Nachruf

12. Oktober 2020

Margrith Stadelmann-Portmann

Grosswangen

Unser Muetti wurde am 23. Oktober 1926 auf dem Steinhuserberg ge­boren. Aufgewachsen ist sie mit fünf jüngeren Geschwistern auf dem schönen Hof Hasenschwand. Es waren strenge, aber frohe Jahre im Kreise ihrer Familie. Nach der Schulzeit gab es kein langes Überlegen, denn ihre Arbeitskraft war auf dem Hof willkommen. Muetti lernte mit den Pferden umzugehen. Futter, Heu und Gras brachten die Pferde unter ihrer Obhut in die Scheune. Sie hatte all die schweren Arbeiten mit Hingabe und Freude gemacht.

Später besuchte sie die Bäuerinnenschule im Kloster Fahr in Untereng­stringen. Zum Kloster Fahr hatte sie stets eine enge Beziehung, da ihre jüngere Schwester Michaela im Kloster als Ordensschwester ihre Berufung gefunden hatte und ihr ältester Sohn Xaver viele Jahre auf dem Bauernbetrieb des Klosters gearbeitet hatte. Bald darauf lernte sie Xaver Stadelmann vom Geierbühl, Steinhuserberg, kennen, schätzen und lieben. Im November 1950, begleitet von morgendlichen Schneeflocken, wurde Hochzeit gefeiert.

In den darauffolgenden Jahren vergrösserte sich die Familie mit den Geburten von acht Kindern, welche viel Freude und Glück in das Familienleben brachten. Gemeinsam bewirtschafteten sie mehrere Pachten. Die Jahre in Dagmersellen im Lerchensand blieben Muetti in besonders guter Erinnerung.  Mit einem Spaziergang im Kreuzberg und einem Besuch der Kreuzbergkapelle konnte man ihr zeitlebens eine grosse Freude bereiten. Im Jahre 1961 musste die Familie von ihrer Tochter Margrit, im zarten Alter von 8 Monaten, Abschied nehmen. Dieser Verlust hinterliess bei unserem Muetti und der ganzen Familie tiefe Spuren.

Mit Traktor und Wagen und der Bubenschar zügelten unsere Eltern 1967 das ganze Hab und Gut nach Grosswangen in den Weiler Stettenbach. Kurz darauf wurde ihre Tochter Ruth geboren. Muetti war sehr gastfreundlich und hatte immer ein offenes Ohr für alle Anliegen und Sorgen ihrer Mit­menschen. Die sonntäglichen Spaziergänge über Felder und Wiesen genoss sie sehr. Beim Duft der feinen Bachblumen kam sie richtig ins Schwärmen. Nebst der Haus- und Gartenarbeit half Muetti unserem Vater tatkräftig auf den Landwirtschaftsbetrieb mit. Bei der Schweinezucht hatte sie die Verantwortung und diese Arbeit machte sie sehr gerne. Ein treuer Begleiter war ihr geliebter Hund Bobby. Der grosse Gemüsegarten und die Blumenpracht ums Haus waren ihr grosser Stolz.

Auch der Verkauf von Buschbohnen und Himbeeren genoss sie sehr, denn damit waren jahrelange, schöne Kontakte verbunden. Der «Tönistag», die Stettenbacher Fasnacht, der Auffahrts­umritt und die 1.-August-Feier waren fest im Jahreszyklus verankert. Sie war stets dankbar für die wertschätzende Nachbarschaft und das gute Miteinander.

1988, nach 21 Jahren Pacht in Stettenbach, wurde die Liegenschaft verkauft und somit gab es erneute Veränderungen. Mit Hilfe der Kinder, Verwandten und Nachbarn überstand man auch diese Zeit der Steigerung gemeinsam und ging mit Mut und Zuversicht weiter. Im gleichen Jahr zügelten unsere Eltern auf den Pachthof ihres Sohnes Toni und seiner Familie in den Brüggenhof in Grosswangen. Dort verbrachten sie 12 Jahre, in welchen es nun etwas ruhiger wurde. Zeit zum Velofahren, Zitternspielen, Ausflüge machen, Schwimmen, Aquavit und Jassen.

Die 19 Grosskinder und 15 Urgosskinder belebten die grosse Stube und brachten viel Freude und Abwechslung in den Alltag. Beim Muetti- oder Grosibesuch fehlte nie ein Dessert oder ein Zobig, denn ein «Nein» wurde von ihr liebevoll überhört.

Im Jahr 2000 bezogen unsere Eltern im Dorf eine neue Wohnung direkt neben ihrer Tochter Ruth mit Familie. Dort verbrachten sie schöne und gesellige Jahre und genossen den Kontakt zu Freunden, Verwandten und zur Familie. Am 3. Januar 2006 musste Muetti von unserem Vater Abschied nehmen. Einmal mehr stellte sie sich der neuen Lebenssituation, wie schon so oft in ihrem Leben … aufstehen, vorwärts schauen und weitergehen. Bis im Alter von 92 Jahren besorgte sie den Haushalt selber, machte fast täglich einen Spaziergang und pflegte ihren Garten. In diesen Jahren musste unser Muetti auch von vielen Menschen ihrer Verwandtschaft Abschied nehmen. Ihr Glaube gab ihr Kraft und sie trug es mit Fassung, aber die Traurigkeit blieb. 

Ende 2018 bezog unser Muetti mit Unterstützung ihrer Familie ein schönes Zimmer im Betagtenzentrum Linde in Grosswangen. Sie half aktiv mit, ihre Wohnung zu räumen und zu entscheiden, was mit dem Inventar geschehen soll. Muetti war eine aufgeschlossene, fortschrittliche und tolerante Frau und sie hat uns immer Vertrauen geschenkt in allem, was wir gemacht haben. Unsere Sorgen waren Muettis Sorgen, unsere Freuden waren Muettis Freuden. 

Ab dem 21. Dezember 2019 wurde Muetti zusehends schwächer. Bis am Silvesterabend konnten wir ihre lieben Worte noch hören, dann wurde sie ruhig, schlief friedlich ein und vollendete ihr langes Leben mit dem letzten Atemzug am Donnerstag, 2. Januar 2020, in den frühen Morgenstunden.