«Nur ein Urteil sorgt endlich für Ruhe»

Der Gemeinderat zieht in seinem Kampf gegen ein Asylzentrum Mettmenegg ein zweites Mal vor das Bundesgericht. Präsidentin und Sozialvorsteher weisen den Vorwurf zurück, Fischbach sei fremdenfeindlich. Und erläutern, warum ein allerletzter Richterspruch nötig sei.

Markus Maurer, Sozialvorsteher (links) und Martha Stöckli-Riedweg, Gemeindepräsidentin. Foto Norbert Bossart
Monika Wüest

von Norbert Bossart und Stephan Weber

Vor knapp zwei Wochen gab das Kantonsgericht grünes Licht für ein Asylzentrum Mettmenegg. Jetzt hat sich der Fischbacher Gemeinderat für einen zweiten Gang ans Bundesgericht entschieden. Warum?

Martha Stöckli-Riedweg, Gemeindepräsidentin: Die Asylheimpläne Mettmenegg beschäftigen seit dreieinhalb Jahren die Gemüter. Hinter uns liegt ein weiter Weg. Wir glauben bei diesem Rechtsstreit kurz vor dem Ziel zu sein. Der Gemeinderat will einen Schlussstrich unter diese leidige, kräfteraubende Diskussion ziehen. Die Mettmenegg hat in unserem Dorf tiefe Gräben aufgerissen. Jetzt soll endlich wieder Ruhe einkehren. Dies macht nur ein abschliessendes Bundesgerichtsurteil möglich.

Markus Maurer, Sozialvorsteher: Politiker müssen Volksvertreter sein! Diese Forderung ist momentan landauf, landab an den Wahlpodien zu hören. Wir nehmen den Aufruf in Fischbach seit Jahren ernst. Als Gemeinderat muss ich in der Asylheim-Frage die Interessen der Mehrheit der Fischbacher vertreten – ganz egal, wie auch immer meine persönliche Meinung ist. Das Rampenlicht haben wir nie gesucht. Es gibt weit schönere Aufgaben für einen Gemeinderat, als sich ständig für den Volkswillen vor den Medien rechtfertigen zu müssen.

Der Weiterzug entspricht dem Volkswillen?

Martha Stöckli: 85 Prozent der Fischbacher Stimmberechtigten haben einst eine Petition unterschrieben, die von einem Asylzentrum Mettmenegg nichts wissen will. An dieser Grundhaltung hat sich bis dato nichts geändert. Der Weiterzug des Urteils ist keine Zwängerei des Gemeinderates, sondern schlicht der Auftrag des Fischbacher Stimmvolkes.

Kein Zwängerei? Das Bundesgericht hat bereits im Februar 2014 die Fischbacher zurückgepfiffen und den Gemeinderat für «schwerwiegende und offenkundige Verfahrensmängel» im Baubewilligungsverfahren gerügt.

Markus Maurer: Korrekt ist: Das Bundesgericht hat sich beim ersten Urteil nur zu verfahrensrechtlichen Fragen geäussert und dabei das Urteil des Verwaltungsgerichts – heute Kantonsgericht – für nichtig erklärt. Das höchste Gericht hat sich bisweilen inhaltlich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine raumplanerische Ausnahmebewilligung für ein Asylzentrum erteilt werden kann.

Martha Stöckli: Noch immer ist also unklar, ob ein zweckfremder Bau wie ein Asylzentrum in der Landwirtschaftszone rechtens ist. Uns wäre es weit lieber gewesen, wir hätten auf diese alles entscheidende Frage bereits 2013, bei unserem ersten Gang nach Lausanne, eine Antwort erhalten.

Juristische Streitigkeiten verschlingen Tausende von Steuerfranken. Liesse sich dieses viele Geld nicht weit sinnvoller für Menschen in Not einsetzen?

Markus Maurer: Der Gemeinde Fischbach wurden bisher keine amtlichen Kosten überbürdet. Mit Grund. Selbst das Kantonsgericht hat im Urteil vom vergangenen 18. Februar zugestanden: Die vorliegenden strittigen Fragen sind von öffentlichem Interesse. Auch daher rechtfertigt sich die abschliessende Überprüfung der kantonalen Ausnahmebewilligung durch das Bundesgericht.

Zurück zum Kantonsgerichtsurteil, das sie anfechten: Danach unterscheidet sich aus raumplanerischer Sicht die Nutzung als Asylzentrum für maximal 35 Personen nicht wesentlich von jener des einstigen Bürgerheims. Beide Nutzungen seien von der Art und Intensität ähnlich – gestern und morgen handle es sich um «eine Form des betreuten Wohnens».

Martha Stöckli: Dieser Vergleich ist nichtig. Die Heimnutzung wurde 1996, spätestens jedoch im Jahr 2000, definitiv aufgegeben. Der Gemeinderat ist überzeugt: Eine Ausnahmebewilligung kann daher nicht mehr erteilt werden.

Markus Maurer: Selbst wenn die Heimnutzung nicht aufgegeben worden wäre: Ein Altersheimbetrieb lässt sich keineswegs mit jenem eines Asylzentrums vergleichen – die Art und Intensität sind verschieden. Zudem ist es sehr fragwürdig, in Zeiten knapper Kantonsfinanzen rund 800 000 Franken in die Umnutzung auf der Mettmenegg zu investieren. Ein Asylzentrum in der einstigen Klosteranlage St. Urban oder auf der gut ausgebauten «Marienburg» in Wikon könnten Alternativen sein.

Bleiben wir in Fischbach. Statt Betagte würden Asylbewerber abgelegen wohnen. Menschen auf der Flucht hätten endlich ein Dach über dem Kopf. Warum wehren sich die Fischbacher so vehement gegen das Asylzentrum?

Martha Stöckli: Sie haben Angst, ihre Liegenschaft werte ab, sie könnten die Wohnungen nicht mehr vermieten. Sie befürchten, dass gute Steuerzahler abwandern und Neuzuzüger abgeschreckt werden. Gross ist auch die Angst vor Gewalttaten. Immer wieder weisen Stimmen aus der Bevölkerung auf die Missstände im heutigen Asylwesen hin.

Das ist doch pure Panikmache…

Markus Maurer: Nein, diese Ängste gilt es ernst zu nehmen. Wir haben vor Ort auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. So stach etwa ein Asylbewerber mit dem Messer auf seine Frau ein. Auch wenn sich die Mehrzahl der Flüchtlinge an unsere Gesetze hält: 35 und mehr Asylsuchende sind für ein kleines Dorf wie Fischbach mit 720 Einwohnern schlicht nicht verkraftbar.

Martha Stöckli: Verwaltung und Schule wären überfordert. Unser Schulraum ist bereits heute knapp, für weitere Asylkinder fehlt es an Platz.

Markus Maurer: Zudem fürchten wir uns vor den Folgekosten, die ein solch grosses Asylzentrum auslösen kann. So belasten Mutterschaftsbeihilfen oder Fremdplatzierung von Kindern die Gemeindekasse. Seit zehn Jahren bin ich nun als Sozialvorsteher im Amt und kann schwarz auf weiss belegen: Fischbach musste in den letzten Jahren Asylsuchende mit mehreren Zehntausend Franken unterstützen.

Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg waren so viele Menschen auf der Flucht. Solidarität ist ein Gebot der Stunde, auch in der Schweiz. Das Asylwesen ist eine Verbundaufgabe von Bund, Kanton und Gemeinden. Warum reicht Fischbach die heisse Kartoffel einfach weiter?

Martha Stöckli: Das Gegenteil ist der Fall. Fischbach hat sich in all den Jahren immer an dieser Verbundaufgabe beteiligt. Bereits Anfang der Neunzigerjahre beherbergten wir ohne grossen Aufhebens kurdische Flüchtlingsfamilien. Wir haben immer Asylsuchende vor Ort einquartiert. Auch heute.

Markus Maurer: Gar mehr Personen als laut Verteilschlüssel Pflicht wären. Derzeit wohnen vier Asylbewerber bei uns, deren drei müssten wir laut kantonaler Vorgabe aufnehmen. Fischbach ist also weder fremdenfeindlich noch betreiben wir eine St.-Florians-Politik.

Dagmersellen und Willisau bieten in der jetzigen Notlage Hand. Für weit mehr Flüchtlinge, als in Fischbach Obdach finden sollen.

Markus Maurer: Die zwei genannten Gemeinden vermochten wie viele weitere Dörfer dem kantonalen Verteilschlüssel bisher nicht zu genügen – im Gegensatz zu Fischbach. Sie ernten aber seit Wochen Lob – wir hingegen werden seit Monaten gescholten und als fremdenfeindlich hingestellt. Das ist völlig unfair.

Martha Stöckli: Wir dürfen nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Die Notunterkünfte sind zeitlich auf ein Jahr beschränkt, das Asylzentrum auf der Mettmenegg wäre zehn und mehr Jahre in Betrieb.

Markus Maurer: Und nach wie vor konnte uns der Kanton nicht definitiv sagen, welche und wie viele Leute für wie lange auf der Mettmenegg ein Zuhause finden sollen. Die Rede ist von 35 Asylsuchenden – doch Platz hätte es für deren 70. Die Einwohnerzahlen von Fischbach und Willisau oder Dagmersellen sind völlig unterschiedlich – eine grosse Asylbewerberzahl hat für eine kleine Gemeinde wie Fischbach weit massivere Auswirkungen.

Statt in einem lichtdurchfluteten Gebäude mit sanitären Anlagen, Küche und Aufentshaltsraum wie der Mettmenegg müssen Asylbewerber notgedrungen unter tags in Zivilschutzanlagen hausen. Ist Menschlichkeit für die Fischbacher ein Fremdwort?

Markus Maurer: Nein, nein und nochmals nein! Ich muss mich wiederholen: Wir beherbergen bereits jetzt mehr Asylsuchende als es der Verteiler vorsieht. Jetzt stehen andere Gemeinden in der Pflicht. Und apropos Standort Mettmenegg: Ist es richtig, Asylsuchende im hintersten Ecken des Kantons zu platzieren? Aus dem Auge aus dem Sinn?

Jetzt steht der zweite Gang vors Bundesgericht an. Welchen Urteilsspruch erwarten Sie?

Martha Stöckli: Die Chance, Recht zu bekommen, steht bei 50:50.

Markus Maurer: Wir nutzen das allerletzte rechtsstaatliche Mittel. Ob Sieg oder Niederlage: Der Gemeinderat wird das Urteil selbstverständlich akzeptieren und zügig umsetzen.

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