Gemeinderat will mit Abwärme heizen

Die Stimmbevölkerung entscheidet an der Urne über einen Sonderkredit: 550 000 Franken beantragt der Gemeinderat für das Projekt «Leitungsnetz des Wärmeverbunds Hofstatt». Dabei warf das Vorgehen des Gemeinde­rates bei einer IG Fragen auf – auf die das Gremium in den letzten Tagen einging.

Blick in Richtung Dorfstrasse auf das von der Gemeinde erworbene Grundstück Nr. 975. Hier soll ab Mitte 2022 der Wärmeverbund Hofstatt entstehen – ­sofern die Stimmbevölkerung den Sonderkredit an der Urne genehmigt. Foto Ramon Juchli
Ramon Juchli

Drei Vorlagen stehen am Sonntag in Luthern an der Urne zur Abstimmung: Die Entscheidung über den Aufgaben- und Finanzplan 2022 bis 2025 mit Budget 2022 gehört zum courant normal und der Beitritt zur Musikschule Region Willisau scheint Formsache, nachdem die allermeisten Gemeinden im Umkreis diesen Schritt bereits vollzogen haben. Bleibt Vorlage 2: «Bewilligung eines Sonderkredits von 550 000 Franken für den Bau des Leitungsnetzes des Wärmeverbundes Hofstatt». Am 2. Dezember verschickte dazu eine Interessengemeinschaft (IG) ein Rundschreiben an die Haushalte der Gemeinde. Das Traktandum hatte bei der losen Gruppe von rund 30 Luthertalerinnen und Luthertalern Fragen aufgeworfen. Das Schreiben liegt dem WB vor. Unterzeichnet hat es Meinrad Bühler, Hofstatt, der Fragen aus der Bevölkerung zusammengetragen hat. Ihm sei «eine breite Diskussion» über den beantragten Sonderkredit wichtig: «Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich fundiert eine Meinung zur Vorlage bilden können.» Dafür soll geklärt werden, wie das Projekt Wärmeverbund zustande gekommen ist und inwiefern es mit dem Ende August bekannt gemachten Landerwerb der Gemeinde zusammenhängt. Dieses Land ist gemäss Botschaft zur Urnenabstimmung als Standort für den Wärmeverbund vorgesehen. Der Kauf durch die Gemeinde brachte den Stein des Projekts ins Rollen – und sorgte für die ersten Fragezeichen.


«Gewerbefläche verfügbar machen»

Für 586 000 Franken hatte der Gemeinderat Luthern 4388 Quadratmeter Gewerbelandfläche von der Eigentümerin Silvia Bernet abgekauft. Dies wurde in der September-Ausgabe des Gemeindeblatts «Luthertaler» festgehalten. Erst im Nachhinein, wie im Schreiben der IG an den Gemeinderat moniert wird. «Die Gemeinde sprang als Käuferin ein, da zuvor ein Verkauf an Private nicht zustande kam», erläutert Hans Peter, der im Gemeinderat dem Ressort Finanzen vorsteht. «Mit dem Kauf möchten wir sicherstellen, dass dieses Gewerbeland nachhaltig genutzt wird», so Peter. Andernfalls läge das Land in Hofstatt künftig brach – so die Befürchtung der Behörde. Denn Luthertaler Gewerbeland ist ein knappes Gut. Im Zuge der Ortsplanungsrevision sei es darum ein Ziel der Gemeinde, «Baulandreserven einer Auszonung zu entziehen und verfügbar zu machen». Dies schrieb die Gemeinde letzte Woche auf ihrer Website. Wie auch aus dem Schreiben der Interessengemeinschaft hervorgeht, habe die Birrer Fahrzeugbau AG der Gemeinde ein Kaufangebot für die Parzelle gemacht. Die Firma gehöre «zu den wichtigsten Arbeitgebern» in Luthern, heisst es im IG-Schreiben weiter. Doch der Gemeinderat sei nicht auf das Angebot eingegangen. Dieses Vorgehen stellt die IG in Frage. Gemäss Hans Peter sei die Gemeinde nicht auf das Kaufangebot der Birrer Fahrzeugbau AG eingetreten, weil es weit unter dem «marktüblichen Preis» lag, welchen die Gemeinde bezahlt habe.


Fragezeichen hinter Kauf gesetzt

Auch die Kaufsumme liess Bürgerinnen und Bürger aufhorchen. Denn gemäss der Gemeindeverordnung müssen Ausgaben über 300 000 Franken von der Gemeindeversammlung bewilligt werden. Warum unterlag diese Ausgabe nicht dieser Regelung? Der Grund sei ein technischer und habe mit dem aktuellen Finanzhaushaltsgesetz für Gemeinden zu tun, sagt Hans Peter und begründet: «Die Liegenschaft geht in unser Finanzvermögen über. Sie belastet das Budget nicht.»  Da das Land nicht zweckgebunden für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe – wie es etwa beim Erwerb eines neuen Verwaltungsgebäudes der Fall wäre – gekauft wurde, sei es jederzeit wieder frei veräusserbar. Der Gemeinderat habe damit schlicht «Geld in Land umgewandelt», wie Peter sagt. Deshalb liege es in der Kompetenz des Gremiums, diese Ausgabe selbständig zu beschliessen. Zumal es sich in diesem Fall um eine Kaufmöglichkeit handelte, die sich spontan ergeben habe: «Noch Ende August konnten wir nicht ahnen, dass wir dieses Land im September kaufen werden.»
Gemäss Gemeinderat ist das Vorgehen also rechtens. Im Schreiben aus der Bevölkerung werden jedoch weitere Bedenken geäussert: «Ist es Aufgabe des Gemeinderates direkt im Immobilienmarkt einer Gemeinde einzuwirken?» Erneut wird also auf die Interessen des lokalen Gewerbes verwiesen. Dieses geht leer aus: Denn im Baurecht soll die Graubündner Firma Inega AG ihre Pflanzenkohleproduktion (siehe Kasten) auf dem Areal realisieren können. Mit der resultierenden Abwärme sollen die Haushaltungen in Hofstatt geheizt werden.
Zum Zeitpunkt des Kaufs sei noch unklar gewesen, welches Projekt auf der Liegenschaft realisiert werden sollte. «Der Landerwerb ist unabhängig vom Projekt Wärmeverbund zustandegekommen», betont Hans Peter. Diese Umstände stellte der Gemeinderat in einer Mitteilung im Oktober und nach dem Versenden der Botschaft zur Abstimmung über den Sonderkredit im November gegenüber der Bevölkerung klar. Doch im IG-Schreiben wird die Standortsuche hinterfragt: «Warum wird die geplante Pflanzenkohleanlage nicht auf den vorhandenen Grundstücken der Gemeinde realisiert?» Luthern verfüge gemäss IG über zwei weitere Grundstücke in der Nähe der neu erworbenen Liegenschaft. Besonders das Grundstück Nr. 125 biete sich gemäss des Schreibens als Standort an, da es sich im Gegensatz zum unbebauten Grundstück Nr. 975 in der «mit einem Hartbelag überbauten Industriezone» befindet. Dazu äussert sich der Gemeinderat in der auf der Webseite veröffentlichten Klarstellung: «Mit einer Zustimmung zum Sonderkredit Wärmeverbund ist die Standortwahl der Anlage zur Produktion der Pflanzenkohle nicht zugleich beschlossen.» Die Prüfung weiterer Alternativen scheint eine Option zu sein – wenn auch in der Botschaft die Parzelle Nr. 975 als vorgesehener Standort genannt wird. Zudem bliebe ein Teil des Grundstücks verkäuflich, da es nicht für den Wärmeverbund beansprucht wird.


Abwärme nutzen

Voraussichtlich soll also auf der neu erworbenen Fläche der Wärmeverbund Hofstatt entstehen. Die Idee eines eigenen Wärmeverbunds für den Ortsteil stehe schon länger im Raum. Zunächst beabsichtigte die Gemeinde, eine Schnitzelfeuerung auf dortigem Gewerbeland anzusiedeln. Dieses Projekt wurde jedoch nie stark konkretisiert. Als Alternative habe sich eine Pflanzenkohleproduktion angeboten, so der Gemeinderat. Nach dem Kauf des besagten Grundstücks Nr. 975 wurde diese Möglichkeit weiterverfolgt. Der Wärmeverbund nutzt die Abwärme der Produktion, sei sozusagen ein «Anhängsel» des Herstellungsprozesses, so Hans Peter. In der Botschaft zum Sonderkredit betont der Gemeinderat die ökologische Nachhaltigkeit der Pflanzenkohle. «Der Brennstoff Holz ist CO₂-neutral und trägt nicht zum Treibhauseffekt bei.» Dank der Nutzung der Abwärme der Produktion könnten mehrheitlich ältere, fossile Heizungsanlagen, die heute in Betrieb sind, ersetzt werden. «So kann die öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion in der Energiewende erfüllen», sagt Hans Peter.
Die Interessengemeinschaft möchte es genauer wissen: Welche der mit Heiz­öl betriebenen Heizungen sollen ersetzt werden? Werden die Kosten durch den Sonderkredit von 550 000 Franken komplett gedeckt?
Ein weiterer Vorteil des Projekts, der in der Botschaft zum Urnengang hervorgehoben wird: «Durch die Verwendung von regionalem Holz wird zudem die Wertschöpfung in Luthern erhöht.» Den Bezug zur Waldwirtschaft stellt auch das IG-Schreiben her. Denn Gemeindepräsident Alois Huber habe Mandate in der Napfholz GmbH und der Napfholz Forstlogistik AG inne. Im Schreiben wird die Befürchtung geäussert, es könnten Eigeninteressen bestehen. Der Gemeinderat verweist in dieser Frage auf die Ressortverteilung: Zuständig für dieses Geschäft ist Gemeinderat Martin Bucher. Mit der Napfholz GmbH oder der Napfholz Forstlogistik AG lasse sich das Projekt «nicht in Verbindung bringen», schreibt die Behörde.


Baustart Mitte 2022

Mit der Inega AG aus Maienfeld, Graubünden, besteht nun eine Absichtserklärung zur Umsetzung der Produktionsstätte mit Wärmeverbund im Baurecht. Denn den Aufbau und Unterhalt der erforderlichen Infrastruktur liesse sich nicht aus der Gemeindekasse bezahlen. «Wir müssten wohl mehr als eine Million Franken investieren», sagt Finanzvorsteher Hans Peter. Um eine günstigere Variante umzusetzen, habe sich der Gemeinderat auf die Suche nach einem passenden Partner gemacht. Mit der Inega AG habe man diesen Partner gefunden. Die Firma verfüge über das erforderliche Know-how und hat Ambitionen: An künftig 20 Standorten wolle die Inega AG «aus regionalem Holz erneuerbare Energie erzeugen» (siehe Kasten Seite 9).
Der Betrieb des Leitungsnetzes «von der Heizzentrale bis und mit Hauseingang» ist Sache der Gemeinde. Für den Anschluss an den Wärmeverbund verrechnet Luthern einmalige Anschlussgebühren. Bei Annahme des Sonderkredits an der Urnenabstimmung vom Sonntag würden diese Pläne ausformuliert, der Baustart ist im Sommer 2022 vorgesehen. Ein «straffer Zeitplan», wie das Schreiben der Interessengemeinschaft zu bedenken gibt.
Am vergangenen Montagnachmittag fand nun eine Fragestunde im Gemeindehaus statt, die auf moderates Interesse gestossen war. Dabei seien auch zu weiteren Themen Fragen gestellt worden. «Wir sind sehr zufrieden mit dem Austausch mit der Bevölkerung», sagt Hans Peter. Und wie zufrieden ist die Bevölkerung ihrerseits? Meinrad Bühler will nicht für die ganze Interessengemeinschaft sprechen. Doch er sagt: «Der Gemeinderat hat die gestellten Fragen beantwortet, was ich sehr begrüsse. Die Beurteilung der Antworten ist nun Sache der einzelnen Bürgerinnen und Bürger.»

Alle Resultate der Urnenabstimmung der Gemeinde Luthern vom Sonntag, 19. Dezember, werden gleichtags auf willisauerbote.ch online aufgeschaltet.

Ramon Juchli

Die Inega AG stellt Pflanzenkohle her – künftig auch in der Hofstatt? Foto zvg

Inega AG will Pflanzenkohle in der Hofstatt herstellen

Die Inega AG befasst sich seit einigen Jahren mit der Entwicklung und der industriellen Herstellung von innovativer Pflanzenkohle. Nun möchte sie einen weiteren Betrieb in Hofstatt errichten.

Die Bündner Firma Inega AG mit Sitz in Maienfeld betreibt im Jahr 2022 drei Pyrolyseanlagen, welche Pflanzenkohle herstellen. Die Unternehmung will schweizweit 20 solcher Anlagen errichten und mit regionalen Partnern betreiben. Eine regionale Wertschöpfung ist den Bündnern wichtig. «Regionale Biomasse soll regional veredelt und wieder regional eingesetzt werden», sagt Inega-Geschäftsführer Gion Willi gegenüber dem WB.

Das Ausgangsmaterial für die Pflanzenkohle-Produktion besteht zu 100 Prozent aus Waldrestholz. Die Holzschnitzel werden bei 650 °C bis 900 °C pyrolysiert. Dabei entsteht eine hochwertige Pflanzenkohle, welche in der Landwirtschaft als Bodenverbesserung, als Futtermittelzusatz oder in Erdsubstraten Anwendung findet. Die Pflanzenkohle ist zertifiziert und darf auch in der Biolandwirtschaft eingesetzt werden. Wird die Pflanzenkohle im Boden eingesetzt, findet eine Dekarbonisierung statt. Das heisst, CO₂ wird stabil und nachhaltig in der Pflanzenkohle gespeichert. Bei dem Pyrolyseprozess entsteht Abwärme, welche für Heizzwecke verwendet werden kann. In Hofstatt soll ein Wärmeverbund durch die Gemeinde Luthern erstellt werden, welcher von der Abwärme aus dem Pyrolyseprozess gespiesen wird. «Ein solcher Wärmeverbund ist zukunftsweisend und kann ein Leuchtturmprojekt in der Schweiz werden», sagt Inega-Geschäftsführer Gion Willi.

pd/WB

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