Nachruf

17. Oktober 2019

Josef Häfliger-Gräniger

Alberswil

Lieber Höbalibabi

Du hast uns vorgelebt, wie man trotz schwierigen Lebenssituationen glücklich und vor allem zufrieden leben kann. Auf eindrückliche Weise durften wir dich bis zum letzten Atemzug zu Hause begleiten. Dein Lebenskreis hat sich geschlossen.

Am 24. Februar 1923 wurdest du als ältester Sohn in Fischbach geboren. Zusammen mit zwei Brüdern und drei Schwestern bist du auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsen. Schon früh musstest du dich mit Schicksalsschlägen befassen. Als du gerade 15-jährig warst, verstarb deine Mutter im Alter von 41 Jahren. Deine jüngste Schwester war erst 8-jährig. Ein Jahr später brach der Zweite Weltkrieg aus und euer Vater musste ins Militär einrücken. Ihr Kinder wurdet von einer jungen Cousine betreut. Zusammen mit Knechten und Angestellten mussten die Arbeiten auf dem Hof erledigt werden. Das war für alle eine schwierige Zeit. Wenn du uns aus dieser Zeit erzählt hast, blieben deine Augen nur selten trocken. 

Mit 18 Jahren absolviertest du die Rekrutenschule als Kavallerist und warst anschliessend fast ein Jahr im Aktivdienst. Die Freude und die Beziehung zu den Pferden begleiteten dich bis ins hohe Alter. 

In den Vierzigerjahren lerntest du unser Mueti, Marie Gräniger, kennen und lieben. 1949 gabt ihr euch das Jawort. Schon bald wurde aus dem Paar eine Familie. Die darauffolgenden vier Jahre bewirtschaftetet ihr den elterlichen Betrieb des Vaters in Fischbach.

1953 zog es dich mit der jungen Familie nach Alberswil, wo du die Pachtliegenschaft Hübeli übernehmen und sechs Jahre später käuflich erwerben konntest. Auch die Familie wuchs in dieser Zeit an. So warst du stolzer Vater von vier Mädchen und einem Sohn. Du warst ein Familienmensch und die Familie bedeutete dir sehr viel. 

In den Achtzigerjahren erkrankte unser Mueti. Es war ein langer Kampf gegen den Krebs und ein stetiges Auf und Ab. Jede Phase, die wieder besser war, gab dir Mut und Hoffnung auf eine weiterhin gemeinsame Zukunft. Im September 1992 wurde jedoch die Krankheit stärker und unser Mueti musste uns verlassen. Das war ein sehr harter Schlag für dich.

Deine positive Lebenseinstellung und dein Blick nach vorne gaben dir die Kraft, auch dieses Schicksal zu verarbeiten und zu akzeptieren.

Seit dieser Zeit lebtest du weiterhin in deiner eigenen Wohnung im Hübeli und gehörtest zur Familie deines Sohnes. Wie freutest du dich an den immer grösser werdenden Gross- und Urgrosskindern.

Ein weiterer einschneidender Lebensabschnitt auf deinem Lebensweg war der Verlust deiner Tochter Pia vor gut vier Jahren. Sie stand dir sehr nahe. Mit Zuversicht und ohne Hadern hattest du auch diesen grossen Schmerz überwunden und ertragen.

Obwohl mit dem zunehmenden Alter auch deine Kräfte etwas schwanden, war es dir ein grosses Anliegen, möglichst selbstständig und mobil zu bleiben. Bis ins hohe Alter warst du noch mit deinem Opel Astra unterwegs. Mit fast 90 Jahren hast du deine Autokarrie­re beendet. Dieser Einschnitt machte dir am Anfang sehr zu schaffen.

Du warst bis zu deinem Lebensende mit Leib und Seele Bauer. Dich interessierte immer was auf dem Betrieb lief. Der Zusammenschluss der Betriebsgemeinschaft faszinierte dich und du hast die Ideen und die Umsetzung der jüngeren Generation mit Freude verfolgt und unterstützt. Es verging kaum ein Tag, ohne dass du nicht fragtest, was für Arbeiten gerade anstehen, wie viele Kühe gekalbt haben oder wie gross die Hühner seien. Anfänglich kamst du fast täglich zu Fuss oder ab und zu mit dem Auto in den Stall, um die Tiere zu beobachteten und interessiert beim Arbeiten zuzusehen. 

Mit zunehmendem Alter brauchtest du Hilfsmittel für deinen Fussmarsch. Zuerst war es der Gehstock und nach langem Zögern auch ein Rollator. Viele Stunden verbrachtest du auf dem Bänkli bei der grossen Linde. Für dich war das ein Treffpunkt mit Bekannten und auch fremden Leuten. Wie freutest du dich über ein Plauderstündchen, oder wenn sich einfach jemand Zeit nahm zum Zuhören.

Im Sommer, wenn es für einen Fussmarsch zu heiss war, kam es vor, dass du deine Route verkürzt hast und auf dem Weg bei der Nachbarin Sofie einen Halt gemacht hast. Es gab doch einiges, was euch in den vielen Jahren der Nachbarschaft verband. 

Auch das Jassen gehörte zu deinen Lieblingsbeschäftigungen. Die Jassnachmittage waren bis zum Schluss ein fester Bestandteil deines Wochenplanes. Für dich bedeutete das Jassen, neben der Geselligkeit und dem Kontakt zu deinen Kollegen, auch eine Art Hirntraining. So lerntest du mit fast 90 Jahren noch Sudoku zu lösen. Auch der Schulstoff deiner Grosskinder interessierte dich bis ins hohe Alter. Es gab eine Zeit, in der du sogar noch Englisch lernen wolltest. Die Bewegung war für dich sehr zentral. Dein enormer Lebenswille spornte dich dazu ständig an. Wie oft sagtest du, wenn ich mich nicht mehr bewege, roste ich ein.

Dein einziges Handicap war das Atmen. Dieses Gebrechen hat dir schon viele Jahre, aber mit zunehmendem Alter immer mehr zugesetzt. Einige Lungenentzündungen musstest du erleiden. Die Abstände dazwischen wurden immer kürzer. Dein immer älter werdender Körper vermochte diese Strapazen irgendwann nicht mehr zu ertragen. 

Am Montag, 29. April, warst du beim Arzt und es wurde erneut eine Lungenentzündung festgestellt. Es war dein ausdrücklicher Wunsch, nicht mehr ins Spital eingeliefert zu werden. Seit diesem Montagabend konntest du das Bett nicht mehr verlassen. Deine Familie durfte dich zu Hause pflegen und begleiten, bis du dann am Donnerstagabend friedlich zu Hause einschlafen konntest.

Wenn wir auf das sehr lange Leben von unserem Vater zurückblicken und uns an ihn erinnern, so stellen wir fest, dass er immer eine sehr positive Einstellung zum Leben hatte. Er hatte einen enormen Lebenswillen. Ist das vielleicht ein Teil des Schlüssels zu einem langen Leben?

Babi, wir danken dir, dass du so viele Jahre bei uns warst und dass wir dir deinen grössten Wunsch «zu Hause zu sterben» erfüllen durften. Du hinterlässt eine grosse Lücke, aber wir gönnen dir den Frieden und die ewige Ruhe.

Deine Familie