacht mit tollen Kostümen zum Motto «Asterix & Obelix». Welche Zutaten wohl ihr Zaubertrank hat? Diese Frage musste man sich auch bei den Moonshiners Ufhusen stellen – «Schwarzbrand im Hinterland» lautete ihr Motto. Doch wurden am Umzug nicht nur Flüssigkeiten verteilt: Die «Znünimanne» versorgten das Publikum mit ausreichend leckeren Wursträdeli. Keine Wurst– sondern Aststücke wurden auf einem Ufhuser Wagen verarbeitet: Trotz dem 100-Jahr-Jubiläum lehnten sich die Bördeli-Binder nicht zurück, sondern büezten auf ihrem originellen Wagen fleissig weiter. Währenddessen schwang die Fasnachtsgruppe Hofstatt das Tanzbein als Hippie-Rocker.

Säuli und Tanne versteigert
Nach dem Ständli der einheimischen Flueh-Fäger war es schliesslich so weit: Vier kräftige Pferde zogen unter musikalischer Begleitung die 27 Meter lange und acht Tonnen schwere Weisstanne auf den Sonnenplatz. Zuerst wurde jedoch traditionsgemäss ein Ferkel versteigert, welches heuer von Cécile Peter, «Baschtu Chäller» Luthern, gespendet wurde. Der gewitzte Gant-Rufer Bruno Furrer wusste die Menge anzuheizen. Er gab schliesslich für 3000 Franken  den Zuschlag an Josef Bannwart von Willisau. Schlag auf Schlag ging es weiter mit der Versteigerung der Tanne. Gespendet wurde diese von Eugen und Yvonne Häfliger. Das Tannenspender-Paar ist Inhaber der örtlichen Autogarage Pneu Häfliger AG. Die Tanne, wusste der Gantrufer zu erzählen, sei von Eugen Häfliger und dessen Sohn Cyrill eigenhändig gefällt worden. Für 4200 Franken wurde sie an den Höchstbietenden Alois Lustenberger aus Fischbach verkauft.

Wieso eine Tanne geschleipft wird
Der offizielle Teil des Anlasses ging somit zu Ende – ein weiteres Kapitel einer langjährigen Tradition. Denn der Brauch eine Tanne durch das Dorf zu ziehen, geht weit zurück. Zwar ist der genau Ursprung unklar. Gemäss Volkskundlern ist die plausibelste Erklärung, dass die Waldbesitzer anno dazumal ihren Knechten und Arbeitern eine Tanne zur Verfügung stellten um diese dann zu verkaufen – sozusagen als Gratifikation. Der Brauch gehört seit jeher in das jährliche Dorfgeschehen von Luthern. 1985 wurde die Tradition durch die Schlauchmannschaft der Feuerwehr Luthern wieder zum Leben erweckt, nach dessen Auflösung wurde das Komitee durch Fasnachts-Enthusiasten ersetzt. Das Organisationskomitee besteht nun aus sieben Personen, die sich «Schleipfgrende Luthern» nennen. Und die in Luthern für gehörig Geselligkeit sorgen. So war das Fest am vergangenen Güdisdienstag auch nach dem offiziellen Teil lange nicht zu Ende. Ja, die Luthertaler muss man das Feiern garantiert nicht lernen. Sie haben aber auch allen Grund anzustossen. Auf einen gelungenen Umzug bei bestem Wetter. Auf Bomben-Stimmung bei den vielen Zuschauerinnen und Zuschauer. Auf eine Tradition, die in ihrem Dorf hochgehalten wird.

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