Nachruf

24. Oktober 2019

Rösi Lichtsteiner-Marti

Ohmstal

Am 26. Juni 1922 wurde Rösi als achtes von zwölf Kindern auf dem Hof Krisental in Willisau geboren und auf den Namen Rosalia getauft. Es waren entbehrungsreiche Zeiten und dennoch waren es gerade die Jahre im Krisental, von denen Rösi immer wieder erzählte. Spielzeuge gab es da noch nicht, doch in der Not stellte man selber Puppen her, wie das legendäre «Härdöpfu-Bäbi». Wenn sie von früher erzählte, fühlte man förmlich die Geborgenheit und den starken Zusammenhalt, welche die Familie hatte. 

Da die Familie Marti weiter anwuchs, schaute sich Vater Franzsepp nach einer grös­seren Liegenschaft um und so kam es, dass Martis im Frühling 1930 auf den Wallberg zogen. Auf dem letzten Stück hinauf zum Wallberg begegneten sich Rösi und ihr späterer Mann Sepp Lichtsteiner zum ersten Mal. Er und seine Schwester Martha schauten am Strassenrand sitzend der Züglete zu. 

Rösi trat in Ebersecken in die erste Klasse ein und verbrachte dort ihre gesamte Schulzeit. Da gab es starke Bindungen und unzählige Erlebnisse in der Schule und auf dem Schulweg. Noch so gerne besuchte sie später die Klassenzusammenkünfte, um ihre Schulkameraden wiederzusehen.

Das Leben auf dem Wallberg war prägend für Rösi. Um den grossen Hof zu bewirtschaften, mussten alle Hände mithelfen. Ihre liebsten Erzählungen aus dieser Zeit betrafen aber die fröhlichen Seiten. Wie da gesungen wurde, wie sie mit den Nachbarskindern gespielt hätten und von den vielen Besuchen der Verwandten. Da die Marti-Meitschi langsam älter und heiratsfähig wurden, tauchten gleich reihenweise «Kilter» auf. Lustige Tanzabende gab es dann auf dem Wallberg.

Dass Rösi nie einen Beruf erlernen konnte, «wurmte» sie manchmal. Sie war in vielen Dingen begabt und gerne wäre sie Handarbeitslehrerin geworden. Ihre Lebenserfahrungen hat sie dennoch gemacht und besonders die Zeit bei der jüdischen Familie Dreyfuss in Willisau hatte ihr Denken und ihr Wesen nachhaltig geprägt. Da die Kriegszeit anbrach, musste Rösi ihre älteste Schwester auf dem Hof ihres Mannes in Schötz unterstützen. Ob Zufall oder nicht, auch Nachbars Sepp vom Burst musste hier aushelfen und die Kühe melken. Als Rösi auf Geheiss ihrer Schwester dem jungen Mann eine Bettflasche ins kalte Bett legte, war das der Anfang einer Liebe, die zeitlebens anhielt. 

Als Rösi 1949 frisch verheiratet auf den Hof Burst kam, war für sie vieles neu. Das Heimweh nach ihrer Familie auf dem gegenüberliegenden Wallberg hielt noch lange an und wenn es zu arg wurde, schlief sie auch mal eine Nacht «zu Hause». Sechs Kinder wurden der Familie Lichtsteiner-Marti geboren und diese durften auf dem Burst eine wohlbehütete Jugend erleben und viel Nestwärme spüren. Trotz der vielen Arbeit in Haus und Hof hatte Rösi immer Zeit. Auch für die vielen Ferienkinder, welche den Burst tüchtig belebten. «S'Tante Rösi» hatte eben ein grosses Herz, und darin hatten alle Platz. 

Eigentlich wäre es eine heile Welt gewesen, wäre da nicht der allzu frühe Tod ihres Mannes Sepp 1982 gewesen. Das nagte tüchtig an ihr und es dauerte Jahre, bis sie den Verlust verdaut hatte. Als Sohn Beat neben dem alten Gehöft ein neues Haus baute und Rösi dort eine Wohnung beziehen konnte, begann ein neuer Lebensabschnitt. Eine Zeit, in der Rösi das Leben neu entdeckte und ein Leben, das nun deutlich bequemer war. Man könnte es fast als Lohn bezeichnen für die vielen anstrengenden Jahre zuvor. Rösi genoss es jetzt, da und dort dabei zu sein, Ausflüge zu machen oder einen Jass zu klopfen. Da sie auch ein geübter «Verslischmied» war, bereicherte sie viele Anlässe und Feiern mit einem Gedicht. Ihr offener Geist ermöglichte es ihr, auf andere zuzugehen und mit allen sofort gut zu sein. Auch der Turnverein war jetzt ein wichtiger Faktor in ihrem Leben und auch nachdem sie mit über 90 Jahren nicht mehr ins Turnen ging, absolvierte sie jeden Morgen ihre Turnübungen, um fit zu bleiben. So schaffte sie es auch, bis zum Schluss selbständig zu wohnen und den Alltag zu bewältigen.

Eine besonders innige Beziehung pflegte Rösi zu ihren Grosskindern, welche sie oft hüten durfte. Liebevoll wurde sie von allen Mimi genannt. Rösi war ein Familienmensch durch und durch. Sie liebte es, wenn alle zusammen waren und der Friede in der Familie war ihr das Allerwichtigste. 

Alles war in bester Ordnung, bis ihr Sohn Anton erkrankte und im Jahr 2008 verstarb. Das war ein harter Schlag. Dank ihrer Familie, den Urgrosskindern und der grossen Verwandtschaft wurde das Leid mit der Zeit weniger. Das Telefon war Rösi in dieser Zeit ein guter Freund geworden.

Der heisse Sommer 2018 setzte Rösi zu und im Laufe der folgenden Monate zeigten sich vermehrt gesundheitliche Probleme. Nach einem kurzen Spitalaufenthalt trat sie ins Wohn- und Begegnungszentrum Violino in Zell ein. Fünf Wochen verbrachte sie hier, bevor sie am 4. Mai 2019 für immer die Augen schloss. Eine Rose ist verblüht, es bleiben reiche Früchte, die keimen, wachsen und wieder Früchte tragen. 

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