Nachruf

21. März 2019

Vreny Iten-Wili

Ettiswil

Unser Mueti schrieb vor Jahren folgende Zeilen für ein Grosskind und erzählte damit von «Grosis alten Zeiten»: Ich beginne dort, wo meine Wiege stand. Dies war im Luzerner Seetal in Bleulikon bei Hitzkirch. Das war meine Heimat mit meinen Eltern, meinen drei Geschwistern – ich die Jüngste.

Heimat heisst: verbunden sein einer Landschaft, verwachsen sein mit Haus und Hof, mit Wald und Feld. Das alte Bauernhaus, das nahe leise Bächlein und der schöne Buchenwald ob unserem Haus sind sehr präsent in meinen Erinnerungen.

Die Primar- und Sekundarschule besuchte ich in Hitzkirch. Danach verbrachte ich ein Jahr im Welschland in einem Institut. In jenem Herbst, also 1939, brach der Zweite Weltkrieg aus. Krieg ist grausam, doch niemand wusste Genaueres darüber. Jede Familie war betroffen, da Söhne, Väter und Angestellte einrücken mussten zur Landesverteidigung. Auf irgendeine Weise musste alles weitergehen. Lebensmittel waren rationiert. 

Im 2. Kriegsjahr, nachdem mein Welsch-landjahr beendet war, galt es auf dem väterlichen Hof Landdienst zu tun, den grossen Bruder zu ersetzen, der im Militär war. 

Als 1945 endlich die Friedensglocken wieder Ruhe im Land verkündeten, war es Zeit, mich für eine Berufswahl umzusehen. Nun, ich hatte einen Beruf erlernt in diesen Jahren, ich hatte viel Praktikum getan und besuchte die hauswirtschaftliche Schule – ich war jetzt Bäuerin. Diese entbehrungsvollen Jahre haben uns ältere Leute von heute sehr geprägt. 

Wir setzen Muetis Geschichte fort, ein neuer Lebensabschnitt folgte: 1950 gaben sich Vreny Wili und Julius Iten das «Ja-Wort» und lebten in Retschwil, bald als kleine Bauernfamilie. 

Vier Jahre später zügelten sie mit der Erstgeborenen Verena und Sohn Jules auf einen Hof ins Kessental bei Menznau. Felix wollte vermutlich schon damals beim Umzug mithelfen und strampelte sich während dieser «Zöglete» auf die Welt. Drei Jahre später wurde der Familienbund mit der neugeborenen Lisbeth bereichert. Das Leben wurde geprägt durch gesundheitliche Höhen wie Tiefen, doch das Wohlbefinden der Familie war für Mueti das Wichtigste.

Ein neuer Schritt mit dem Hof in der Ettiswiler Brestenegg wurde gewagt. Franz, Beat, Helen und Lucia wurden geboren und machten sich bemerkbar. Mueti und Vater waren nun die stolzen Eltern von acht Kindern. Abends spät wurden Arbeitskleider geflickt, Kleider für die Grossfamilie genäht. Selbstlos packte Mueti die Arbeiten in Haus und Hof mit an. 

Wir hatten eine besorgte Mutter mit einem grossen Herzen, wo alle einen Platz fanden. Die Tür stand immer offen für Ferienkinder und alle, die am grossen Küchentisch ein heimeliges Plätzchen suchten. 

Vor der Pensionierung richteten sich unsere Eltern ihr Zuhause näher beim Dorf ein. Mit Freude und Wohlwollen überschrieben sie den Landwirtschaftsbetrieb an Felix und Trudi. Mueti war offen für neue Herausforderungen, arbeitete auswärts als Näherin. In der Brestenegg war sie trotzdem gerne zur Mitarbeit anzutreffen. 

Sie genoss die Zeit um zu lesen und Mozart zu hören. Mueti liebte die Natur, Blumen, Gartenarbeiten, Tiere und tankte Energie bei Waldspaziergängen. Ihre Kreativität lebte auf, Krippenfiguren, Scherenschnitte und zierliche Blumenkarten gestaltete sie. Alte Bauernschränke blühten neu auf, Verse in sorgfältiger Kaligraphie zählten nun zu ihren Hobbys. 

19 Grosskinder wuchsen über die Jahre heran. Mueti hütete sie mit einer Engelsgeduld, wann immer sie gerufen wurde. Ihr siebtes Urgrosskind wurde kürzlich geboren. Bescheiden ist sie als Grosi geblieben und umsorgte ihre Familie unermüdlich.

Das hohe Alter hinterliess Spuren bei unserem Vater. Äusserst fürsorglich hat ihn Mueti auf diesem beschwerlichen Weg begleitet. Ende Juli 2011 mussten wir gemeinsam von Vater Abschied nehmen – eine schmerzliche Lücke entstand. 

Mueti packte ihr Leben neu an und mobilisierte alle Kräfte um möglichst lange selbständig zu bleiben. Knapp vor ihrem 90. Geburtstag entschloss sie sich kurzfristig ins Sonnbühl, ins Altersheim umzusiedeln. Dankbar zeigte sich Mueti für die wertschätzende und kompetente Betreuung. Neue Bekanntschaften wurden geknüpft, alte Beziehungen vertieft. Ausfahrten liebte sie über alles, vor allem ins Seetal, in ihre tief verbundene Heimat. Sie schwärmte jeden Frühling von der herrlichen Pracht der blühenden Kirsch- und Apfelblüten. Mueti sah das Schöne in den kleinsten Dingen und strahlte damit Herzlichkeit aus. 

Bei den täglichen Spaziergängen mit ihrem Rollator zog sie sich leise zurück in den Schatten eines Baumes – gerne um zu lesen oder der Natur zu lauschen, dies gelang ihr bis drei Wochen vor ihrem Abschied. 

Mit dem Verlassen ihrer letzten Kräfte verabschiedete sich Mueti von allen ihren geliebten Kindern und deren Familien, bevor sie im kleinen Kreise der Familie friedlich einschlafen durfte. 

Herzlichen Dank all jene Menschen, die unserem Mueti verbunden sind, wertvolle Zeit miteinander geteilt haben, ob in Freundschaft, treuer Begleitung oder wertvoller Betreuung. 

«Unendlich dankbar sind wir dir Mueti für deine Liebe! Du lebst immer weiter in unseren Herzen.» 

 

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